Wie Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer am Montag bekräftigte, stehe er und seine Partei voll hinter der von der Union geplanten Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis 2029:
Wir sind für den schrittweisen Abbau des Solidarzuschlags.
Horst Seehofer
Damit wirkte er auch Fehlinterpretationen einiger Medien entgegen, wonach die CSU den Solidaritätszuschlag beibehalten und nicht wie geplant stufenweise abschaffen wolle. Seehofer hatte am Wochenende gegenüber der dpa lediglich erklärt, dass bei einem Andauern der massiven Zuwanderung nach Deutschland dieses Ziel auf den Prüfstand gestellt werden könnte. Denn, so Seehofer gegenüber der dpa:
Wir haben seit der Grenzöffnung im September eine neue Situation. Wenn die Zuwanderung im bisherigen Ausmaß anhält, liegt es auf der Hand, dass eine Reduzierung der Einnahmen kaum möglich sein wird.
Horst Seehofer
„Eher eine Frage der Bund-Länder-Finanzbeziehungen“
Die Frage des Solidaritätszuschlags stellt sich im Zusammenhang mit den Bund-Länder-Finanzbeziehungen, betrifft also erst die Zeit ab 2020 und kann nicht jetzt in Zusammenhang mit der Belastung durch die Flüchtlinge beurteilt werden.
Gerda Hasselfeldt
Das ergänzte ebenfalls am Montag auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gegenüber der dpa und erläuterte:
Der Solidaritätszuschlag soll ab 2020 in kleinen Schritten abgesenkt werden – es spricht vieles dafür, dass wir das auch so im Laufe des nächsten Jahres entscheiden werden.
Gerda Hasselfeldt
Die Belastung durch die Flüchtlinge ist dagegen nach Meinung Hasselfeldts aktuell zu lösen. Und hier liege auf der Hand: „Um eine solide Haushaltspolitik auch künftig zu gewährleisten, ist eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen zwingend notwendig.“
„Neue Situation erfordert neues Denken“
Im Frühjahr hatten sich CDU und CSU auf Drängen Seehofers darauf verständigt, den Soli von 2019 bis 2029 schrittweise abzuschaffen. Seehofer bezeichnete dies damals als eine der „größten Steuersenkungen aller Zeiten“. Da inzwischen damit gerechnet werde, dass sich die Kosten für Flüchtlinge und Integration in den nächsten Jahren vervielfachen werden, sei jedoch fraglich, ob eine Abschaffung des Solis eingehalten werden könne, so Seehofer.
Das sei generell keine Absage an die Forderung, den Solidarzuschlag abzuschaffen. „Aber wir müssen einfach einen Kassensturz machen mit dem Ziel, herauszufinden, was können wir uns noch leisten? Wenn wir die Zuwanderung nicht begrenzen, werden wir keinen Spielraum haben“, begründete Seehofer seine Gedankenspiele zum Soli. Und, so Seehofer weiter: Auch dieses Beispiel zeige, wie dringend eine deutliche Begrenzung der Zuwanderung sei.
Schulterschluss mit CDU zum Jahresende
Seehofer hofft weiterhin darauf, dass sich Merkel mit ihrer Forderung nach einer gerechteren Verteilung von Flüchtlingen in Europa durchsetzen wird. Auf die angedrohte Verfassungsklage zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen in Deutschland will Bayern daher vorerst verzichten: „Wir haben jetzt eine Verständigung mit der CDU. Deshalb steht für den Moment die Umsetzung im Vordergrund und nicht das gegenseitige Beklagen“, betonte der Parteichef und äußerte dabei die Hoffnung:
Wir werden jetzt sehen, was die Bemühungen der Kanzlerin auf internationaler und europäischer Ebene bringen. Da kann man jetzt nicht ein festes Datum setzen. Wenn der Prozess positiv verläuft, wird man bei der Zeitfrage flexibler sein können.
