Kinderbetreuung wird besser
In Deutschlands Kitas gibt es immer noch zu wenig Personal. Allerdings hat sich die Betreuungsqualität in Krippen und Kindergärten in fast jedem Bundesland verbessert, heißt es in einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung. Im Schnitt kümmert sich eine Vollzeitkraft um 4,4 Krippenkinder, für eine Erzieherin im Kindergarten sind es 9,5 Kinder.
Bertelsmann-Studie

Kinderbetreuung wird besser

In Deutschlands Kitas gibt es immer noch zu wenig Personal. Allerdings hat sich die Betreuungsqualität in Krippen und Kindergärten in fast jedem Bundesland verbessert, heißt es in einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung. Im Schnitt kümmert sich eine Vollzeitkraft um 4,4 Krippenkinder, für eine Erzieherin im Kindergarten sind es 9,5 Kinder.

Mit mehr Personal steigt bundesweit die Qualität der Betreuung in Krippen und Kindergärten. Nach der am Montag vorgestellten Studie der Bertelsmann-Stiftung „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ kamen 2014 auf eine Vollzeitkraft im Schnitt 4,4 Krippenkinder in der Ganztagsbetreuung, beziehungsweise 9,5 Kindergartenkinder. Zwei Jahre zuvor waren die Durchschnittswerte mit 4,8 und 9,8 noch schlechter. Das tatsächliche Betreuungsverhältnis im Kita-Alltag fällt ohnehin ungünstiger aus als der Personalschlüssel, weil Erzieher und Erzieherinnen mindestens ein Viertel ihrer Zeit für Team- und Elterngespräche, Dokumentation und Fortbildung aufwenden. Der Betreuungsschlüssel ist laut Studie ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Die Experten der Stiftung sprechen von einem positivem Trend, trotzdem sei immer noch zu wenig Personal in den Kitas. Sie gehen von einem Idealwert von 1 zu 3 in der Betreuung der Kleinsten und von 1 zu 7,5 ab drei Jahren aus.

Fortschritte fallen unterschiedlich aus

Die Fortschritte sind in den 16 Bundesländern unterschiedlich. Die besten Werte hat Baden-Württemberg mit 3,1 und 7,7 (2012: 3,5 und 8,6), das sein Personal bei der frühkindlichen Erziehung in den vergangenen zwei Jahren deutlich aufgestockt hat. Dafür hatte es geplant, 11.600 Lehrer bis zum Jahr 2020 zu entlassen beziehungsweise frei werdende Stellen nicht mehr zu besetzen. Davon rückte das Land nach einem Proteststurm wieder ab, hinzu kamen angeblich „veränderte“ Schülerzahl-Prognosen sowie „völlig unerwartete“ Herausforderungen wie die Inklusion und die Flüchtlingswelle.

Zwar hat Hamburg laut der Studie vor allem im Kindergartenbereich aufgeholt, die Hansestadt bleibt aber bei der Krippenbetreuung mit einem Betreuungsschlüssel von 5,1 (2012: 5,7) Schlusslicht im Westen. „Die Personalschlüssel sind längst noch nicht überall kindgerecht und pädagogisch sinnvoll, aber der Trend ist positiv“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung zu den Zahlen. Weiterhin registrieren die Forscher ein starkes Gefälle zwischen Ost und West. In den neuen Bundesländern müssen sich die Erzieherinnen um deutlich mehr Kleinkinder kümmern (1 zu 6,1) als im Westen (1 zu 3,6). Auch in den Kindergartengruppen ist der Personalschlüssel im Westen mit 1 zu 8,9 deutlich besser als im Osten mit 1 zu 12,4. Allerdings gehen im Osten mit 46,6 Prozent erheblich mehr Kinder unter drei Jahren in Kitas als im Westen (22,7 Prozent).

Bayern verbessert sich

Die Personalsituation in Kitas und Kindergärten in Bayern hat sich seit 2012 leicht verbessert. Laut dem „Ländermonitor frühkindliche Bildung“ der betreute im Jahr 2014 im Freistaat jede Erzieherin in Kinderkrippen durchschnittlich 3,8 Kinder unter drei Jahren – also besser als der Bundesschnitt mit 4,4. Demnach fallen die bayerischen Personalschlüssel etwas ungünstiger aus als im westdeutschen Durchschnitt (Krippengruppe: 1 zu 3,6 und Kindergartengruppe: 1 zu 8,9). Im Vergleich zur letzten Studie vor zwei Jahren in Bayern (4,0) ist das nur eine leichte Verbesserung. In den Kindergärten ist der Betreuungsschlüssel seit 2012 etwa gleich geblieben (9,0 Kinder pro Betreuungsperson). Der Bundesschnitt ist mit 9,5 auch hier schlechter. Insgesamt sind nur sechs Länder bei den Quoten besser als der Freistaat, das Bild ist jedoch nicht einheitlich. Es sind einige Länder besser bei den Kinderkrippenplätzen, aber schlechter bei den Kindergartenplätzen – oder umgekehrt. So ist Rheinland-Pfalz bei den Krippenplätzen (3,5) besser, aber bei den Kindergärtenplätzen (9,1) schlechter als Bayern. Umgekehrt ist es bei Berlin mit 5,9 bei den Krippen- und 8,8 bei den Kindergartenplätzen.

