Erneute Kehrtwende: SPD-Parteichef Gabriel hat wieder einmal CSU-Forderungen in der Asylpolitik übernommen, nachdem er die CSU zuvor heftig kritisiert hatte. (Foto: imago/CommonLens)
Gabriels Schlingerkurs

Der biegsame Sigmar

Kommentar SPD-Chef Sigmar Gabriel versucht gern, die CSU gleichzeitig von links zu kritisieren und mit seinen Forderungen rechts zu überholen. Jüngst attackierte er angeblich rechtspopulistische Forderungen der CSU, nun will er selbst kriminelle Nordafrikaner rasch abschieben – und droht den Herkunftsländern sogar mit einem Stopp der Entwicklungshilfe. Damit offenbart er eins: Blanke Panik.

Schon häufig hat SPD-Chef Sigmar Gabriel sich zunächst wortreich von Forderungen der CSU in der Flüchtlingspolitik distanziert, sie als rechtspopulistisch, verantwortungslos, staatsgefährdend oder ähnliches beschimpft, um sie dann wenige Tage oder Wochen später als eigene Forderungen zu übernehmen. Damit kritisierte er obendrein die Bundesregierung, deren Vizekanzler er ja bekanntlich ist, dafür, dass all das nicht schon lang umgesetzt wurde. Dabei blockiert seine eigene SPD monatelang wichtige Beschlüsse zur Reduzierung der Flüchtlingszahl – wie etwa das Asylpaket II. Mit diesem Zickzackkurs setzt sich Gabriel allerdings selbst dem Vorwurf des Populismus aus und zeigt dabei vor allem eines: Die Panik der SPD angesichts bedrohlich abstürzender Umfragewerte.

Jüngstes Beispiel: Die rasche Ausweisung krimineller Asylbewerber und illegaler Einwanderer, im Besonderen nordafrikanischer Araber, gerade nach den massenhaften sexuellen Übergriffen von Köln in der Silvesternacht. Zur Dokumentation: Jetzt kann es dem SPD-Chef plötzlich gar nicht schnell genug gehen mit der Ausweisung krimineller Asylbewerber. Er drohte im ARD-Fernsehen sogar Marokko und Algerien mit dem Stopp der Entwicklungshilfe, wenn diese Länder sich weiterhin weigerten, bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber stärker zu kooperieren und eigene Staatsbürger zurückzunehmen. Deutschland sei gerne bereit, solchen Ländern wirtschaftlich zu helfen, so Gabriel: Dafür müssten die Regierungen dieser Staaten aber so fair sein, Landsleute wieder einreisen zu lassen, die in Deutschland kein Recht auf Asyl hätten.  „Es kann nicht sein, dass man die Entwicklungshilfe nimmt, aber die eigenen Bürger nicht“, sagte der SPD-Chef.

Wir müssen es schaffen in diesem Jahr, die Geschwindigkeit der Zuwanderung von Flüchtlingen zu reduzieren, weil wir sonst eine gute Integration nicht hinkriegen.

Sigmar Gabriel

Eine Drohung, die sich vor allem an Marokko und Algerien richtet. Und: „Wir müssen es schaffen in diesem Jahr, die Geschwindigkeit der Zuwanderung von Flüchtlingen zu reduzieren, weil wir sonst eine gute Integration nicht hinkriegen“, so Gabriel in der ARD. In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) setzte der SPD-Chef der Bundeskanzlerin sogar eine Frist, bis zu der die Flüchtlingszahlen deutlich sinken müssten. „Wenn die Maßnahmen im Frühjahr nicht Wirkung zeigen, bewegen wir uns auf Zahlen zu, die schwierig werden“, so Gabriel. Er riet, „diese Grenze, die das Land aufzunehmen in der Lage ist, nicht auszutesten“.

Erst die CSU laut kritisieren, dann still ihre Forderungen übernehmen

Ebenso deutlich trat Gabriel am 8. Januar auf, als er in der Bild-Zeitung forderte, verurteilte Täter müssten ihre Haftstrafen in ihren Heimatländern absitzen. „Warum sollen deutsche Steuerzahler ausländischen Kriminellen die Haftzeit bezahlen?“, so der SPD-Chef. Es wäre daher zu prüfen, wie der Grundsatz „Haft im Heimatland“ wieder verwirklicht werden könne. Die Androhung, in der Heimat hinter Gitter zu kommen, schrecke Täter zudem weit mehr ab als eine Haftzeit im deutschen Gefängnis. Es müssten jetzt alle Möglichkeiten des internationalen Rechts ausgelotet werden, um kriminelle Asylbewerber in ihre Heimat zurückzuschicken.

