Emotionen dürfen verantwortungsvolle Politik nicht ersetzen: Szenen an der ungarisch-serbischen Grenze. Bild: Imago/Zuma Press
Asylpolitik

Die heile grüne Welt gefährdet unser Land

Kommentar Die Koalition will den Kreis der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erweitern. Doch davor steht noch ein großes Hindernis: Die Zustimmung des Bundesrats – oder besser: die der Grünen, die an neun Landesregierungen beteiligt sind. Hier kommt es zur Bewährungsprobe: Wollen die Grünen Deutschland weiter aus rein ideologischen Gründen Schaden zufügen?

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist zwar zuversichtlich, dass die Grünen eine Einstufung weiterer Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer mittragen werden. „Die Fakten sprechen für sich“, sagte sie. Asylbewerber aus Kosovo, Albanien und Montenegro hätten Anerkennungsquoten von 0,1 bis 0,2 Prozent. „Das wissen auch die Grünen. Und da bin ich schon zuversichtlich, dass sich allmählich auch dort die Einsicht manifestiert, die mittlerweile auch beim Koalitionspartner vorhanden ist: dass wir unsere Kräfte auf diejenigen konzentrieren müssen, die tatsächlich schutzbedürftig sind.“ Anders als beim letzten Mal braucht es aber zwei der insgesamt neun grün mitregierten Bundesländer. Baden-Württemberg, dessen manchmal realistisch denkender Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) beim letzten Mal der Einordnung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer zustimmte, signalisierte auch jetzt wieder Zustimmung. Im März 2016 ist Landtagswahl in Baden-Württemberg, da könnte ihm und den Grünen das Thema Asyl schon um die Ohren fliegen, wenn Kretschmann wie der linke Parteiflügel weiter Märchen wie „Deutschland kann locker noch viel mehr Flüchtlinge aufnehmen“ erzählen würde. Und ihren ersten und einzigen Ministerpräsidenten will die Parteispitze nicht verlieren, dafür werden sie alles tun. Doch man sollte sich nichts vormachen: Sobald nach dieser Landtagswahl die Hochrechnungen über die TV-Schirme flattern, wird der unterdrückte Konflikt im grünen Lager umso heftiger wieder ausbrechen.

Die Grünen wollen nicht verstehen

Einsicht in die Realität ist bei vielen Grünen nicht das hervorstechende politische Merkmal, um es vorsichtig zu formulieren. Auch jetzt übten viele Grüne bereits Kritik an der geplanten Ausweitung der sicheren Herkunftsländer. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte zwar eine Prüfung der Koalitionsbeschlüsse zu. Aber Co-Chefin Simone Peter kritisierte einen Teil der Beschlüsse als „unnötige Schikanen“ und „nicht zielführend“.

Wir lehnen das Konstrukt ’sichere Herkunftsstaaten‘ als diskriminierend ab.

Daniel Köbler, Grüne

Dazu zähle die geplante Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsländer ebenso wie die geplante Ausweitung von Sach- statt Geldleistungen. Später sagte aber auch sie eine Prüfung zu. Der Rheinland-Pfälzische Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler sagte jedoch: „Wir lehnen das Konstrukt ’sichere Herkunftsstaaten‘ als diskriminierend ab.“ Das Asylrecht sei ein individuelles Menschenrecht, es könne nicht einfach für ganze Gruppen abgeschafft werden. Als ob es das durch die Einstufung tatsächlich würde. Ähnlich äußerten sich auch Vertreter der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg. Der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, erklärte der Frankfurter Rundschau: „Von einer Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten halte ich gar nichts.“ Bisher hatte die Multikulti-Partei immer eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten abgelehnt, weil das angeblich nicht helfe und nur Symbolpolitik sei.