Horst Seehofer
Seehofer wertete es allgemein als großen Erfolg, dass CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik „jetzt zum Ende dieses Jahres so eng zusammen gekommen“ seien. Die CDU hatte sich auf ihrem Parteitag für eine deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen ausgesprochen; die von der CSU geforderte Festlegung einer Obergrenze lehnt Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel allerdings nach wie vor ab.
Rentenversicherung freut sich über Zuwanderung
Die deutsche Rentenversicherung (DRV) verweist dieser Tage dagegen auf die Vorteile von Zuwanderung: Nach Angaben von DRV-Präsident Axel Reimann ist die Zahl der Beitragszahler ohne deutschen Pass allein von Ende 2013 bis Ende 2014 um rund 300.000 auf 3,1 Millionen gestiegen: „Damit hat gut jeder Zehnte der insgesamt 29,4 Millionen rentenversicherungspflichtig Beschäftigten eine ausländische Staatsangehörigkeit“, so Reimann in der „Rheinischen Post“.
Der DRV-Präsident rechnet sogar damit, dass der demografische Wandel durch die hohe Zahl der Flüchtlinge in Zukunft abgemildert werde: „Über Zuwanderung werden wir die sich aus der demografischen Entwicklung ergebenden Lücken sicher nicht komplett ausgleichen können, eine Entlastung kann es aber schon geben.“
Wenig Solidarität innerhalb Europas
Für Seehofer zeigt die Flüchtlingszuwanderung vor allem ein Ungleichgewicht der Verteilung innerhalb Europas. Scharfe Kritik übte er daher an den EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen oder eine Quote ablehnen. Die Flüchtlingskrise könnte diesbezüglich seiner Einschätzung nach sogar zu einem Scheitern der EU führen:
Wir haben in Europa ein Ausmaß an Egoismus erlebt, wie wir es bisher nicht kannten. Wenn es so bliebe – was ich mir wirklich nicht vorstellen mag – , geht das an die Grundfesten Europas. Man kann die Gefahr nicht von der Hand weisen, dass die EU daran zerbrechen könnte.
Horst Seehofer
Seehofer stellte dabei auch klar, welche Größenordnungen er bei der Zuwanderung und der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland für verkraftbar hält:
Wir hatten Zeiten mit 100.000, 200.000, 300.000 Asylsuchenden und Bürgerkriegsflüchtlingen pro Jahr. Das war immer eine Größenordnung, die von der Bevölkerung akzeptiert war.
Horst Seehofer
Bayern ist finanziell am meisten belastet
Der Freistaat Bayern nimmt bekanntlich wegen seiner geografischen Lage am Ende der Balkanroute die meisten Flüchtlinge auf. Allein in Bayern werden sich daher nach Angaben des Bayerischen Finanzministeriums die Ausgaben für Flüchtlinge und Integration im Haushaltsjahr 2015/16 im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsplan mutmaßlich mehr als vervierfachen: von knapp einer auf 4,5 Milliarden Euro. Bayerns Finanzminister Markus Söder erklärte hierzu anlässlich der Haushaltsabstimmung im Bayerischen Landtag vor knapp zwei Wochen:
Wir investieren Unmengen. Der diesjährige Nachtrag fällt aus dem Rahmen; das ist keine bloße Anpassung des Etats an die üblichen Preissteigerungen. Das ist ein eigener Haushalt für eine der ganz großen Herausforderungen unseres Landes.
Markus Söder
Somit sieht sich Söder künftig gezwungen, auf die Rücklagen des Freistaats zurückzugreifen. Mit den laufenden Einnahmen sei der enorme Kostenanstieg nicht mehr zu decken.
Fakten
Der Solidaritätszuschlag, genannt „Soli“, der kurz nach der deutschen Einheit eingeführt worden war, um den Aufbau Ost mitfinanzieren, bringt bundesweit zurzeit immerhin über 13 Milliarden Euro im Jahr ein.
(dpa/dia)