Es müsse schneller und effizienter abgeschoben werden. „Wenn Staaten etwa aus Afrika sich weigern, abgeurteilte und abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen, dann werden wir diese Staaten vor die Wahl stellen: Entweder ihr stellt euch der Verantwortung für eure Bürger, oder wir kürzen euch die Entwicklungshilfe. Wer straffällige Asylbewerber schützt, hat keinen Anspruch auf deutsches Steuergeld.“

Demokratische Parteien dürfen nicht die Themen der Rechtsradikalen übernehmen, sonst sind die die eigentlichen Gewinner.

Sigmar Gabriel, mal ganz anders

Noch ganz anders aber hatte Gabriel wenige Tage zuvor, am 5. Januar, geklungen. Da erklärte der SPD-Chef gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) mit Blick auf die Forderung der CSU-Landesgruppenklausur in Wildbad Kreuth nach einer Obergrenze für Flüchtlinge, nach Zurückweisung von Asylbewerbern ohne Papiere sowie rascher Abschiebung straffälliger Asylbewerber Folgendes: „Diese ständige Panikmache der CSU und ihr Überbietungswettbewerb bei unsinnigen und unwirksamen Vorschlägen zur Flüchtlingspolitik ist Wasser auf die Mühlen der AfD.“ Weiter warnte Gabriel: „Demokratische Parteien dürfen nicht die Themen der Rechtsradikalen übernehmen, sonst sind die die eigentlichen Gewinner.“ Diese Warnung fällt nun auf ihn zurück, da er die ach so „unsinnigen“ und „unwirksamen“ Ideen der CSU kopiert.

Kehrtwenden sind Gabriels beste Disziplin

Eine erstaunliche Kehrtwende binnen weniger Tage, die der „seriöse Siggi“ da – wieder einmal – hingelegt hat. Was die CSU fordert, ist für ihn heute noch rechtspopulistische „Panikmache“, ja gar „Überbietungswettbewerb bei unsinnigen und unwirksamen Vorschlägen“, aber morgen schon ist es selbstverständlicher Teil der eigenen Forderungen.

Ähnlich wie der CSU könnte es bald übrigens der rheinland-pfälzischen CDU-Landeschefin und Spitzenkandidatin Julia Klöckner gehen. Ihr warf Gabriel in der FAZ am 5. Januar vor, sie fahre eine „schlimme“ Strategie: „Angefangen vom angeblich nötigen Burka-Verbot bis hin zur Skandalisierung von Flüchtlingsthemen betreibt sie das Geschäft der AfD. Sie kalkuliert wohl, nur mit der AfD im Landtag sicher Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz werden zu können, weil dann Mehrheiten gegen die CDU nicht mehr möglich sind.“ Angesichts der Halbwertszeit seiner Kehrtwenden darf man erwarten, dass Klöckners Forderung nach einem Burka-Verbot kurz nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März ganz selbstverständlich von Gabriel übernommen werden wird.

Grund der SPD-Panik: Drohende Wahlniederlagen

All das zeigt eines: Die Nerven der SPD und ihres Vorsitzenden sind zum Zerreißen angespannt – kein Wunder angesichts der massiv einbrechenden Umfragewerte und der bevorstehenden wichtigen Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Im „Ländle“ ist die ehemalige Partei der klassischen Industriearbeiter auf unglaubliche 15 Prozent abgerutscht, in Rheinland-Pfalz ist die SPD mit 31 Prozent ebenfalls klar hinter die CDU (37) zurückgefallen, und in Sachsen-Anhalt käme die SPD nur noch auf 19 Prozent.

Die Bevölkerungsgruppe, die vom Massenzuzug ungelernter Sozialfälle aus dem Orient am stärksten betroffen ist, ist eben genau jene klassische SPD-Klientel.

