Unterschiedliche Ergebnisse, aber eigentlich nur einen Gewinner bei der Landtagswahl in Oberösterreich: (v.l.n.r.) Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), Landeshauptmannstellvertreter Reinhold Entholzer (SPÖ), Landesrat Manfred Haimbuchner (FPÖ), Landesrat Rudi Anschober (Die Grünen); Landessprecherin Judith Raab (NEOS). (Bild: Imago)
Wahlen in Oberösterreich

Flüchtlingsdebatte entscheidet die Wahl

Gastbeitrag Das Ergebnis der Landtagswahlen in Oberösterreich muss die Alarmglocken in den europäischen Regierungs- und Parteizentralen zum schrillen Läuten bringen. Die Rat- und Hilflosigkeit der österreichischen Politik angesichts der Flüchtlingskrise bescherte der rechtspopulistischen FPÖ einen Erdrutschsieg, den beiden Traditionsparteien ÖVP und SPÖ eine desaströse Niederlage.

Es ist mehr als ein regionales Wahlergebnis. Sowohl in den EU-Hauptstädten, insbesondere in Wien und Berlin als auch in Brüssel, muss man sich diese Zahlen vorhalten. Die regierende Volkspartei sackt von 46,8 auf 36,4 Prozent, bleibt aber noch die Nummer 1. Die SPÖ rutscht von 25,0 auf 18,4 Prozent ab und verliert den 2. Platz im Parteienranking. Die FPÖ kann ihre Werte dagegen verdoppeln, erhält 30,4 Prozent und rückt dem Landeshauptmann an den sprichwörtlichen Pelz. Die Grünen können zwar ein Prozent dazu gewinnen, halten bei 10,3 Prozent, was aber nicht ausreicht, um die bisherige schwarz-grüne Koalition am Leben zu erhalten. Und nur noch so nebenbei: Die Neos schaffen den Sprung in den Landtag erwartungsgemäß nicht. Wie weitertun, ist die spannende Frage, auf die man nun in Linz eine Antwort sucht. Soll man die FPÖ, wie vor kurzem durch die SPÖ im Burgenland geschehen, mit in die Regierung nehmen, sie gewissermaßen zur Nagelprobe zwingen, oder weiterhin auf der Oppositionsbank sitzen und obstruieren lassen.

Es wird Zeit, Ernst der Lage zu erkennen

Der 66-jährige Josef Pühringer war durch 20 Jahre ein tüchtiger und erfolgreicher Landeshauptmann, der von Linz aus das Land ob der Enns mit sicherer Hand regierte. Das Bundesland Oberösterreich ist eine europäische Musterregion, hat eine sehr gut funktionierende Wirtschaftsstruktur, eine Fülle exzellenter Industriebetriebe, verzeichnet eine niedrige Arbeitslosenrate. Trotzdem straft ihn die Wählerschaft für etwas ab, das vor allem die Bundesregierung in Wien und die handelnden EU-Politiker in Brüssel zu verantworten haben. Nämlich das seit Wochen Schlagzeilen produzierende Thema des Flüchtlings-Tsunamis, der Europa flutet.

Es wird Zeit, den Ernst der Lage zu erkennen.

Franz Fischler, ehemaliger EU-Kommissar

Der einstige und langjährige EU-Kommissar Franz Fischler bringt die Sache auf den Punkt: „Es wird Zeit, den Ernst der Lage zu erkennen“. Er wehrt sich nur dagegen, dass man vorschnell und verallgemeinert jetzt sagt, „die EU“ sei schuld an diesem Wahlergebnis. Es stimme zwar, dass auch die Kommission schon früher die Situation erkennen hätte müssen, die da auf Europa zukommt, und auch die Brüsseler Behörden seien nicht mehr das, was sie einmal waren, letztlich sei es aber das Kardinalsproblem, dass sich „die Regierungschefs allzu lange auf nichts einigen konnten“. Zu spät hätten die Innenminister ein erstes Programm zur Bewältigung der Flüchtlingskrise mit Mehrheitsbeschluss durchgeboxt.

Rechter Marsch auf das „rote“ Wien

Für Fischler steht fest, dass in einer EU mit 28 Mitgliedssaaten das Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr zu halten ist, weil damit nur wichtige Entscheidungen blockiert und hinaus gezögert werden. Nach diesem Wahlsonntag ist nicht nur Nachdenken, sondern dringend eine Kurs- und Verhaltenskorrektur angesagt.

In Wien wird man sich warm anziehen müssen.

Franz Fischler

Das betrifft das Zusammenspiel innerhalb der EU ebenso wie die Performance der Bundespolitik, für die Bundeskanzler Werner Faymann und sein Vize Reinhold Mitterlehner verantwortlich sind. Auch in „Wien wird man sich warm anziehen müssen“ kommentiert daher der ehemalige Minister und EU-Spitzenmann die Lage knapp. So sehr das Asylantenthema und im Gefolge die Sicherheitsproblematik im Vordergrund standen, letztlich wurden auch Strategie- und Wahlkampf-Fehler gemacht, die eine Art Band-Waggon-Effekt auslösen könnten, den nun die Landespolitiker in der Bundeshauptstadt fürchten. Hier steht in zwei Wochen ein Wahlgang an. Und nachdem der Urnengang in Oberösterreich den von den Meinungsforschern vorhergesagten Trend noch leicht verstärkt hat, rechnen einige politische Beobachter bereits mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen der FPÖ mit der SPÖ – und das in einer Großstadt, die über Jahrzehnte den Ruf einer sozialdemokratischen Hochburg hatte.

Die politische Mitte gerät dagegen in schwere Bedrängnis.

Es waren nur 1,15 Millionen oberösterreichische Wahlberechtigte von 500 Millionen EU Bürgern, die ein deutliches Signal setzten. Der rechte politische Flügel erhält massiven Zulauf (vor allem von Männern und der jüngeren Generation, wie erste Analysen zeigen). Die politische Mitte gerät dagegen in schwere Bedrängnis. Heinz Christian Strache, eine der Symbolfiguren der europäischen Rechten, hat kein taugliches Konzept, um den Flüchtlingsstrom einzudämmen beziehungsweise zu kanalisieren, würde am liebsten zu mittelalterlichen Methoden greifen, um die „Festung Europa“ zu verteidigen, ist aber Nutznießer einer allgemeinen Stimmungslage in Österreich wie in Europa. Es ist, so die Meinungsforscher, eine Mischung aus Rat- und Hilflosigkeit gegenüber dem ungebremsten Flüchtlingsstrom, Sorge um das, was die Zukunft noch bringen könnte, dem Fehlen von überzeugenden Leitfiguren in der Politik sowie der Lust, sich einfach an der regierenden „Kaste“ abzureagieren, einen Denkzettel zu verpassen.