Endlich ausgleichende Gerechtigkeit? Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich bereits auf neue Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern geeinigt. Nun steht noch die Einigung mit dem Bund bevor. (Foto: imago / Wolf P. Prange)
Bund-Länder-Finanzen

„Großer, historischer Schritt“

Der Durchbruch: Die Ministerpräsidenten haben sich auf eine neues System der Bund-Länder-Finanzen ab 2019 geeinigt. Der alte Länderfinanzausgleich wird abgeschafft, das System wird auf ein Umsatzsteuermodell umgestellt. Der Bund muss der Einigung noch zustimmen, er soll 9,7 Milliarden Euro jährlich zuschießen. Bayern wird laut Ministerpräsident Seehofer um 1,3 Milliarden Euro jährlich entlastet.

Die 16 Ministerpräsidenten der deutschen Länder haben sich auf eine gemeinsame Linie für die Verhandlungen mit dem Bund in Sachen Bund-Länder-Finanzen verständigt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sagte zu dem Ergebnis: „Ich bin sehr froh über die Einigung der Länder nach langen Diskussionen. Das ist ein großer, ein historischer Schritt in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Bayern wird mit rund 1,3 Milliarden Euro davon profitieren. Ich habe persönlich sehr stark daran mitgewirkt, dass den besonderen Anliegen der östlichen Bundesländer und finanzschwacher Länder wie Saarland und Bremen Rechnung getragen wird.“

Die Neuordnung helfe allen Beteiligten: „Jetzt stehen die Gespräche der Länder mit dem Bund an. Da ist der Bund gefragt, einzuspringen und die Lücke zu schließen.“

Seehofer lobt Einigung und betont Einsatz für finanzschwache Länder

Seehofer sagte dem BAYERNKURIER, er sei „sehr froh über die Einigung der Länder nach langen Diskussionen“. Dies sei „ein großer, historischer Schritt in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen“, betonte Bayerns Regierungschef. „Bayern wird mit rund 1,3 Milliarden Euro davon profitieren. Ich habe persönlich sehr stark daran mitgewirkt, dass den besonderen Anliegen der östlichen Bundesländer und finanzschwacher Länder wie Saarland und Bremen Rechnung getragen wird.“ Die Neuordnung helfe allen Beteiligten, sagte Seehofer. „Jetzt stehen die Gespräche der Länder mit dem Bund an. Da ist der Bund gefragt, einzuspringen und die Lücke zu füllen.“

„Das ist schon fast historisch, was wir heute hinbekommen haben“, sagte auch Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) nach den Verhandlungen. Dass sich angesichts der sehr unterschiedlichen Interessenlagen alle Länder auf einen Vorschlag geeinigt hätten, sei gar nicht hoch genug einzuschätzen. Nun sei der Bund am Zug. Die Geberländer, allen voran Bayern, aber auch Baden-Württemberg und Hessen, werden laut dem hessischen Ministerpräsidenten durch den Kompromiss zusammen um etwa 2,5 Milliarden Euro jährlich entlastet. Die ostdeutschen Länder einschließlich Berlin erhielten etwa drei Milliarden Euro.

Das Umsatzsteuermodell ist zukunftstauglicher.

Volker Bouffier, hessischer Ministerpräsident

Die Länder fordern im Zuge der angestrebten Neuordnung der Finanzbeziehungen ab dem Jahr 2020 jährlich knapp 9,7 Milliarden Euro vom Bund, sagte Bouffier. Das System werde völlig umgestellt – weg vom bisherigen Länderfinanzausgleich hin zu einem reinen Umsatzsteuermodell: „Das ist aus unserer Sicht auch zukunftsfähiger.“ Die Interessen der ostdeutschen Länder sowie der zahlreichen Nehmerländer seien berücksichtigt worden durch „großes Entgegenkommen“ der Geberländer – das sind vor allem Bayern, das mehr als 50 Prozent der Gesamtsumme des Länderfinanzausgleichs zahlt, sowie Hessen und Baden-Württemberg. „Wir sind nochmals von unserer Grundposition ein Stück abgerückt“, sagte Bouffier. „Am Ende ist es ein Kompromiss für alle, von dem ich glaube, dass es ein guter ist.“

Ich glaube, mit 16 zu 0 haben wir ein gutes Argument in der Tasche.

