Hunderttausende Menschen engagieren sich in der Hilfe für Flüchtlinge – hier irakische Christen aus der vom IS beherrschten Stadt Mossul. Die Helfer, aber auch Bürger, die Sorgen und Bedenken äußern sowie verantwortliche Politiker haben es nicht verdient, von linken „Künstlern“ und Gutmenschen als Rechtsradikale und Nazis beschimpft zu werden. (Bild: imago/epd-bild/Sebastian Backhaus)
Flüchtlings-Debatte

Wenn Idealismus Realismus ersetzt

Kommentar In keiner politischen Debatte der letzten Jahre wurde die Nazikeule in derart primitiver Weise geschwungen wie in der momentanen Flüchtlingsdiskussion. Normalbürger mit ihren begründeten Sorgen sowie verantwortliche Politiker, die um Lösungen ringen, haben es nicht verdient, von der politischen Linken als „Rechtsradikale“ beschimpft zu werden.

Bei Stefan Raabs Musikshow „Bundesvision Song Contest“, kürzlich auf Pro Sieben zu sehen, sind zwei der Bands mit T-Shirts mit der Aufschrift „Refugees welcome“ aufgetreten. Eine andere Band zeigte satirisch Neonazis mit Deutschland-Trikots und vollgepissten Jogginghosen – in Anlehnung an eine Bild aus Rostock-Lichtenhagen aus dem Jahr 1991. Wieder eine andere Gruppe rief das Publikum auf, gegen „rechtsradikale Wichser“ aufzustehen.

Ist das die neue Trennlinie in Deutschland? Hier die Künstler und linksromantischen Gutmenschen, die alle Mühseligen und Beladenen hereinholen wollen – das „gute“ Deutschland? Und auf der anderen Seite alle anderen: Spießbürger, Ewiggestrige, Rechtsradikale, Neonazis? Selten wurde in einer politischen Debatte der letzten Jahre derart geheuchelt und die Nazikeule in derart primitiver Weise geschwungen wie in der momentanen Asyl-und Flüchtlingsdiskussion.

Es ist leicht, frei von jeder konkreten Verantwortung unbedrängt in einem Fernsehstudio, auf einer Bühne oder im schicken Bistro bei Rotwein und Prosecco zu sitzen und sich akademisch darüber zu ereifern, dass die Bundesregierung darauf beharrt, nur echten Kriegsflüchtlingen und anerkannten politisch Verfolgten Asyl zu gewähren. Dass insbesondere die CSU darauf besteht, dass abgelehnte Asylbewerber, hier vor allem Sozialmigranten aus den EU-Kandidatenländern Serbien, Mazedonien, Albanien und dem Kosovo, konsequent abgeschoben werden.

Allen linksromantisch bewegten Künstlern oder Immigrations-Gutmenschen mit ihren Forderungen, alle Beladenen nach Deutschland zu holen („Refugees welcome“), möchte man zurufen: Öffnet doch bitte erst einmal Eure Wohnungen, Lofts und Villen und stellt mindestens einen Teil Eures Wohnraums für Asylbewerber zur Verfügung; dann dürft Ihr so reden.

Schmerzhafter Realitätsschock für Til Schweiger

Einen jähen Realitätsschock hat kürzlich der Schauspieler Til Schweiger erfahren: Er, der vom linken Kultur-Establishment seit jeher wegen seiner Nuschelei und seiner eher seichten Filme belächelt wurde, wollte sich bei jener Klientel ranwanzen, indem er den Teil seiner Fans auf Facebook, die anders denken als er, als „empathieloses Pack“ beschimpfte und ihnen beschied: „Ihr seid zum Kotzen!“ Dann forderte er eine Einschränkung der Meinungsfreiheit für Rechtsradikale und warf in der Talkshow „Menschen bei Maischberger“ der Politik Versagen beim Kampf gegen Rechtsextremismus vor. Doch dann der Realitätsschock, als Schweiger mit seiner eigenen Initiative, Flüchtlinge in einer ehemaligen Kaserne in Osterode im Harz aufzunehmen, grandios scheiterte, weil er offenbar einem falschen Freund vertraut hatte. Willkommen in den Mühen der Ebene! Es ist immer schlecht, wenn Idealismus Realismus ersetzt.

