Dicke Luft in München: Der Stickoxid-Wert in der Landeshauptstadt ist vielerorts zu hoch. (Foto: Fotolia)
VW-Skandal

Abgasuntersuchung auf den Prüfstand

Der VW-Abgasskandal hat Folgen. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner forderte die zügige Einführung realistischer Testverfahren mit Abgas- und Verbrauchsmessungen. Auch Umweltministerin Ulrike Scharf mahnte die EU, ihr Prüfverfahren zu überarbeiten und für Verstöße gegen die geltenden Regeln Konsequenzen zu beschließen. Die Bundesregierung setzt auf schnelle Aufklärung.

„Neue Testverfahren sind notwendig, um das Vertrauen der Kunden in die Dieseltechnologie sowie die Automobilhersteller zurück zu gewinnen“, sagte Wirtschaftsministerin Aigner. Die Manipulationen seien nicht akzeptabel und müssten vorbehaltlos aufgeklärt werden. „Spekulationen, Gerüchte und Verallgemeinerungen verbieten sich aber. Anderenfalls gefährden wir den gesamten Automobilstandort, Zulieferbetriebe und Arbeitsplätze. Es geht um den Ruf der gesamten Branche“, so die Ministerin. „Bei der Einführung neuer Testverfahren müssen wir mit Augenmaß vorgehen und uns am Machbaren orientieren. Neue realistischere Testverfahren bedeuten faktisch schärfere Grenzwerte. Dafür brauchen Hersteller und Zulieferer Zeit“, erklärte Aigner. Die Hersteller und Zulieferer arbeiteten mit Hochdruck an sauberen Motoren. Die deutsche Dieseltechnologie bleibe ein wichtiger Weg, um ehrgeizige Umweltziele und CO2-Grenzwerte zu erreichen, so die Ministerin.

Verbraucher getäuscht: EU muss handeln

Die bewusste Manipulation von Abgaswerten während des Messverfahrens täuscht die Verbraucher. ‎Deshalb müssten jetzt zügig die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Das betonte die Bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf: „Bewusste Manipulationen der Abgaswerte sind nicht hinnehmbar. Verstöße gegen die geltenden Regeln müssen Folgen haben. Die manipulative Senkung von Abgaswerten bringt Autos auf die Straße, die die Grenzwerte zum Schutz von Umwelt und Gesundheit unterlaufen. Außerdem muss das geltende Messverfahren grundsätzlich in den Blick genommen werden.‎ Das derzeit EU weit gültige Prüfverfahren für die Zulassung von Kraftfahrzeugen muss der Realität im Straßenverkehr besser gerecht werden. Dafür muss die EU schnellstmöglich sorgen‎.“ Zuletzt hat sich die Umweltministerkonferenz unter dem Vorsitz Bayerns im Mai 2015 mit dem Thema auseinander gesetzt und einen Beschluss gefasst. In dem Beschluss wurde die Bundesregierung gebeten, sich auf EU-Ebene vehement dafür einzusetzen, dass das neue Typprüfungsverfahren in Verbindung mit einer ambitionierten Begrenzung der Realemissionen spätestens ab dem Jahr 2017 angewendet wird.

Dem Umweltministerium lagen zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf bewusste Manipulationen von Abgaswerten vor.

