Gegenwart und Vergangenheit: Vor 25 Jahren wurde Helmut Kohl als Kanzler der Einheit gefeiert. Das Jubiläum feiert in diesem Jahr auch die amtierende Kanzlerin Angela Merkel, die im Osten aufgewachsen ist. Bild: Imago
25 Jahre Deutsche Einheit

Der Osten hinkt dem Westen hinterher

„Der Aufbau Ost ist gelungen“, bilanziert die Bundesregierung nach 25 Jahren Deutscher Einheit. Damit hat sie wohl Recht, aber eingeholt hat der Osten den Westen noch lange nicht. Löhne und Gehälter liegen in den neuen Bundesländern auch 2015 weit unter dem Westniveau, und auch die Wirtschaftskraft blieb im Osten zuletzt konstant schwächer.

„Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt“, hatte Kanzler Helmut Kohl 1990 in einer Fernsehansprache gesagt. 25 Jahre später fällt die Bilanz durchwachsen aus. Vor allem, wenn man den Blick auf die Wirtschaftskraft und die aktuellen Löhne richtet. Immerhin: Wer nach Tarif bezahlt wird, ist im Osten oft schon fein raus: Der öffentliche Dienst, Banken und Versicherungen, die Eisen-, Stahl- und Druckindustrie bezahlen im Osten ihren Angestellten bereits genauso viel wie die Branchen im Westen. Auch die Rentner sind auf der Zielgeraden: Sie haben bei ihren Bezügen das Westniveau schon bald erreicht. Wer sein Gehalt dagegen auf dem freien Markt verhandeln muss, der wird im Westen nach wie vor deutlich besser bedient.

Durchschnittsgehalt beträgt nur 76 Prozent des Westniveaus 

Das verdeutlicht eine aktuelle Veröffentlichung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder anlässlich „25 Jahre Deutsche Einheit“. Demnach verdienten 2014 Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt bundesweit 3527 Euro pro Monat. Am meisten erhielten sie in Hamburg (3949 Euro), am wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern mit 2679 Euro. Der Gesamtdurchschnittsverdienst lag im Osten mit 2760 Euro nur geringfügig darüber und beträgt nur 76 Prozent des Westniveaus.

Der Osten hatte viele Jahre lang Boden gut gemacht

Dabei hatte der Osten viele Jahre lang Boden gut gemacht. Nach der Wiedervereinigung waren die Löhne im Osten rasant gestiegen: 1991 verdienten Beschäftigte in den neuen Bundesländern nur 47 Prozent des Gehalts ihrer Kollegen im Westen, 1995 waren es schon rund 70 Prozent. Die 75 Prozent-Marke knackte der Osten aber erst 2008, und seitdem hat sich an dem Lohngefälle kaum etwas geändert.

Wirtschaftswachstum im Osten ebbte nach rasanter Aufholjagd wieder ab 

Der Vergleich des Wirtschaftswachstum von Ost und West zeigt ein ähnliches Bild: Aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus und eines deutlichen Aufholprozesses ging es im Osten zunächst steil bergauf. So lag laut Statistik Thüringen von 1991 bis 2000 mit einem Plus des Wirtschaftswachstums von 73,9 Prozent bundesweit an der Spitze. Auf den Plätzen folgten in dem Jahrzehnt Brandenburg (+68,5 Prozent) und Sachsen (+58,6 Prozent). In den alten Bundesländern hatte Bayern mit einem Plus von „nur“ 18,6 Prozent die Nase vorn. 2001 war die Aufholjagd im Osten vorbei. Die Wachstumsraten nahmen bis 2013 deutlich ab, seitdem liegt Bayern wieder klar an der Spitze. Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Sachsen-Anhalt rangieren dagegen am Ende der Skala, heißt es von den Statistikämtern.

Bundesregierung lobt Haushaltskonsolidierungen im Osten

Die Bundesregierung zieht dennoch ein insgesamt zufriedenes Fazit: Deutschland habe große Fortschritte bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West gemacht, heißt es im „Jahresbericht Deutsche Einheit 2015“. Die Wirtschaftsleistung habe sich in den neuen Ländern mehr als verdoppelt, die Zahl der Arbeitslosen sei auf ein Rekordtief gesunken. Die Quote liege im Osten mit 9,8 Prozent zwar immer noch über dem Westen (sechs Prozent). „Allerdings hat sich die Arbeitslosenquote in den alten und neuen Ländern etwas angeglichen“, so die Bundesregierung, die in ihrem Bericht auch die Haushaltskonsolidierungen der neuen Länder positiv heraushebt. Der Schuldenstand der neuen Länder sei sogar deutlich niedriger als in westdeutschen Vergleichsländern wie Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland oder Schleswig Holstein, lobt der Bund. Gestoppt sei auch der Wegzug der Menschen aus dem Osten: „2014 kamen zum zweiten Mal in Folge mehr Menschen nach Berlin und in die neuen Länder als wegzogen.“

Angesichts der Tatsache, dass die ostdeutsche Wirtschaft der westdeutschen nach wie vor hinterherhinkt, muss vor allem die Wirtschaftskraft durch Förderung von Investitionen, Innovationen und Internationalisierung weiter gestärkt werden.

Iris Gleicke, Ostbeauftragte der Bundesregierung

Bei all den Erfolgen sieht aber auch die Bundesregierung „noch immer viel Handlungsbedarf bei der Angleichung von Ost- und Westdeutschland“. Angesichts der Tatsache, dass die ostdeutsche Wirtschaft der westdeutschen „nach wie vor hinterherhinkt, muss vor allem die Wirtschaftskraft durch Förderung von Investitionen, Innovationen und Internationalisierung weiter gestärkt werden“, fordert die Ostbeauftragte Iris Gleicke.

Bundesregierung hat auch strukturschwache Regionen im Westen im Blick

Im Blick behält die Bundesregierung nach eigenen Angaben aber auch die Entwicklung strukturschwacher Regionen in den alten Ländern. So soll nach dem Auslaufen des Solidarpakts II „ein weiterentwickeltes Fördersystem für strukturschwache Regionen in ganz Deutschland“ vorgelegt werden. „Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland.“ Bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzierung werde deshalb auch beraten, ob und wie die speziellen Förderprogramme der neuen Länder nach und nach in ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen überführt werden könne, heißt es abschließend.