Der massenhafte Zuzug von Migranten, Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern mobilisiert die Bayern: Beim Fachkongress „Migration und Flüchtlinge“ der CSU erwies sich die Stadthalle Erding als zu klein, um den überwältigenden Andrang des Publikums aufnehmen zu können: Sie war schon vor Beginn des Kongresses überfüllt. Mehrere Fernsehteams drängten sich vor der Halle, um ein Statement vom CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer gleich bei dessen Ankunft zu erhalten, noch ehe er unter stehendem Applaus der rund 400 dicht gedrängten Parteifreunde in die Halle einzog.
Heftiger Beifall und „Bravo“-Rufe brandeten auf, als CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer den Partiechef Horst Seehofer als „die Stimme der Wahrheit, der Klarheit und der Vernunft in Deutschland“ begrüßte. Damit wurde deutlich: Seehofer verkörpert die Hoffnung der Bevölkerung Bayerns, vor allem der restlos überforderten Kommunen, dass er ihre Interessen in Berlin durchsetzt.
Am Ende setzt sich komischerweise immer die CSU durch
„Die CSU ist die politische Partei, die sich am intensivsten und konstruktivsten mit dem Thema auseinandergesetzt hat“, so Scheuer. „Wir sind bereits mehrere Schritte weiter als der Bund. Wir sind keine Problembeschreiber, sondern Problemlöser.“ Die CSU erhalte wegen ihrer klaren Haltung in der Flüchtlingskrise massiven Zulauf. So habe sich die Zahl der Neumitglieder 2015 gegenüber demselben Zeitraum 2014 verdoppelt. In den Sozialen Netzwerken habe die CSU jetzt mehr Follower als die Bundes-SPD.
Wir haben von Anfang an einen klaren Kurs gefahren, wir mussten unseren Kurs nie korrigieren.
Andreas Scheuer
„Es ist doch immer wieder so: Die CSU macht einen Vorschlag. Zuerst kommt ein großer Aufschrei, und am Ende werden die Vorschläge der CSU beschlossen“, so Scheuer. „Wir haben von Anfang an einen klaren Kurs gefahren, wir mussten unseren Kurs nie korrigieren.“ Scheuer zählte auf, viele Positionen der CSU seien von SPD und Grünen anfangs massiv beschimpft und in die rechte Ecke verortet worden, etwa die Aufnahmezentren für Balkan-Migranten, das Sachleistungsprinzip und die Ausweisung sicherer Herkunftsländer. Später seien diese Initiativen einmütig von Bund und Ländern beschlossen worden. „Jeder Staat hat die Pflicht, für seine Bürger seine Grenzen zu schützen“, sagte Scheuer unter dem heftigen Applaus des Publikums. Die CSU beharre auch auf einer deutschen Leitkultur.
Recht und Ordnung müssen wieder gelten
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer betonte, er bestehe auf der Durchsetzung des deutschen und europäischen Rechts durch die Bundesregierung. Bisher habe das Dublin-Abkommen gegolten. „Im Moment haben wir aber einen völlig rechtlosen Zustand.“ Es gebe keine gültige europäische Regelung mehr. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht.“ Bayern könne nicht jeden Tag 6000, 8000, gar 10.000 Menschen aufnehmen. Was jetzt von der EU geplant werde, werde in jedem Fall seine Zeit dauern – etwa Aufnahmezentren in Griechenland, Italien und so weiter.
Wir brauchen die Grenzkontrollen, damit der Rechtsstaat wenigstens wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird
Horst Seehofer
„Ich hätte nie erwartet, dass ein bayerischer Ministerpräsident sich einmal dafür rechtfertigen muss, dass er darauf beharrt, dass Recht und Ordnung eingehalten werden. Wir brauchen die Grenzkontrollen, damit der Rechtsstaat wenigstens wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird“, betonte Seehofer unter lautem Applaus des Publikums. Die Aussage der Bundeskanzlerin, Deutschland könne nicht 3000 Kilometer Grenze schützen, nannte der Ministerpräsident eine „Kapitulation des Rechtsstaates“. Zum Staat gehörten immer das Staatsvolk, die Staatsgrenzen und die Durchsetzung der Staatsgewalt.
Auch die Zuzugsbegrenzung wird Gesetz werden
Seehofer zeigte sich überzeugt, dass auch die von der CSU geforderte Zuzugsbegrenzung im Bund Gesetz werde. Es sei immer so, dass CSU-Vorschläge im Bund zunächst mit Betroffenheit und Empörung abgelehnt werden, nach einer gewissen Schamfrist aber dann alle wichtigen politischen Kräfte auf die CSU-Linie einschwenken, so Seehofer.
