Gemeinsames Singen der Bayern-Hymne (vordere Reihe, v.r.): Edmund Stoiber, Franz Josef Strauß, Helmut Kohl, Flaminio Piccoli (italienischer Christdemokrat), Kurt Biedenkopf und Friedrich Zimmermann auf dem CSU-Parteitag am 20./21. Juni 1980 in München. Bild: Winfried Rabanus/Archiv für Christlich-Soziale Politik/HSS
100 Jahre FJS

Stoiber: „Strauß ist der Vater der Volkspartei“

Aus der aktuellen Ausgabe des BAYERNKURIER-Magazins: Der CSU-Ehrenvorsitzende und langjährige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber beschreibt seine persönlichen Erinnerungen an Franz Josef Strauß, der in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre. Stoiber nennt Strauß den "Vater der Volkspartei" und "größten politischen Sohn Bayerns".

Franz Josef Strauß ist der Vater der Volkspartei CSU. Und er gehört zu den Vätern des erfolgreichen Prinzips Volkspartei im Nachkriegsdeutschland. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft in der jungen Weimarer Republik, die Unfähigkeit der damaligen Parteien zum Kompromiss und das Überrollen dieser Klientelparteien durch den verbrecherischen Nationalsozialismus haben in Franz Josef Strauß die Überzeugung geprägt: Wir brauchen Parteien, die die Interessen des gesamten Volkes vertreten wollen, die konfessionelle Grenzen überwinden, die unterschiedliche Bevölkerungsschichten miteinander verbinden, die den Ausgleich suchen.

Wer hätte dieses Prinzip Volkspartei besser verkörpern können, als Strauß selbst? Metzgerssohn und bester Abiturient Bayerns, Landrat und Atomminister, oft Leberkäs und manchmal auch Champagner, geschätzter Gesprächspartner von Haushälterin Käthe und Kardinal Joseph Ratzinger oder Golo Mann, Wanderer und Flugzeugpilot, geschichtsbewusster Innovator, ausgleichend und durchsetzungsstark, Bayern im Herzen – Deutschland und Europa im Blick: In Franz Josef Strauß wurde die moderne Volkspartei lebendig.

Die Bauern wussten genauso wie die Professoren: Er versteht uns, unsere ganz speziellen Bedürfnisse. Und dann, wenn es darauf ankommt, ist er für uns da.

Doch Vorsicht: Volkspartei a la Strauß – das ist kein konturenloser Mischmasch für alle. Das heißt nicht, einfach möglichst viele Facetten durch Einebnung miteinander zu verbinden. Sondern das heißt, die gesamte Bandbreite der Politik mit klaren Positionen aktiv zu gestalten. Auf die asymmetrische Demobilisierung – das Konzept, mehr Anhänger der politischen Konkurrenten einzuschläfern als eigene – wäre Franz Josef Strauß sicherlich nicht gekommen. Er war kein wandelnder Kompromiss. Ganz im Gegenteil, er sprach die unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung unmittelbar und deutlich an. Die Bauern wussten genauso wie die Professoren: Er versteht uns, unsere ganz speziellen Bedürfnisse. Und dann, wenn es darauf ankommt, ist er für uns da.

Volkspartei a la Strauß – sie muss nicht nur gute Sachargumente haben. Sie muss auch emotionale Heimat bieten. Franz Josef Strauß war kein Politik-Automat. Seine Leidenschaft war legendär, sie war ansteckend und übertrug sich auf seine Anhänger. Ja, er hatte erbitterte Gegner. Aber viel mehr hatte er begeisterte Unterstützer. Emotionen schaffen eine stärkere Bindung, als der reine Pragmatismus es vermag. Sie tun unserer Demokratie gut – denn nicht alle können oder wollen sich intensiv inhaltlich mit Politik beschäftigen. Auch diese Mitbürger müssen politisch und demokratisch erreicht werden. Es hat schon Gründe, dass Wahlbeteiligungen früherer Zeiten von an die 90 Prozent schon seit Jahren nicht mehr möglich sind. Der Name Strauß steht für Politik mit Verstand – und mit Herz.

Strauß war kein Politik-Automat. Seine Leidenschaft war legendär.