Qualität ist weit mehr als nur ein guter Personalschlüssel. Genauso wichtig ist für uns ein hohes Qualitätsniveau in den Einrichtungen.

Emilia Müller, bayerische Familienministerin

Die bayerische Familienministerin Emilia Müller sieht den Freistaat auf einem guten Weg. „Qualität ist weit mehr als nur ein guter Personalschlüssel. Genauso wichtig ist für uns ein hohes Qualitätsniveau in den Einrichtungen“, sagte Müller. Daher haben Bayern zusammen mit den Kommunen die Förderung in diesem Jahr nochmals erhöht. Die Einrichtungen erhalten jährlich bis zu 126 Millionen Euro zusätzlich, die sie in Qualitätsverbesserungen investieren können. Bayern sei zudem besonders von der angespannten Situation auf dem Fachkräftemarkt betroffen. Weil im Freistaat die Geburtenrate seit einigen Jahren deutlich gestiegen ist und im Gegensatz zu allen anderen Ländern viele Menschen zuwandern, sei es hier besonders schwer, den Bedarf an Fachkräften in der Kindererziehung zu decken. Insofern verbucht das Ministerium schon den nahezu gleichgebliebenen Personalschlüssel als Erfolg. „Die Ergebnisse bestätigen die positive Entwicklung der bayerischen Kindertageseinrichtungen, vor allem beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebote, der Personalkapazitäten und den Fortschritten im Bereich der Inklusion. Bayerns Kindertageseinrichtungen bieten eine bedarfsgerechte und qualitätsvolle Kinderbetreuung. Dafür gilt den engagierten Trägern und ihrem pädagogischen Personal mein herzlicher Dank“, so die Ministerin. Bayern lege, so die Ministerin, besonderen Wert auf eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung. So starte zum neuen Kindergartenjahr ein Modellversuch zur Pädagogischen Qualitätsbegleitung. 60 Qualitätsbegleiter unterstützen dann bayernweit das pädagogische Personal dabei, Bildungsziele noch effektiver umzusetzen.

Gesundheit der Erzieher bedroht

Der Personalschlüssel ist zwar nur ein Faktor, der zu guter frühkindlicher Bildungsarbeit beiträgt, laut Anke König vom Deutschen Jugendinstitut in München, die sich im BR äußerte, aber ein wichtiger. Fällt der Personalschlüssel schlecht aus, kann das auch Folgen für die Gesundheit der Fachkräfte haben. Laut der Studie müssen Vollzeitkräfte rund ein Viertel ihrer Zeit für Elterngespräche, Dokumentation oder Fortbildung einplanen. Vollzeitkräfte können hierfür in der Regel auch leichter Zeit einplanen, Teilzeitkräften jedoch nicht. Ihre Arbeitszeit wird komplett für die Kinderbetreuung verplant, die anderen Aufgaben müssen aber auch erledigt werden. „Angesichts der konstant hohen Unterschiede zwischen den Bundesländern werden bundeseinheitliche Qualitätsstandards für Kindertagesbetreuung immer drängender“, sagte Dräger. „Bundeseinheitliche Vorgaben sind der absolut falsche Weg. Denn sie können die zentralen Herausforderungen auf dem Fachkräftemarkt nicht lösen“, erwidert dagegen Bayerns Familienministerin Emilia Müller. Es brauche stattdessen mehr Geld vom Bund zur Verbesserung der frühkindlichen Pädagogik. „Bayern und seine Kommunen wissen dann selbst am besten, wie sie Qualität nachhaltig sichern und weiter verbessern. Nachhilfeunterricht aus Berlin brauchen wir hierfür nicht“, so die Ministerin abschließend.

Viele Vollzeitkräfte in Bayern

Der Anteil von Vollzeitkräften ist mit 42 Prozent in Bayern vergleichsweise hoch. Zugleich gibt es dort nach Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen einen der bundesweit höchsten Anteile an Beschäftigten, die weniger als 21 Wochenstunden arbeiten (18 Prozent). Erstaunt zeigten sich die Bertelsmann-Experten generell über den bundesweit hohen Anteil an befristeten Verträgen. 41 Prozent der Fachkräfte unter 25 Jahren arbeiten befristet. Bei Spezialisten für Inklusion, also der gemeinsamen Erziehung von behinderten und nicht behinderten Kindern, sind es immer noch ein Drittel. Flexible Arbeitszeiten haben zwar den Vorteil, dass Erzieher nicht entlassen werden müssen, wenn nur wenige Kinder zu betreuen sind. Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse führen aber zu Unsicherheit und Stress bei den Erziehern – der sich auch auf die Kinder auswirken kann, so die Bertelsmann-Experten. Ein weiterer Aspekt der Studie: Nur sechs Prozent aller Beschäftigten haben einen Hochschulabschluss. Eine finanzielle und damit auch gesellschaftliche Aufwertung der Erziehungsberufe könnte dazu führen, hofft die Stiftung, dass sich künftig auch mehr Akademiker für einen solchen Beruf entscheiden.