Neuer Schub für die Unabhängigkeit?
Wenige Stunden vor Ablauf der Frist einigen sich die separatistischen Parteien in Katalonien doch noch auf die Bildung einer Regierung. Neuer Ministerpräsident ist jetzt Carles Puigdemont. Dieser lässt keinen Zweifel am Ziel der wirtschaftsstärksten Region Spaniens: Die Unabhängigkeit. Sie will Puidgemont jetzt vorantreiben - trotz eines Neins des spanischen Verfassungsgerichts.
Katalonien

Neuer Schub für die Unabhängigkeit?

Wenige Stunden vor Ablauf der Frist einigen sich die separatistischen Parteien in Katalonien doch noch auf die Bildung einer Regierung. Neuer Ministerpräsident ist jetzt Carles Puigdemont. Dieser lässt keinen Zweifel am Ziel der wirtschaftsstärksten Region Spaniens: Die Unabhängigkeit. Sie will Puidgemont jetzt vorantreiben - trotz eines Neins des spanischen Verfassungsgerichts.

Unmittelbar vor dem Ablauf einer Frist haben sich die nach Unabhängigkeit strebenden Parteien in der spanischen Region Katalonien auf die Bildung einer Regierung geeinigt. Neuer katalanischer Ministerpräsident werde der bisherige Bürgermeister von Gerona, Carles Puigdemont. Das teilte der scheidende Regierungschef Artur Mas am Abend mit. Wäre bis Sonntag keine Koalitionsbildung gelungen, hätte die wirtschaftsstärkste Region Spaniens Neuwahlen durchführen müssen.

Den Weg für eine Einigung hatte der bisherige katalanische Ministerpräsident Artur Mas frei gemacht, indem er nach zähem Ringen seinen Rücktritt erklärt hatte. Neuer katalanischer Ministerpräsident werde der bisherige Bürgermeister der katalonischen Stadt Gerona, Carles Puigdemont. Die linke Partei CUP hatte Mas‘ Rücktritt zur Grundbedingung für den Eintritt in eine Regierung mit der liberalen Allianz „Junts pel Sí“ (dt.: Gemeinsam fürs Ja) gemacht.

Mas macht den Weg frei

Nach wochenlangen zähen Verhandlungen gab Mas nun nach. Er mache „einen Schritt zur Seite, um das Land (Katalonien) vorwärts zu bringen“, sagte der 59-Jährige auf einer Pressekonferenz im katalanischen Regierungspalast. Sein Nachfolger Puigdemont ist ein gelernter Journalist, der unter anderem 1998 die Katalanische Nachrichten-Agentur mitgegründet und auch die englischsprachige Regionalzeitung Catalonia Today geleitet hat. Der 51-Jährige gehört wie Mas der liberalen Demokratischen Konvergenz (CDC), der größten Partei der Unabhängigkeitsallianz an.

Gibt es ein Mandat für die Unabhängigkeit?

Der Fahrplan der neuen Regierung sieht vor, eine Trennung Kataloniens von Spanien innerhalb der nächsten 18 Monate zu verwirklichen. Bei der Regionalwahl am 27. September hatte die Allianz zwar die meisten Sitze im Regionalparlament gewonnen, die absolute Mehrheit aber verpasst. Zum Weiterregieren war die Allianz daher auf die Unterstützung der Linksradikalen angewiesen. Im Land selbst herrscht seit Monaten eine rege Debatte darüber, ob eine neue Regierung überhaupt über ein gültiges Mandat zur Herbeiführung der Unabhängigkeit verfügt. In einer Volksbefragung hatten sich 2014 knapp 80 Prozent der Katalanen für eine Abspaltung von Spanien ausgesprochen.

Madrid hält Abspaltungsbeschluss für verfassungswidrig

Die Separatisten der Region im Nordosten Spaniens hatten nach den Wahlen im Regionalparlament bereits eine Resolution zur Einleitung des Unabhängigkeitsprozesses verabschiedet. Gegenwind kommt dabei – wenig überraschend – aus der spanischen Hauptstadt: Das Madrider Verfassungsgericht erklärte den Beschluss auf Klage der Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy für illegal und verfassungswidrig. Die Separatisten aber scheint das nicht zu stören. Schon kurz nach der Wahl betonten sie, der Prozess zum Aufbau eigener staatlicher Institutionen solle ungeachtet des Neins des Verfassungsgerichts fortgesetzt werden.

Neben dem Votum der Schotten im vergangenen Jahr, das mit einem Verbleib im Vereinigten Königreich geendet hatte, gilt das Unabhängigkeitsstreben Kataloniens als aktuell spannendste und aussichtsreiche territorialstaatliche Entwicklung Europas. Unklar ist bei einer möglichen Abspaltung der Region unter anderem deren Status innerhalb der Europäischen Union sowie der Währungsstatus des Euro.