Dem Volk aufs Maul schauen, aber ihm nicht nach dem Munde reden – wie viel zitiert ist diese politische Handlungsanweisung von Franz Josef Strauß. Aber wie so oft im Leben: sie ist leichter gesagt, als getan. Im Grunde bringt Strauß hier unnachahmlich das Spannungsfeld, das permanente Dilemma der Politik auf den Punkt. Einführung der Bundeswehr, Klage gegen den Grundlagenvertrag mit der DDR, Bau des heute nach ihm benannten neuen Münchner Flughafens – es gibt politische Leitentscheidungen, bei denen ein gewählter Volksvertreter mutig vorangehen muss. Die er vor dem Volk vertreten und verantworten muss – zur Not gegen den politischen Mainstream. Die dann zu seiner Bilanz gehören, über die beim nächsten Urnengang abgestimmt wird. Das ist die repräsentative Demokratie.

Seit Strauß ist diese Herausforderung für Politiker bei bedeutenden Grundsatzentscheidungen noch größer geworden, angesichts permanenter Meinungsumfragen und Online-Votings. Aber sie bleibt. Doch richtig ist natürlich auch: Das allein ist kein Regierungsprinzip, das kann man nicht immer so machen. Volkspartei a la Strauß heißt genauso, sich permanent zu prüfen: Drückt die Politik die Befindlichkeiten der großen Mehrheit der Bevölkerung eigentlich noch aus? Oder umgibt sie sich mit der Tabuzone einer Political Correctness, die sie von der Lebenswirklichkeit der Bürger trennt?

Was können wir leisten, was wollen wir leisten und was müssen wir tun, um auch in Zukunft ein starkes und zugleich humanes Land zu bleiben? Lasst uns darüber reden!

Oft und gerade in diesem Jahr des 100. Geburtstags werde ich gefragt: Wäre ein Franz Josef Strauß heute so überhaupt noch denkbar? Meine Antwort ist ja. Natürlich wäre er intelligent genug, sich auf unsere Zeit einzustellen. Aber auch heute würde er politische Tabuzonen nicht einfach so akzeptieren. Mit Sicherheit würde er die Frage stellen: Wie viele Menschen aus anderen Sprach- und Kulturkreisen kann unser Land aufnehmen? Es gibt Obergrenzen für Verkehrsmittel, für Krankenhäuser, für Fußballstadien – gibt es auch Obergrenzen für ein Land? Was können wir leisten, was wollen wir leisten und was müssen wir tun, um auch in Zukunft ein starkes und zugleich humanes Land zu bleiben? Lasst uns darüber reden! Bei aller Begeisterung für Buntheit, die ich teile – wie viel Fremdheit verträgt ein Land? Was verstehen wir eigentlich wirklich unter Integration? Was genau ist die Aufgabe des Asylrechts und welche Zuwanderung ist darüber hinaus möglich?

Wir stehen vor einem Zeitalter der Völkerwanderung und Europa ist das große Ziel. Eine Volkspartei muss diese Themen aufgreifen, sonst wird sie von ihnen überrollt.

Volkspartei a la Strauß heißt, diese Diskussionen zu führen und auch über den Tellerrand zu blicken: Was sind die Fluchtursachen für Millionen junge Afrikaner, aus welchen Ländern kommen sie? Suchen wir, suchen die Europäer die Auseinandersetzung mit afrikanischen Potentaten und Gewaltherrschern, die ihre Länder ausbeuten und ausbluten? Tut die zivilisierte Welt genug, um der barbarischen Welt entgegenzutreten? Diese Debatte fehlt doch völlig in der Europäischen Union! Franz Josef Strauß würde diese Diskussionen nicht auf die Willkommenskultur reduzieren, sondern auch die Fluchtursachen offensiv ansprechen. Wir stehen vor einem Zeitalter der Völkerwanderung und Europa ist das große Ziel. Eine Volkspartei muss diese Themen aufgreifen, sonst wird sie von ihnen überrollt. Die CSU tut das, nicht nur für Bayern, auch für Deutschland.

Denn das Erbe von Franz Josef Strauß ist es, als regional begrenzte Partei mit bundesweitem und europäischem Anspruch Politik über Bayern hinaus zu gestalten. Als die Regierungspartei des stärksten deutschen Landes bestimmten Werten in unserer Bundesrepublik eine deutlich vernehmbare Stimme zu geben: Leistung und Anstrengung, Solidarität für die Schwachen durch Fordern und Fördern, Innovation und Fortschritt, Familie und Kinder, innere und äußere Sicherheit, Wachstum und solide Finanzen. Und zu diesem Erbe gehört es, als kleinere, aber erfolgreiche und homogene Schwester der stabile Pfeiler der Unionsparteien zu sein.

100 Jahre Franz Josef Strauß: Er ist der Vater der Volkspartei CSU, der größte politische Sohn Bayerns in den letzten hundert Jahren. Für mich bleibt er Lehrmeister und väterlicher Freund. Dankbar rückwärts, mutig vorwärts, gläubig aufwärts!

 

-Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin-

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