Gabriel hat Folgendes verstanden: Die bisherigen schwärmerischen linken Positionen der SPD in der Flüchtlings- und Einwanderungsfrage sind angesichts der weitverbreiteten Bedenken in der Bevölkerung nicht mehr zu halten. Im aktuellen ZDF-Politbarometer (Januar 2016) ist erstmals eine klare Mehrheit von 60 Prozent der Ansicht, dass Deutschland die hohe Zahl an Flüchtlingen nicht verkraften kann. Im Dezember waren es nur 46 Prozent gewesen.

Dabei ist zu beachten: Die Bevölkerungsgruppe, die vom Massenzuzug ungelernter Sozialfälle aus dem Orient am stärksten betroffen ist, ist eben genau jene klassische SPD-Klientel – die einheimische Unterschicht. Ihnen droht, dass sie mit den Millionen Zuwanderern konkurrieren müssen: Bei der Arbeitsagentur, in Schulen und Kindergärten, im Kampf um einigermaßen vernünftige Jobs für Geringqualifizierte sowie um billige Wohnungen und so weiter. Diese Erkenntnis dürfte mittlerweile bei den Betroffenen angekommen sein. Dieser Effekt wurde jüngst auch auf einem Kongress der CSU-Grundsatzkommission in Nürnberg beleuchtet (der Bayernkurier berichtete).

Alles nur Lippenbekenntnisse: SPD blockiert weiter das Asylpaket II

Wenn es Gabriel und seiner SPD aber wirklich ernst wäre mit dem Willen, den Asylbewerber-Zuzug zu begrenzen und Kriminelle rasch abzuschieben, dann müssten sie zuerst einmal sofort dem Asylpaket II zustimmen und die Bevölkerung um Verzeihung bitten für die bereits fast drei Monate (!) währende Blockade dieses wichtigen Gesetzespakets. Wichtigste Punkte sind neben der Begrenzung des Familiennachzugs auch sogenannte „Aufnahmezentren“ für Flüchtlinge aus Ländern, die als sicher gelten – zum Beispiel vom Balkan und künftig wohl auch für Nordafrikaner. Ihre Asylverfahren sollen in den neuen Einrichtungen innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen werden, inklusive Berufung vor Gericht. Über diese Schnellverfahren in „Aufnahmezentren“ sind sich Union und SPD mittlerweile einig, nachdem die SPD wochenlang gegen die „Transitzentren“ polemisiert hatte – das wäre praktisch dasselbe gewesen, allerdings mehr in Grenznähe. Außerdem geht es um eine Pflicht zur Vorlage eines Führungszeugnisses für Helfer und um die Höhe des finanziellen Eigenbeitrags anerkannter Asylbewerber für Sprachkurse.

Unglaubwürdigkeit, dein Name ist SPD.

Doch trotz aller Trompetenstöße Gabriels: Auch diese Woche konnte das Bundeskabinett – entgegen früherer Meldungen! – wieder nicht über das Asylpaket II abstimmen. Die SPD stellt sich trotz aller Versprechungen stur, und zwar in der Frage des Familiennachzugs für „subsidiär Schutzbedürftige“. Dabei handelt es sich um Flüchtlinge, die zwar kein Asyl erhalten und auch nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen, denen in ihrem Herkunftsland aber Schaden droht. Für diese Gruppe soll der Familiennachzug eingeschränkt werden. Der Streit dreht sich darum, ob auch die Syrer in diese Kategorie fallen sollen. Ausnahmen sollten laut einer Kompromisslinie möglich sein, indem das Bundeskabinett eben entsprechende Herkunftsländer wie Syrien bestimmt. Zuletzt wurde erwogen, dass Syrer in Deutschland ihre Familie zwar aus dem Heimatland, nicht aber aus einem sicheren Land wie der Türkei nachholen dürfen. Doch statt sich endlich zu bewegen und eine Einigung möglich zu machen, fordert die SPD in falsch verstandener Humanität den grenzenlosen Familiennachzug auch für subsidiär Schutzbedürftige ein und polemisiert weiter gegen die CSU. Unglaubwürdigkeit, dein Name ist SPD.

Für die weiter andauernde Verzögerung des Asylpakets II ist die SPD verantwortlich. In den drei Monaten ihres Polit-Theaters sind rund 300.000 illegale Migranten nach Deutschland gekommen. Dafür tragen Gabriel und die SPD-Führung eine Mitverantwortung.