Krisenstimmung in Wildbad Kreuth: Bundeskanzlerin Angela Merkel (m.) mit (v.l.) Karl Freller, Horst Seehofer, Thomas Kreuzer und Gerda Hasselfeldt. Bild: CSU
Wildbad Kreuth

CSU ist enttäuscht von der Bundeskanzlerin

Bei ihrem Kreuth-Besuch betont Bundeskanzlerin Angela Merkel die unterschiedlichen Auffassungen und besteht weiter auf einer internationalen Lösung der Flüchtlingskrise. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer spricht anschließend von einem „enttäuschenden Tag“ und warnt vor politisch schwierigen Zeiten.

Freundlich aber unnachgiebig, so präsentiert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem zweiten Besuch in Wildbad Kreuth binnen weniger Wochen. Unmittelbar nach ihrer Ankunft bei der Klausur  der CSU-Landtagsfraktion sagte Merkel, in schwierigen Zeiten, sei es wichtig, miteinander zu sprechen, auch wenn man nicht immer einer Meinung sei. Das gemeinsame Ziel laute, die Zahl der Flüchtlinge „spürbar und nachhaltig“ zu reduzieren. „Ich glaube, dass wir hier bei den Fluchtursachen ansetzen und eine europäische Lösung finden sollten“, bekräftige Merkel erneut ihre Position. Auf die Forderung der CSU nach einer Obergrenze ging sie nicht ein.

Thomas Kreuzer bezweifelt europäische Lösung

Der CSU-Vorsitzende, Horst Seehofer, sprach nach dem Merkel-Besuch von einem „enttäuschenden Tag“. Die Abgeordneten hätten ihr in „sehr sachlicher und nachdrücklicher Weise“ ihre Sorgen mitgeteilt. „Von ihr gab es aber keine Spur des Entgegenkommens. Wir gehen auf politisch schwierige Wochen und Monate zu.“ Seehofer schloss jedoch aus, dass die CSU deswegen die Koalition aufkündigen werde, „weil man innerhalb einer Regierung mehr bewirken kann, als wenn man eine Regierung verlässt“. Die CSU wolle in der Flüchtlingsfrage weiterhin „in die CDU hineinwirken“.

Wir gehen auf politisch schwierige Wochen und Monate zu.

Horst Seehofer

Lobende Worte fand Seehofer für den Beschluss der österreichischen Regierung, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen. Dies sei „die momentan einzige denkbare Lösung“. Auch Deutschland brauche dringend eine Obergrenze, sagte Seehofer. Auch CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer sagte nach dem Gespräch mit der Kanzlerin, er glaube nicht daran, dass die von ihr angestrebte europäische Lösung „in annehmbarer Zeit“ zu Ergebnissen führen werde. Das Gespräch, so Kreuzer, habe gezeigt, dass es zwischen CSU und Bundeskanzlerin einen Dissens gebe. „Und zwar einen erheblichen.“

Zwischenbilanz im Februar

Drei Ereignisse, hatte Merkel in Kreuth erklärt, würden in den nächsten Tagen bei der Suche nach einer internationalen Lösung eine wichtige Rolle spielen. Die Regierungskonsultationen am Freitag mit der Türkei, der so Merkel, „eine Schlüsselrolle“ zukomme. Eine Geberkonferenz im Februar in London, bei der es darum gehen werde, die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Syrien, Libanon und Jordanien zu verbessern. Und ein EU-Rat ebenfalls im Februar, auf dem die Flüchtlingsfrage eine zentrale Rolle spielen werde. „Danach können wir eine Zwischenbilanz ziehen und sehen wo wir stehen.“

Merkel hält Grenzschließung nicht für „Allheilmittel“

Im Gespräch mit den CSU-Abgeordneten sagte Merkel, sie müsse bei der Lösung der Flüchtlingskrise das Gefühl haben, alles ausgereizt zu haben, was international möglich sei. Sie könne nicht gleichzeitig nationale Maßnahmen ergreifen und international verhandeln. Grenzschließungen, argumentierte Merkel, seien kein „Allheilmittel“. Ein Schließen der Binnengrenzen, so die Bundeskanzlerin weiter, hätte massive Folgen für Europa und die europäische Wirtschaft. Fraktionschef Kreuzer erwiderte darauf, es gehe um Personen- nicht um Warenkontrollen. Über einen Plan B zur Lösung der Krise, so die Bundeskanzlerin, wolle sie nicht sprechen. Bei den Abgeordneten bedankte sie sich für die Sorgen und Nöte, die diese an sie herangetragen hätten. Sie möchte, dass CSU und CDU zusammenhalten, sagte Merkel. „Alles andere führt ins Verderben.“

