Unser Land darf sich nicht verändern – Wir müssen wir bleiben!
Im neuen BAYERNKURIER-Magazin schreibt Charlotte Knobloch über die Herausforderungen der Integration in der Asyldebatte. 70 Jahre nach Kriegsende und 25 Jahre nach der Wiedervereinigung stehen wir an einer neuralgischen Schwelle, stellt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern fest. Dabei ist für sie klar: "Wir müssen wir bleiben!"
Charlotte Knobloch

Unser Land darf sich nicht verändern – Wir müssen wir bleiben!

Gastbeitrag Im neuen BAYERNKURIER-Magazin schreibt Charlotte Knobloch über die Herausforderungen der Integration in der Asyldebatte. 70 Jahre nach Kriegsende und 25 Jahre nach der Wiedervereinigung stehen wir an einer neuralgischen Schwelle, stellt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern fest. Dabei ist für sie klar: "Wir müssen wir bleiben!"

Die vielen Hunderttausend Flüchtlinge stellen unser Land vor historische Herausforderungen. 70 Jahre nach Kriegsende und 25 Jahre nach der Wiedervereinigung stehen wir an einer neuralgischen Schwelle. Zeitgeschichte wird zu Geschichte. Doch die Lehren der Vergangenheit dürfen nicht verblassen – vor allem nicht jene, dass Demokratie Demokraten braucht, und zwar in Politik und Gesellschaft. Jeder Einzelne ist gefordert, beherzt und wehrhaft unsere freiheitlich-demokratischen Grundwerte zu vertreten, einzufordern und zu beschützen.

Der Erhalt unserer Kultur und unserer Werte muss auf die Agenda der Volksparteien. Unser Land darf sich nicht verändern.

Charlotte Knobloch

Die Integration der Flüchtlinge in unser Gemeinwesen ist die entscheidende Aufgabe der nächsten Jahre. Wir können das schaffen, aber nur wenn wir die Frage „Wer sind wir?“ endlich selbstbewusst und souverän beantworten. Ich appelliere an die demokratischen Parteien, das Thema Patriotismus nicht den Rechtsextremen und -populisten zu überlassen, die in erschreckender und bedrohlicher Weise auf dem Vormarsch sind. Der Erhalt unserer Kultur und unserer Werte muss auf die Agenda der Volksparteien. Unser Land darf sich nicht verändern. Die jüdische Gemeinschaft hat Deutschland die Treue gehalten, in der Hoffnung, dass es sich so entwickeln würde, wie es sich über die letzten Jahrzehnte dargestellt hat. Es ist gelungen, die Bundesrepublik in positivster Weise in der internationalen Staatengemeinschaft zu positionieren. Wir werden global geachtet und geschätzt. Das war nie so und ist angesichts der deutschen Geschichte alles andere als selbstverständlich.

„Integration ist Leistung und Gegenleistung“

Offenheit und Willkommenskultur stehen uns gut zu Gesicht, sind gar Gebot unserer christlich-jüdischen Haltung. Aber wir müssen von den Geflüchteten auch etwas fordern: die Integration in unsere Werteordnung. Ansonsten droht unser Land, das gerade erst mühsam und zaghaft zusammengewachsen ist, zu zerbrechen. Wer hier leben möchte, muss sich uneingeschränkt zu den Fundamenten unserer Verfassung bekennen. Das sind insbesondere die Grundrechte, also auch Religionsfreiheit und Gleichberechtigung, unsere Rechtsstaatlichkeit, in der die Scharia keinen Platz hat, die strikte Trennung von Staat und Religion sowie die Ächtung von Antisemitismus und das klare Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Judenhass ist in vielen Heimatländern der Flüchtlinge selbstverständlicher Teil der Sozialisierung. Respektlosigkeiten gegenüber Frauen, Christen- und Judenfeindlichkeit, Drohungen gegenüber Minderheiten und ähnliche Phänomene müssen kompromisslos geahndet und geächtet werden, um das Entstehen von Parallelgesellschaften im Keim zu ersticken.

Offenheit und Willkommenskultur stehen uns gut zu Gesicht, sind gar Gebot unserer christlich-jüdischen Haltung. Aber wir müssen von den Geflüchteten auch etwas fordern: die Integration in unsere Werteordnung. Ansonsten droht unser Land, das gerade erst mühsam und zaghaft zusammengewachsen ist, zu zerbrechen.

Charlotte Knobloch

Jüngst warnten Sicherheitsbeamte vor der Abkehr vieler Menschen vom Verfassungsstaat. Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt, BND und Bundespolizei sind alarmiert, sorgen sich um die innere Sicherheit der Bundesrepublik. Es heißt, der hohe Zuzug von Menschen aus anderen Weltteilen werde zur Instabilität unseres Landes führen. Denn die Zuwanderung produziere Extremisten und die bürgerliche Mitte radikalisiere sich, weil sie die Zuwanderung mehrheitlich nicht wolle.

Ich möchte diese dunkle Vision für mein Land nicht übernehmen. Aber auch die jüdische Gemeinschaft beobachtet mit großer Sorge die Radikalisierung und Militarisierung, die sich gegenwärtig vor allem an zwei Fronten abspielt: unter Islamisten und Rechtsradikalen – freilich darf auch der Linksextremismus niemals unterschätzt werden.

Zu lange wurde eine von Multikulti-Romantik geprägte Integrationspolitik praktiziert, die Raubbau an unseren eigenen Wertvorstellungen zur Folge hatte.

Charlotte Knobloch

Vor 15 Jahren wurde die Debatte über die deutsche Leitkultur leichtfertig und voreilig abgebrochen – obwohl sie schon damals dringend erforderlich gewesen wäre. Zu lange wurde eine von Multikulti-Romantik geprägte Integrationspolitik praktiziert, die Raubbau an unseren eigenen Wertvorstellungen zur Folge hatte. Zwar bin auch ich keine Freundin des Begriffs „Leitkultur“, aber den überfälligen Konsens auf einen unantastbaren Wertekodex fordere ich seit Jahren.

Kein Zweifel: Wir können und müssen verfolgten Menschen in Not helfen. Aber wir müssen zugleich gegenüber jedermann unmissverständlich klarstellen, dass unsere von Freiheit geprägte Lebensweise nicht zur Disposition steht.