Die Einstufung hilft

Es ist hilft aber doch, wie die Zahlen belegen: Das Bundesinnenministerium verweist darauf, dass der Anstieg für die drei sicheren Länder Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien von Dezember 2014 bis Juni 2015 zusammen auf 23 Prozent abgesenkt wurde, während die Asylanträge aus den Nachbarländern Albanien, Kosovo und Montenegro im Vergleich ungebremst um 515 Prozent zugenommen, sich also verfünffacht haben. Ein Anstieg war es dennoch, nur aus dem Kosovo sank die Zahl der Asylanträge deutlich. Aber möglicherweise fehlt einfach noch eine offensive Kampagne wie im Kosovo in den Balkanstaaten, dass für deren Bürger das deutsche Asylrecht fast nie greift. Zudem besteht ein Problem, das jetzt die Koalition lösen will, auch weiterhin: Das Taschengeld, das laut Bundesamt für Migration für viele Balkanmigranten aufgrund seiner Höhe ein Anreiz war und ist. Es entspreche einem Monatsverdienst vieler Berufsgruppen in diesen Ländern, so das Bundesamt. Erst wenn dieses Geld mindestens für das erste Jahr gestrichen oder auf ein absolutes Minimum reduziert wird, lässt sich voll beurteilen, ob die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat erfolgreich ist.

Und gerade die Symbolpolitik ist gewollt: Denn Ziel ist es ja, in diesen Ländern möglichst deutlich die Botschaft zu verbreiten, dass sich ein Asylantrag in Deutschland nicht lohnt.

Übernimmt die EU?

Es gibt aber auch andere Aspekte, die in diesem Zusammenhang wichtig sind.

Man muss sich auch vor Augen führen, dass jetzt endlich die EU die Initiative ergreifen will und daher womöglich den Grünen die Handlungsmacht entreißt. Die EU-Kommission will die Staaten des westlichen Balkans sowie die Türkei einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zufolge zu sicheren Herkunftsstaaten erklären lassen. Weitere Kandidaten seien Bangladesch, Pakistan und Senegal. Und in Teilen der EU wird noch eine ganz andere Liste diskutiert: Während bei uns gerade mal die EU, Norwegen, Schweiz, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Ghana und Senegal als sichere Herkunftsstaaten gelten, wird in anderen EU-Mitgliedsländern ganz Westafrika (darunter einzeln genannt die Staaten Benin, Burkina Faso, Gambia, Ghana, Liberia, Nigeria, Senegal oder Sierra Leone) als sicher benannt. Wiederum andere Länder sehen auch Staaten wie Indien, Tunesien, Marokko, Moldawien, Mauritius, Tansania, Botswana, Jamaika, Kenia, Seychellen, Malawi oder Kamerun als sicher.

Grüne ignorieren den Rechtsstaat

Laut Artikel 16a Grundgesetz genießen nur politisch Verfolgte Asyl. Aus den Westbalkanstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Albanien und dem Kosovo kamen im ersten Halbjahr 2015 über 45 Prozent der Asylsuchenden, deren Anträge in einem rechtsstaatlichen Verfahren fast zu 100 Prozent abgelehnt werden. Da zu behaupten, es seien aber doch viele der Wirtschafts- und Sozialmigranten von dort politisch verfolgt, ist ein Schlag ins Gesicht unseres Rechtsstaates – selbst wenn in anderen EU-Staaten höhere Quoten aus den Balkanländern Asyl erhalten.

Wenn Deutschland für diese Länder – trotz sicher vorhandener einzelner Probleme – ein wenig Rechtsstaatlichkeit voraussetzt, ist das legitim.

Es ist ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter im Bundesamt für Migration, die sich viel Mühe mit jedem einzelnen Asylantrag geben. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Verwaltungsrichter, die viel Zeit dafür verwenden müssen, über die Rechtmäßigkeit dieser Asylverfahren zu entscheiden. Und es ignoriert, dass all diese Staaten EU-Beitrittskandidaten sind oder werden sollen/wollen. Wenn Deutschland für diese Länder – trotz sicher vorhandener einzelner Probleme – ein wenig Rechtsstaatlichkeit voraussetzt, ist das legitim. Es gibt sogar Stimmen aus den Balkan-Ländern, die es als Beleidigung auffassen, dass sie als „nicht sicher “ gelten.