Stanislaw Tillich, Ministerpräsident Sachsen

Sachsens-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) warnte, Teile und Komponenten aus dem Kompromiss herauszulösen. Dann stehe man wieder am Anfang der Debatte. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erwartet eine Einigung mit Schäuble: „Ich glaube, mit 16 zu 0 haben wir ein gutes Argument in der Tasche.“

Die Einigung im Einzelnen:

  • LÄNDERFINANZAUSGLEICH: Er wird in seiner jetzigen Form abgeschafft. Damit entfällt auch der „Umsatzsteuervorwegausgleich“ – die erste Stufe des komplizierten Umverteilungssystems zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern untereinander. Der Länderanteil an der Umsatzsteuer soll grundsätzlich nach der Einwohnerzahl verteilt werden, jedoch modifiziert durch Zu- und Abschläge entsprechend der Finanzkraft. Im Ergebnis erfolgt ein Ausgleich der Finanzkraft zukünftig im Wesentlichen bereits im Rahmen der Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer.
  • UMSATZSTEUER: Die Länder erhalten zusätzliche Umsatzsteueranteile in Höhe von 4,02 Milliarden Euro. Bei Einführung des „Soli“ hatte der Bund Umsatzsteueranteile (7 Prozentpunkte) an die Länder abgetreten – aktuell ein Aufkommen von rund 12,5 Milliarden Euro.
  • KOMMUNALE FINANZKRAFT: Der Anteil der in den Finanzausgleich einzubeziehenden kommunalen Steuereinnahmen soll auf 75 Prozent steigen. Die Einwohnerwertungen für die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen bleiben unverändert, ebenfalls die von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die „Einwohnerveredlung“ gleicht Mehrbelastungen aus, die einem Stadtstaat gegenüber Flächenländern entstehen. Ein Bürger in einem Stadtstaat zählt durch die „Veredlung“ etwa ein Drittel mehr als einer in den Flächenländern.
  • ZUWEISUNGEN DES BUNDES zum Ausgleich der Finanzkraftunterschiede auf Gemeindeebene sollen in verfassungsrechtlich abgesicherter Form in Höhe von etwa 1,54 Milliarden Euro gewährt werden.
  • ZUSCHÜSSE FÜR KOMMUNALE INVESTITIONEN: Das Bundesprogramm aus dem „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“ soll dauerhaft fortgeführt werden. Der Bund stellt bisher bis 2019 jährlich gut 2,6 Milliarden Euro für kommunalen Wohnungsbau, Nahverkehr sowie Hochschulen bereit – die „Entflechtungsmittel“. Diese Mittel und Zuschüsse für den Straßen- und Schienenverkehr sollen über 2020 hinaus in unveränderter Höhe weiter gezahlt werden.
  • SONDERBEDARFS-BUNDESERGÄNZUNGSZUWEISUNGEN für die neuen Länder enden 2019. Die Instrumente, die helfen, regionale Ungleichgewichte unter den Ländern auszutarieren, werden fortgeführt.
  • FINANZIELLE AUSWIRKUNG: Bei Umsetzung aller Elemente im Rahmen einer Gesamteinigung stehe kein Land finanziell schlechter da als ohne die Neuordnung, heißt es. Die ostdeutschen Flächenländer erhielten weiter Zuweisungen in Höhe von mehr als 2 Milliarden Euro. Die Länder Saarland und Bremen würden durch ergänzende finanzielle Hilfen in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro unterstützt. Nordrhein-Westfalen werde zum Zahlerland. Die bisherigen Zahlerländer würden um etwa 2 Milliarden Euro entlastet. Die westdeutschen Flächenländer erhielten erhebliche Leistungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten in Berlin zurückhaltend: „Das hat der Bund zur Kenntnis genommen.“ Es habe noch keine Möglichkeit gegeben, sich mit den Vorstellungen der Länder zu befassen. In absehbarer Zeit werde es Gespräche zwischen Finanzminister Schäuble und den Ländern geben. Ob Schäuble das Konzept mitträgt, ist offen. Mit dem Länder-Kompromiss ist aber eine große Hürde genommen, da es bis zuletzt Differenzen zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern gab und die ostdeutschen Länder lange Widerstand leisteten.

dpa/Reuter/wog