Asylbewerber warten vor dem Münchner Hauptbahnhof. (Bild: Wolfram Göll)
Asylpolitik

Die Belastung steigt immer weiter

Der Ansturm der Asylbewerber hält das Land weiter in Atem. Wenn sich die grünen Landespolitiker nicht endlich zur Einstufung der übrigen Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer durchringen können, werden auch Krawalle unter den Asylbewerbern wie im thüringischen Suhl zunehmen. Polizei, Justiz und Behörden klagen über enorme Belastungen.

Großes Verständnis für die Forderung des Deutschen Städtetags, Asylbewerber mit geringen Anerkennungschancen erst gar nicht den Städten und Gemeinden zuzuweisen, zeigte Thomas Kreuzer, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. „Genau das ist das Ziel des bayerischen Weges, eigene leistungsfähige Aufnahmeeinrichtungen für Migranten vom Westbalkan zu schaffen“, sagte Kreuzer. Es sei allerdings der falsche Weg, die gesetzliche Frist zu verlängern, in der Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden dürfen. „Ziel kann nicht sein, diese Frist zu verlängern, sondern die Verfahren zu verkürzen. Es ist für alle Seiten besser, wenn schneller Klarheit herrscht. Wer vom Westbalkan kommt, wird nicht systematisch verfolgt oder misshandelt. Wir müssen diesen Menschen deutlicher und schneller sagen, dass sie hier keinen Grund für und damit auch keine Chance auf Asyl haben.“ Wie Verfahren beschleunigt und verkürzt werden können, darüber will sich die Spitze der CSU-Fraktion nächste Woche in der Schweiz informieren. Dort werden Asylverfahren in rund 50 Tagen, in Einzelfällen sogar innerhalb von 48 Stunden entschieden.

Polizei klagt über Überlastung

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat mit einem offen Brief mehr Unterstützung von der Politik eingefordert. Die Polizei brauche mehr Personal, größere Räumlichkeiten und eine bessere Ausstattung der Dienststellen, so der bayerische GdP-Landesvorsitzende Peter Schall. Er forderte ein nachvollziehbares Konzept in personeller, organisatorischer und kooperativer Hinsicht. Neben der Flüchtlingserfassung bleibe keine Zeit mehr für andere Ermittlungsverfahren, so die GdP. Wegen der Überfüllung der Gefängnisse mit Schleusern, fehlten überall Plätze. In Bayern sind besonders die Inspektionen in den Brennpunkten Rosenheim und Passau enorm beansprucht. „Wenn ein Ende absehbar wäre, könnten wir uns noch gegenseitig unterstützen und motivieren“, so Schall im „Münchner Merkur„. Es werde angesichts der aktuellen Prognosen nicht mehr lange dauern, „bis unsere Leute unter der Belastung zusammenbrechen“.

Auch der Deutsche Beamtenbund forderte im öffentlichen Dienst mehr Personal, da dieser durch die vielen Asylbewerber „weit über das Normalmaß hinaus“ belastet sei.

 Folgen für die Justiz

Die hohe Zahl der Flüchtlinge hat auch Folgen für die Justiz. Erst kürzlich beklagten bayerische Verwaltungsrichter, dass sie mit all den Asylverfahren überlastet sein. Angesichts der jüngsten Flüchtlingsprognosen sei absehbar, dass sowohl die Asylverfahren, als auch die sonstigen Verfahren nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums bearbeitet werden könnten. Nun klagt auch die Strafjustiz: In mehreren Bundesländern gibt es einen starken Anstieg der Ermittlungsverfahren gegen Schleuser. Allen voran steht Bayern mit über 1300 Fällen allein im ersten Halbjahr – das ist geschätzt knapp die Hälfte aller Ermittlungsverfahren gegen Schleuser bundesweit. Gut 600 Menschen sitzen bereits im Freistaat wegen Schleusungsverdachts in Untersuchungshaft. Bundesweiter Brennpunkt ist Passau, die erste deutsche Stadt auf einer der zwei Hauptflüchtlingsrouten aus den Kriegsgebieten des Mittleren Ostens. Dort werden so viele mutmaßliche Schleuser festgesetzt, dass im historischen Gefängnis in der Altstadt mittlerweile der Platz fehlt. Die Zahl der Untersuchungshäftlinge übersteigt die Zahl der Haftplätze um fast das Fünffache. „Wir haben aktuell rund 350 Haftsachen wegen Schleusungen“, sagte Sprecherin Ursula Raab-Gaudin. In der JVA Passau gebe es aber nur 75 Haftplätze. Deswegen müssen Passauer U-Häftlinge nach Angaben des bayerischen Justizministeriums inzwischen landesweit auf andere Gefängnisse verteilt werden.