Der Absturz droht

Die grüne Blockade ignoriert vor allem ein Problem: Wenn wir uns nicht schleunigst auf die wirklich Verfolgten konzentrieren und alle Anderen ebenso schleunigst in ihre Heimatländer zurückschicken, wird unser Land in vielfacher Hinsicht früher oder später kollabieren: Angefangen bei den fehlenden Unterkünften, später den fehlenden Wohnungen, über ausgelaugte Helfer, Behörden und Polizisten (die sich fast nur noch um Asylbewerber kümmern können), irgendwann auch zusammenbrechende Gesundheits-, Renten- und Sozialsysteme, überfüllte und überforderte Kindergärten und Schulen, zunehmend leeren Staatskassen bis hin zu den ungewissen Handlungen einer überstrapazierten Gesellschaft – obendrein in absehbarer Zukunft mit gewaltigen Integrationsproblemen durch die vielen muslimischen Flüchtlinge konfrontiert.

Das alles mag dieses Jahr noch gerade so geklappt haben, doch der Zustrom der Flüchtenden wird in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, anhalten.

Die Stimmungskrise hat bereits begonnen, ganz banal in den Sporthallen dieser Republik: Wenn man die sozialen Netzwerke hinsichtlich der mit Asylbewerbern belegten Turnhallen durchsucht, findet man viel verständliche und sachlich begründete Ablehnung von ganz normalen Eltern und ebenso normalen Vereinssportlern. Das alles mag dieses Jahr noch gerade so geklappt haben, doch der Zustrom der Flüchtenden wird in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, anhalten. Und er wird nicht kleiner werden. Das ist der alles entscheidende Aspekt, der zur Zeit in vielen Medien, bei vielen Bürgern und Politikern mit ihrer fast schon überbordend emotionalen „Willkommenskultur“ und den „Bahnsteigklatschern“ großzügig ignoriert wird – noch. Helfen ja, Humanität ja, doch Emotionen dürfen verantwortungsvolle Politik nicht ersetzen. Wie sagte doch der jüngst verstorbene SPD-Politiker Egon Bahr: „Verstand ohne Gefühl ist unmenschlich; Gefühl ohne Verstand ist Dummheit!“ Ja, ich wage deshalb die Prognose: Wenn es so weiter geht, kollabiert dieses Land früher oder später, auch wenn es sich noch so sehr bemüht.

Die echten Angstmacher

Vorsicht mit den Worten, werden jetzt die grünen Dauerempörten wieder mahnen, den Bürgern nur ja keine Angst vor den Migranten machen! Aber ist es Angstmacherei, wenn man die gewaltigen Probleme auflistet, vor denen wir unausweichlich stehen werden und ihre Lösung einfordert? Ist es Angstmacherei, wenn man den Bürgern die Wahrheit darüber sagt, was ohnehin schon die meisten vermuten? Denn wenn die öffentlich verbreitete „Realität“ vom selbst Erlebten abweicht, fördert das nicht das Vertrauen in die Politik. Ist also nicht vielmehr das jahrelange Verschweigen und Vertuschen der rot-grünen Multikulti-Ideologen und das Niederschlagen jedes Andersdenkenden mit der Nazikeule dafür verantwortlich, dass viele Bürger Angst vor den vielen Flüchtlingen haben?

Wir haben kein Problem der Rhetorik, sondern wir haben ein tatsächliches Problem.

Thomas Kreuzer

Sicher ist: Nur die Wahrheit entzieht den rechts- und linksradikalen Angstmachern den Nährboden, nur sie verhindert, dass die Stimmung frühzeitig kippt. Und sie hilft dabei, sich den enormen Aufgaben zu stellen, die dann ja jeder kennt. Wenn wir sie verschweigen oder beschönigen, werden wir irgendwann „erstaunt“ vor noch viel größeren Problemen stehen – und die Konsequenzen tragen müssen. „Nicht, wer die Dinge anspricht und zu lösen versucht, ist verantwortlich, wenn die Stimmung kippt“, so sagte es CSU-Landtags-Fraktionschef Thomas Kreuzer sehr treffend. „Sondern die, die das Problem nicht angehen. Wir haben kein Problem der Rhetorik, sondern wir haben ein tatsächliches Problem.“

Die Einstufung als „sichere Herkunftsländer“ wird unsere Probleme nicht lösen, aber sie wird sie kleiner machen und uns wichtige Zeit verschaffen. Es wird sich in dieser Frage zeigen, ob die Grünen für unseren Staat überhaupt noch echte Verantwortung jenseits ihrer heilen Besserwelt tragen – oder nicht. Letzteres aber würde bedeuten, dass sie den Erhalt unserer Demokratie gefährden.