Der personifizierte erhobene Zeigefinger: Claudia Roth, hier auf der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen in Halle. Die Bundestagsvizepräsidentin steht massiv in der Kritik. Bild: Imago/Felix Abraham
Mit Linksautonomen

Claudia Roth auf Abwegen

Harte Kritik an Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hat der CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann geäußert. Sie ist Ende November bei einer Anti-AfD-Demonstration mitmarschiert, bei der "Deutschland, Du mieses Stück Scheiße" und "Deutschland verrecke" skandiert wurde. Obwohl sie das auch gehört haben muss, hat sie sich bisher nicht davon distanziert – im Gegensatz zu anderen Beteiligten.

Ich halte das für einen unhaltbaren Zustand, wenn die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags hinter Parolen wie ‚Deutschland, Du mieses Stück Scheiße‘ herläuft. Sie trägt damit zur Radikalisierung der Gesellschaft bei und macht sich mitschuldig, wenn sich das Klima in Deutschland hochschaukelt.

Florian Herrmann

Mit diesen Worten kritisierte der innenpolitische Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag die grüne Politikerin Claudia Roth, die sonst keine Kamera auslässt, um sich von Rechtsradikalen zu distanzieren und darüber hinaus regelmäßig über irgendwelche Dinge „schockiert“ oder „betroffen“ ist. Roth war am Sonntag gemeinsam mit Niedersachsens grünem Landwirtschaftsminister Christian Meyer und Bürgermeister Thomas Herrman (SPD) hinter vermummten Linksradikalen und dem schwarzen Block bei einer vom DGB und dem Bündnis „Bunt statt Braun“ organisierten Anti-AfD-Demo durch Hannover gezogen. Ob Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) mitlief oder nicht, darüber gibt es unterschiedliche Zeitungsberichte, jedenfalls hielt er eine Rede am Kundgebungsort mit dem Satz: „Populisten und Rassisten sind politische Gefährder, denen wir entschlossen entgegentreten wollen.“ In der Theorie war das richtig. Nur in der Praxis müsste man seinem eigenen Ideal auch folgen.

Mir würde es im Traum nicht einfallen, Linksextremisten hinterherzulaufen, selbst wenn sie für eine vermeintlich gute Sache auf die Straße gehen.

Rainer Wendt, DPolG

Der Demonstrationszweck ist ja durchaus legitim. Aber man stelle sich vor, ein CSU-Politiker in führender parlamentarischer Funktion würde bei einer Pro-AfD-Demo mitlaufen, und dann womöglich noch hinter einem Block von braunen Glatzköpfen! Der berechtigte mediale Proteststurm wäre kaum auszuhalten, der Rücktritt nur eine Frage von Stunden. Bei Linken ist es in dieser Republik aber immer schon anders. Linke und Linksradikale sind per se gut, Rechte und Rechtsradikale böse, dieses Halbwissen ist einfach nicht aus den Köpfen zu bekommen. Alle Radikalen sind Feinde der Demokratie, so sollte die herrschende Ansicht sein, denn sie alle wollen unseren Staat beerdigen. „Mir würde es im Traum nicht einfallen, Linksextremisten hinterherzulaufen, selbst wenn sie für eine vermeintlich gute Sache auf die Straße gehen“, sagte jedenfalls der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.

„Deutschland verrecke“

In dem Demonstrationszug waren nach Medienberichten darüber hinaus Rufe wie „Deutschland verrecke“ und „Nie wieder Deutschland“ zu hören. Nach einem Bericht der „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ konnten Roth und alle anderen die Parolen hören „und liefen doch weiter mit“. Wenn dies zuträfe, müsste sich eine Bundestagsvizepräsidentin doch wenigstens hinterher davon distanzieren. Doch bisher Fehlanzeige. Auf Facebook empört sie sich zuletzt nur über unhaltbare Zustände am Lageso, dem Gelände des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales für Flüchtlinge.

Vaterland war als Kind schon scheisse!

Laut Aufschrift ein Plakat der Linkspartei

Da nach Angaben des NDR nur rund 1000 Menschen bei der Anti-AfD-Demo waren (nach Polizeiangaben 800 bis 1500), ist eigentlich auch davon auszugehen, dass Roth die Rufe gehört hat. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung meldet obendrein: „Aus Lautsprecherwagen wurden die bürgerlichen Parteien, die Stadtverwaltung und die Bundesrepublik beschimpft.“ Dies nicht zu hören, war also unmöglich. Bei der Demo sind laut der Zeitung sogar „bevorzugt schwarz gekleidete Linksautonome“ anwesend gewesen. Spätestens dies hätte doch abschrecken müssen! Nicht so Roth und ihre Mitstreiter. Zudem wurden, dies war im NDR-TV-Bericht sichtbar, die üblichen Plakate mit hochintellektuellen Klassenkampf-Parolen wie „Antifaschistisch leben und kämpfen – immer und überall“ oder „Das Problem heißt Deutschland – Antirassismus bleibt antinational“ gezeigt. Laut der Aufschrift marschierten auch Vertreter der Linkspartei mit, unter dem Banner „Vaterland war als Kind schon scheisse!“, darauf auch noch ein im Comic-Stil gezeichneter Hitler.