Greift Bayern härter durch?

Die Zahlen werfen die Frage auf, ob in Bayern wegen der besseren Polizeiarbeit und der Südlage einfach mehr Schleuser erwischt werden oder ob bayerische Amtsrichter möglicherweise schneller Haftbefehle ausstellen als ihre Kollegen in anderen Bundesländern – obwohl das Strafrecht eigentlich bundesweit einheitlich gehandhabt werden soll. Denn in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Bremen und im Saarland saß Ende Juli überhaupt niemand wegen Schleusungsverdachts in U-Haft. In Baden-Württemberg war Ende Juli lediglich ein mutmaßlicher Schleuser im Gefängnis, obwohl die Staatsanwälte im Südwesten 147 einschlägige Ermittlungsverfahren einleiteten. Abgesehen von den Haftsachen haben die Staatsanwälte auch in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder Bremen erheblich mehr mit Schleuserverfahren zu tun. Das ergab eine dpa-Umfrage, die in 14 Bundesländern beantwortet wurde. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden nach Angaben des Düsseldorfer Justizministeriums im ersten Halbjahr 273 neue Ermittlungsverfahren gegen Schleuser eingeleitet – ein Drittel mehr als im ersten Halbjahr 2014. Das niedersächsische Justizministerium registrierte 107 neue Ermittlungsverfahren, ein Anstieg um über 50 Prozent. In Schleswig-Holstein gab es im ersten Halbjahr bereits 409 Ermittlungsverfahren. Da waren fast so viele wie im gesamten Jahr 2014 mit 435 Fällen. Ähnlich die Lage in Hamburg: 47 Verfahren haben die Staatsanwälte an der Elbe aktuell, die 56 Schleuserfälle des Jahres 2014 dürften bald erreicht sein. Ein bundesweit einheitlicher Trend aber lässt sich nicht feststellen. So gab es in Rheinland-Pfalz, in Sachsen und in Brandenburg keine signifikante Zunahme der Schleuserverfahren. So waren es in Sachsen im ersten Halbjahr 300 Fälle, nur geringfügig mehr als die 292 einschlägigen Ermittlungsverfahren in der ersten Jahreshälfte 2014. In der Bundeshauptstadt Berlin führt die Justizverwaltung nicht mal eine solche einschlägige Statistik.

Mehr Abschiebungen

Angesichts der rasant steigenden Flüchtlingszahlen schieben die Bundesländer abgelehnte Asylbewerber vermehrt ab. Im ersten Halbjahr wurden laut Innenministerium bundesweit 8178 Abschiebungen gezählt und damit etwa 42 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2014. Fast 67 Prozent der Abgeschobenen in der ersten Jahreshälfte stammten aus Westbalkanstaaten. Die Bundesländer nehmen je nach Einwohnerzahl und Steuereinnahmen unterschiedlich viele Asylbewerber auf. Die großen Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen liegen dabei an der Spitze. Das ist der eine Grund, warum es dort auch mehr Abschiebungen gibt. Der andere Grund, der nur für Bayern gilt, ist Konsequenz. Der Freistaat versteckt sich bei den oft unpopulären Abschiebungen nicht wie insbesondere rot-grüne Bundesländer hinter einem humanitären Deckmäntelchen. Denn eigentlich bedeuten versäumte Abschiebungen nur Nachteile für die wirklich Verfolgten, die unter all den Wirtschaftsflüchtlingen keinen Platz mehr finden. Und das ist die eigentliche Inhumanität. Langsam scheint sich diese Auffassung jedoch auch in anderen Ländern durchzusetzen.