Als Beispiel nannte Seehofer den Asylkompromiss von Bund und Ländern, der noch im Oktober in Bundestag und Bundesrat beschlossen wird: mit Aufstockung des Personals im Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge (BAMF), die die CSU schon seit Jahren gefordert habe, mit der Ausweisung des ganzen Westbalkans als sichere Herkunftsländer, und mit dem klaren Vorrang des Sachleistungsprinzips gegenüber Geldleistungen. „Was wurden wir gescholten für die Abschiebezentren, die sind jetzt Vorbild für ganz Deutschland.“ Seehofer wörtlich:
Es ist immer derselbe Ablauf: Wir machen einen Vorschlag, der wird mit Kritik, Häme und Spott überzogen, dann kommt eine Schamfrist, und dann schwenken alle heimlich auf unsere Linie ein.
Der Eindruck, dass der Staat einem Problem ohnmächtig gegenübersteht, ist ein Alarmsignal
Es gehe ihm nicht um einen Konflikt mit der Bundeskanzlerin, versicherte der CSU-Chef. „Sondern mir geht es allein um die Lösung eines der größten Probleme der Gegenwart.“ Die Bevölkerung stelle ihm die Frage, ob die Politik das Problem noch im Griff habe und wohin das alles führen solle. „Das ist ein Alarmsignal für die Politik, wenn die Menschen den Eindruck haben, wir stünden einem Problem ohnmächtig gegenüber“, so Seehofer. Städte, Landkreise, Gemeinden und Dörfer erlebten nun die Auswirkungen der Krise, aber die Grundlagen der Politik werden in Berlin und in Brüssel gesetzt. Es gehe daher um eine „Kernfrage des Föderalismus“, so Seehofer. „Wir sind massiv von den Entscheidungen Berlins und Brüssels betroffen.“ Die Geschichte habe gezeigt, dass es Deutschland nicht schade, wenn es auf Bayern höre – was das Publikum mit starkem Applaus quittierte.
Seehofer erklärte, nach vielen Gesprächen mit allen Regierungschefs Südosteuropas sei ihm klar, dass die Balkanländer ihre Bevölkerung zum eigenen Aufbau brauchten. „Es ist nicht christlich, aus solchen Staaten die jungen, ausgebildeten Menschen abzuziehen. Es ist viel christlicher, in diesen Staaten zu helfen.“ Die Regierungschefs hätten ihm klargemacht, dass die Sozialmigranten aus diesen Ländern nicht nach Deutschland kommen, weil es ihnen in der Heimat so schlecht geht, sondern weil Deutschland mit so starken finanziellen Leistungen locke. Folgerung: Das Sachleistungsprinzip werde jetzt im Oktober auf Initiative der CSU als Gesetz im Bundestag und Bundesrat beschlossen.
SPD-Haltung „skurril und bizarr“, Grüne „heuchlerisch“
Heftige Angriffe richtete Seehofer auf SPD und Grüne. Die SPD-Haltung nannte Seehofer „skurril und bizarr“. Er müsste schon ein Ventilator sein, um stets die gerade aktuelle Haltung der SPD zu orten. Vor einer Woche habe die SPD Zuwanderungsstopp gefordert, heute aber attackiere der SPD-Chef Gabriel ihn, Seehofer. Und die Grünen seien heuchlerisch, würden in der Öffentlichkeit dagegen vorgehen, und im Bundesrat dann zustimmen.
Wir halten politische Entscheidungen in Berlin für falsch, aber ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Menschen in Bayern menschenwürdig behandelt werden.
Horst Seehofer
„Die Menschen in Bayern haben eine glänzende Visitenkarte in der Zuwanderung abgegeben“, lobte Seehofer die Bevölkerung für ihre große Hilfsbereitschaft. „Wir halten politische Entscheidungen in Berlin für falsch, aber ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Menschen in Bayern menschenwürdig behandelt werden“, stellte er klar. Dank sagte er explizit an alle Kommunen, Beamten, Helfer und auch an die Landeshauptstadt München.
Lob für Bayerns Bevölkerung, Beamte und Kommunen
Bayern lege größten Wert auf gelingende Integration. „Wir sind das Land der gelingenden Integration“, so Seehofer. Die Bevölkerung des Landes sei binnen weniger Jahre von elf auf beinah 13 Millionen Menschen angewachsen. „Das ist eine Abstimmung mit dem Umzugswagen. Und Fluchtbewegungen aus Bayern heraus sind nicht bekannt“, so Seehofer. Nürnberg, Augsburg und Würzburg hätten einen höheren Ausländeranteil als Berlin, aber die Integration funktioniere hier eben. „Wer bei uns leben will, muss sich an Recht und Ordnung halten, seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften und mit uns leben wollen, nicht nur neben und gegen uns. Dann ist er herzlich willkommen“, betonte der Ministerpräsident wieder unter großem Applaus.