Immerhin blieb der Zug, vermutlich wegen des massiven Polizeiaufgebots, trotz kleiner Rangeleien weitgehend friedlich. Die Linksautonomen versuchten allerdings vergeblich, zum Tagungsort der AfD durchzubrechen. Aber das war immer noch nicht das Ende der Fahnenstange: SPD und Grüne wurden nach dem Zeitungsbericht verbal beleidigt, weil sie im Bundestag schärfere Asylregeln nicht verhinderten. Und dennoch: Roth lief weiter tapfer mit.

„Der schwarze Block hat uns vorgeführt“

Einige der Teilnehmer sind offenbar etwas feinfühliger als die sonst so feinfühlende Claudia Roth. Eine Sozialdemokratin meinte laut der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: „Der schwarze Block hat uns richtig vorgeführt.“ Auch beim DGB besteht „Gesprächsbedarf“. SPD-Bürgermeister Herrman will nun angeblich besprechen, wie es zu dieser peinlichen Situation kommen konnte: „Das ist suboptimal gelaufen und ärgerlich für das Ansehen des Bündnisses.“ Da hätte man sicherlich auch früher draufkommen können.

Wieso kooperieren Linksautonome mit Grünen und SPD?

Doch auch Parteiorganisationen begaben sich möglicherweise freiwillig in fragwürdige Gesellschaft. Ein laut DGB-Äußerungen linkes Bündnis, bestehend aus der linksautonomen Gruppierung „Hannover gegen Nazis“ und den Jugendorganisationen von SPD, Grünen, IG Metall und Verdi, wollte bei der Demo mit dem ausrichtenden DGB (und den anderen Beteiligten) „kooperieren“, so die Gewerkschaft. Deshalb habe man sich gemeinsam verständigt, dass die Vertreter dieser Gruppen den Demonstrationszug anführen. Leichtgläubig genug. Wieso aber schließen sich Jusos, Grüne Jugend und junge Gewerkschaftler mit Linksautonomen zusammen? Ein Bündnis, das auf seiner Facebook-Seite schon mal den Grabstein der RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe oder eine umgedrehte deutsche Fahne mit dem Satz „Ich bin nicht wir! Ich kann nicht stolz sein!“ postet. Und wieder die Frage: Man stelle sich vor, die JU hätte …. Doch genug der Spekulation.

Das Linksbündnis „Hannover gegen Nazis“ jedenfalls fand auf Facebook die Kritik an dem Verhalten verwunderlich: „Weshalb gibt es jetzt so viele Lokal-Politiker und andere Personen aus Parteien, Kirchen und Gewerkschaften, die nun darüber ‚geschockt’ und ‚massiv enttäuscht’ sind, was da aus dem Lautsprecherwagen kam? War das wirklich so neu für euch?“

Wenn die Grünen die Gefahren des Extremismus insgesamt unterschätzten ist es naiv, wenn sie aus ideologischen Gründen wegsehen, ist es gefährlich.

Florian Herrmann

Der CSU-Politiker Florian Herrmann kann es weiter kaum glauben: „Was vom DGB mit Unterstützung der dortigen SPD und der Grünen als Zusammenstehen der Demokraten gegen die AfD angekündigt worden ist, ist in Wirklichkeit eine widerliche Veranstaltung gegen das eigene Land und das eigene Volk geworden.“ Wer etwas aus der Weimarer Republik gelernt habe, der müsse dafür sorgen, dass die Demokraten die Extremisten von links wie rechts gleichermaßen ablehnen. „Es gibt aber immer noch eine Verharmlosung des linken Extremismus. Es geht mir aber nicht um Aufrechnung. Es geht darum, dass das Anwachsen der Extremen auf der einen Seite zu einem Anwachsen auf der anderen Seite führt. Wir müssen gegen alle radikalen Kräfte vorgehen“, warnte der CSU-Innenpolitiker. Leider zeige sich darin ein Muster, das schon im Bayerischen Landtag zu beobachten gewesen sei. Dort hätten die Grünen es bei einer Debatte vor wenigen Wochen abgelehnt, einen Antrag gegen Rechtsextremismus auf jede Form von Extremismus auszuweiten. Hermann: „Wenn die Grünen die Gefahren des Extremismus insgesamt unterschätzten ist es naiv, wenn sie aus ideologischen Gründen wegsehen, ist es gefährlich.“