Ausschreitungen in Suhl, Brandstiftung in der Oberpfalz

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die Ausschreitungen in einem überbelegten Flüchtlingsheim im thüringischen Suhl scharf kritisiert. Er habe kein Verständnis für solche Gewaltanwendungen durch Asylbewerber, sagte de Maizière am Abend in Berlin. Auch hiergegen müsse hart vorgegangen werden – ebenso wie gegen Angriffe auf Flüchtlinge. Im thüringischen Suhl zeigte sich wieder einmal, wie schwierig die Integration so vieler Muslime aus den Kriegsgebieten dieser Welt ist und sein wird. Ein religiöser Konflikt hatten in dem überbelegten Flüchtlingsheim Ausschreitungen mit mindestens 17 Verletzten ausgelöst. Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) sprach von versuchter Lynchjustiz, nachdem ein 25-jähriger afghanischer Asylbewerber angeblich mehrere Seiten aus dem Koran gerissen und demonstrativ in eine Toilette geworfen haben soll – eine Bestätigung dafür steht aber noch aus. Die etwa 100 Asylbewerber gingen dabei mit Eisenstangen, Steinen und Betonklötzen gegen die Wachdienstzentrale vor, in die sich der Afghane geflüchtet hatte. Die Beschädigung des für Muslime so überaus wichtigen Korans ist zwar abzulehnen, ein Grund für die bei uns sowieso verbotene Lynchjustiz ist sie selbstverständlich nicht. Verletzt wurden außerdem laut Innenministerium auch sechs Polizisten. 120 Polizisten sowie Sanitäter und Feuerwehrleute waren im Einsatz, um den Gewaltausbruch unter Kontrolle zu bringen. In der Erstaufnahmeeinrichtung sind statt der maximal vorgesehenen 1200 derzeit 1800 Flüchtlinge untergebracht. Bei dem Gewaltausbruch sei „eine rote Linie massiv überschritten worden“, sagte später sogar der grüne Migrationsminister. Das müsse Konsequenzen haben. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte dagegen mal wieder unnötigen vorauseilenden Gehorsam und sprach sich bei MDR Info für getrennte Flüchtlingsunterkünfte für verschiedene Ethnien aus (womit er faktisch die Trennung von Muslimen von allen anderen Religionen meinte), um ähnliche Eskalationen zu verhindern. Wie er eine solche Trennung später im realen Leben außerhalb der Asylunterkünfte aufrecht erhalten will, bleibt sein Geheimnis. Er sollte sich mal die Mahnung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in Erinnerung rufen: Wenn die Toleranten den Intoleranten gegenüber zu lange tolerant sind, werden irgendwann die Intoleranten die Macht übernehmen und dann haben die Toleranten nichts mehr zu sagen.

Unbekannte haben in der Nacht zum Freitag einen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in der Oberpfalz verübt. Von den 19 Bewohnern sei niemand verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Im Erdgeschoss der ehemaligen Gaststätte in Neustadt an der Waldnaab habe ein Teil des Mobiliars geglimmt. Die Feuerwehr bekam das Feuer schnell unter Kontrolle. Ein Asylbewerber hatte in der Nacht beobachtet, wie zwei Männer aus dem Fenster im Erdgeschoss geflüchtet waren. Eine dritte Person soll vor dem Gebäude gewartet haben. Die Polizei schließt einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht aus, ermittelt jedoch in alle Richtungen.

ZDF-Politbarometer stärkt CSU

Mittlerweile zeigt sich, dass die große Mehrheit der Deutschen den Kurs der CSU in der Asylpolitik für richtig hält. Fast drei Viertel (74 Prozent) und Mehrheiten in allen Parteianhängergruppen sind laut dem ZDF-Politbarometer dafür, dass in Abhängigkeit von ihrer Chance auf Bleiberecht Unterschiede gemacht werden sollen bei der Unterbringung der Flüchtlinge und der Abwicklung der Asylverfahren. Nur 23 Prozent sprachen sich für eine Gleichbehandlung aller Flüchtlinge aus. Auch der Vorschlag, Flüchtlingen und Asylbewerbern weniger Geld- und dafür mehr Sachleistungen zu geben, stößt mehrheitlich auf Zustimmung (69 Prozent), nur 26 Prozent lehnen das ab. Dabei geht aber nur gut ein Drittel (35 Prozent) davon aus, dass eine Verlagerung hin zu mehr Sachleistungen die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge reduzieren würde, 61 Prozent erwarten dies nicht. Eine große Mehrheit der Befragten (86 Prozent) bezeichnet Deutschland als Einwanderungsland, nur 12 Prozent teilen diese Einschätzung nicht. Ebenso klar fällt das Votum für ein Einwanderungsgesetz aus: 77 Prozent, und damit noch deutlich mehr als vor vier Monaten (April: 59 Prozent), sind der Meinung, dass zusätzliche Regelungen nötig sind, die den Zuzug von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern steuern, 18 Prozent (April: 27 Prozent) glauben das nicht. Hier ist sicher auch die fehlende Information über die tatsächlich schon lange vorhandenen, verschiedenen legalen Einwanderungsregeln, ausschlaggebend. Mit 60 Prozent sind etwas mehr Befragte als im Juli (54 Prozent) der Meinung, Deutschland könne die große Zahl an Flüchtlingen, die zu uns kommen, verkraften. 37 Prozent sehen dies nicht so (Juli: 41 Prozent).  Hier muss man den Menschen stärker klar machen, dass wir erst am Anfang der Flüchtlingswelle stehen und den Höchststand vermutlich noch lange nicht erreicht haben.