Ulrike Scharf, Bayerische Umweltministerin

Das in Europa angewendete Testverfahren ist eine zulässige Messmethode, die nur von der dafür zuständigen EU geändert werden kann. ‎Um zu überprüfen, inwieweit die Ergebnisse der zulässigen Messverfahren mit den tatsächlich zu messenden Abgaswerten übereinstimmen, haben Baden-Württemberg und Bayern ein grenzüberschreitendes Gemeinschaftsprojekt durchgeführt. Die Messfahrten durch den TÜV Nord erfolgten dabei im Juni 2014. Die Messergebnisse wurden dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) vom TÜV Nord nach der Auswertung der umfangreichen Daten im November 2014 vorgestellt. Die Kurzfassung des Berichts mit den Ergebnissen wurde dem Bund bereits im Dezember 2014 weitergeleitet. Die Ergebnisse wurden veröffentlicht und dem Bund sowie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) zur Verfügung gestellt. Sie sind eine wichtige Erkenntnisquelle für die Weiterentwicklung des Zulassungsverfahrens und für die Prognose der tatsächlichen Emissionen von Euro 6-Diesel-PKW. Eine Softwareprüfung war nicht Gegenstand der Untersuchungen. Dem Umweltministerium lagen zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf bewusste Manipulationen von Abgaswerten vor. Die Ministerin wies damit Vorwürfe der Opposition zurück.

Die Ergebnisse der Messungen bestätigen, dass die Abgaswerte im realen Verkehr von den gemessenen Werten auf dem Prüfstand abweichen.

Ulrike Scharf

Die PEMS-Messungen an Euro 6-Diesel-PKW wurden von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) und dem LfU gemeinsam mit dem TÜV Nord durchgeführt. Der Fokus des gemeinsamen Projekts lag auf dem Vergleich des Schadstoffausstoßes gemessen auf dem Rollenprüfstand und auf der Straße. Ziel war die Erfassung der Emissionen von drei Euro 6-Diesel-Fahrzeugen im Realbetrieb mittels mitgeführter mobiler Messsysteme auf festgelegten Streckenführungen und das Gewinnen von technischen Erkenntnissen zu unterschiedlichen Abgasreinigungstechnologien (z.B. Temperaturverhalten). Anlass der Messungen war die bereits laufende Diskussion zur Überarbeitung des Zulassungsverfahrens auf europäischer Ebene, insbesondere die Überlegungen zur Einführung des RDE (Real Drive Emission) zur Abbildung des realen Fahrbetriebs. Die Ergebnisse der Messungen bestätigen, dass die Abgaswerte im realen Verkehr von den gemessenen Werten auf dem Prüfstand abweichen und unterstreichen damit die Notwendigkeit einer zügigen Überarbeitung des Zulassungsverfahrens.

Bundesregierung: Enger Kontakt zu VW für schnelle Aufklärung

Die Bundesregierung setzt nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert auf eine schnelle Aufklärung, wie stark deutsche Autofahrer von der Manipulationsaffäre an Diesel-Motoren betroffen sind. „VW hat versprochen, schonungslos und umfassend aufzuklären. Die Bundesregierung hat gar keinen Grund, daran zu zweifeln“, sagte Seibert am Dienstag in Berlin. Es gebe zur Aufklärung einen engen Kontakt mit dem Automobilkonzern. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte, dass die eingesetzte VW-Untersuchungskommission auch Gespräche mit der amerikanischen Umweltbehörde führe. Diese hatte die Manipulationen publik gemacht.

VW: Größte Bewährungsprobe der Unternehmensgeschichte

Der neue VW-Konzernchef Matthias Müller versprach eine „schonungslose und konsequente Aufklärung“. Volkswagen werde in den nächsten Tagen betroffene Kunden darüber informieren, dass das Abgasverhalten ihres Fahrzeugs in Kürze nachgebessert werden müsse. VW stehe vor der „größten Bewährungsprobe“ in der Unternehmensgeschichte. Der Konzern hat bereits die US-Großkanzlei Jones Day angeheuert, um eine unabhängige externe Untersuchung der Diesel-Affäre durchzuführen. Der Konzern hatte mit einer Software Abgaswerte von Diesel-Autos in den USA manipuliert. Weltweit sind 11 Millionen Autos betroffen – 2,8 Millionen davon in Deutschland. Laut Müller ist die Software nur in einem Teil der Wagen aktiviert. „Wir rechnen deshalb damit, dass die Zahl der tatsächlich betroffenen Fahrzeuge letztlich geringer sein wird.“