Ähnlich die ARD-Kommentatorin Anja Reschke. Sie warf in derselben Sendung namentlich der CSU und der Bayerischen Staatsregierung vor, mit der Warnung vor dem massenhaften Asylmissbrauch durch Sozialmigranten vom Balkan populistisch Angst zu schüren. „Die Regierung müsste sagen: Hey Leute, wir sind ein starkes Land. Ich glaube nämlich nicht, dass Deutschland überfordert ist. Wenn nicht wir, wer kriegt es dann gewuppt? Dann ist es doch Ihre Verantwortung, zu den Leuten zu gehen und zu sagen: Tschaka, so, wir kriegen das schon hin“, sagte Reschke. Damit suggerierte sie, Deutschland müsse und könne eigentlich noch viel, viel mehr Asylbewerber aufnehmen. Dass schätzungsweise die Hälfte der derzeitigen Zuwanderer vom sicheren Balkan stammt und somit das Asylrecht offensichtlich missbraucht – geschenkt. Derlei banale Fakten stören Reschke wenig.

Verantwortungsvoll: Helfen, aber das Land nicht überlasten

Verantwortungsvolle, realistische Politik geht anders: Denen helfen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, weil dies ein Gebot der Nächstenliebe, der Humanität sowie des deutschen Asylrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention ist. Aber gleichzeitig dem eigenen Land und seinen Bürgern nicht mehr Lasten aufbürden, als sie zu tragen in der Lage sind. Das Mögliche tun, aber das Unmögliche auch als solches benennen. Missbrauch und Schleuser bekämpfen, abgelehnte Bewerber konsequent abschieben und mit Einreiseverboten belegen. Flüchtlingsströme kanalisieren und die Nachbarstaaten in die Pflicht nehmen.

Realistische Politik trägt beispielsweise auch Verantwortung für eine Asylbewerber-Unterbringung mit Augenmaß. Minister, Landräte und Bürgermeister ringen intensiv um vernünftige Lösungen. Doch dabei darf keine Gemeinde überfordert werden. Schulen und Vereine können auf Dauer nicht ohne Turnhallen auskommen. Die Schulen müssen rechtzeitig vor Schuljahresanfang wissen, mit wie vielen Flüchtlingskindern sie es zu tun haben werden, um reagieren zu können. Deutsche Politiker und Amtsträger haben in ihrem Amtseid geschworen, „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“. Wer als Politiker so handeln würde, wie die linksromantischen Gutmenschen wünschen, hätte seinen Amtseid verletzt.

Die Bevölkerung in Bayern ist gutwillig und gleichzeitig realistisch

Die bayerische Bevölkerung denkt ganz offensichtlich ähnlich wie die CSU. Gerade in Bayern, wo der Bürgersinn besonders ausgeprägt ist, engagieren sich zehntausende Menschen ehrenamtlich für die Betreuung von Asylbewerbern. Rechtsextreme Hetze und Straftaten werden auch in Bayern selbstverständlich mit der vollen Härte des Rechtsstaates bekämpft. Als kürzlich in Rosenheim Neonazis einen Aufmarsch veranstalten wollten, sammelten sich Bürger zu einer Gegendemonstration unter dem Motto „Rosenheim ist bunt“ – unter Beteiligung der örtlichen CSU. Ähnliches hat sich bereits hundertfach in ganz Deutschland abgespielt. Also: Die Nazikeule hat ausgedient. Das Gros der Bevölkerung ist alles andere als rechtsextrem. Aber die Bevölkerung ist auch realistisch.

Die Bürger – und auch die CSU – sind dafür, echten Kriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten Asyl zu gewähren. Aber im Fall von Missbrauch befürworten die Bürger durchaus Abschiebungen, denn auch sie sehen Deutschland an der Belastungsgrenze. Die Zahl von 800.000 Immigranten in diesem Jahr lässt bei vielen Normalbürgern die Sorge darüber wachsen, wie sich Deutschland dadurch verändern wird. Der britische Premier Cameron hat jüngst darauf hingewiesen, welches kulturelle Gepäck viele der Immigranten aus dem Nahen Osten und Afrika mitbringen – von gewaltbereitem Islamismus bis zur Befürwortung von Zwangsehen, Ehrenmorden und Frauenbeschneidung.

Die Nazikeule hat ausgedient

Es ist nicht hinnehmbar, dass Politiker oder Normalbürger, die Probleme und Sorgen im Zusammenhang mit der ungeheuren Herausforderung dieser Flüchtlingswelle thematisieren und die sich um praktische Bewältigung und realistischen sowie einen rechtsstaatlich korrekten Umgang mit den Asylsuchenden bemühen, als Rechtspopulisten, Rechtsradikale oder gar als Neonazis beschimpft werden. Die Debatte muss dringend wieder auf den Teppich kommen.