Deutliche Kritik an Merkels Kurs

26 Abgeordnete hatten sich in dem etwa zweistündigen Gespräch zu Wort gemeldet und der Kanzlerin ihre Sicht der Dinge geschildert – zum Teil mit drastischen Worten. „Sehr geehrte Bundeskanzlerin, ich schätze Sie sehr. Aber ich kann meinen Wählern im Stimmkreis ihre Politik nicht mehr erklären“, sagte ein Abgeordneter. Es sei richtig gewesen, die Grenzen aus humanitären Gründen zu öffnen, aber ein schwerer Fehler, sie bis heute offen gehalten zu haben.

Sehr geehrte Bundeskanzlerin, ich schätze Sie sehr. Aber ich kann meinen Wählern im Stimmkreis ihre Politik nicht mehr erklären!

CSU-Landtagsabgeordneter

Die CSU-Parlamentarier warnten die Bundeskanzlerin vor einem „Kontrollverlust des Rechtsstaates“ und vor dem Erstarken rechter Populisten. „Wir, die wir die Mitte der Gesellschaft vertreten, werden massive Probleme bekommen.“ Die Abgeordneten äußerten ihr Unverständnis darüber, dass der Bund Bayerns Angebot abgelehnt hatte, bei den Grenzkontrollen zu helfen. Angesichts der hohen Zahl von Zuwanderern sei das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erschüttert. „Sicherheit“, erinnerten die CSU-Politiker die Bundeskanzlerin, sei aber der „Markenkern der Union“.

Finanzminister Schäuble warnt vor Gefahr für den Euro

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte vor dem Besuch der Bundeskanzlerin auf der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion an die europäischen Staaten appelliert, die Anstrengungen zu intensivieren, um die Flüchtlingskrise gemeinsam zu bewältigen. Vor dem Hintergrund der Entscheidung Österreichs, eine Obergrenze für Flüchtlinge einzuführen, drängte Schäuble auf schnelle Lösungen. „Die Zeit ist endlich“, sagte er.

Wenn wir in Deutschland gezwungen werden, das zu tun, was Schweden schon gemacht hat, dann wird man sehen, dass das kein deutsches Problem sondern ein europäisches Problem ist.

Wolfgang Schäuble

Es nütze nichts, auf EU-Ebene Arbeitsgruppen einzusetzen und in sechs Monaten Vorschläge zu präsentieren. Selbst ein Land wie Schweden, das nicht für eine besonders restriktive Einwanderungspolitik bekannt gewesen sei, habe inzwischen Maßnahmen getroffen, die Zuwanderung zu begrenzen. „Wenn wir in Deutschland gezwungen werden, das zu tun, was Schweden schon gemacht hat, dann wird man sehen, dass das kein deutsches Problem sondern ein europäisches Problem ist“, warnte Schäuble. Ein derartiger Schritt würde Auswirkungen auf das Schengen-System haben, auf die europäische Integration und den gemeinsamen Markt, aber wohl auch auf das Euro-System. Sollten das Schengen-System und die gemeinsame Währung massiv beschädigt werden, denn würde man nicht in einen Status vor der Einführung dieser Regelungen zurückfallen, sondern eine sehr viel schwierigere Entwicklung riskieren.

Schäuble erklärte, das Flüchtlingsproblem ließe sich nur lösen, wenn man den Ländern in der europäischen Nachbarschaft dabei helfe, mit den Flüchtlingsbewegungen fertig zu werden. Deutschland habe dazu den finanziellen Spielraum, könne dies aber nicht alleine leisten. „Dass andere Länder nicht so leistungsfähig sind wie Deutschland, verstehen unsere Mitbürger, dass sie gar nichts tun, verstehen sie nicht. Ich würde es übrigens auch nicht verstehen.“