Asylanträge warten auf Bearbeitung. Bild: Fotolia/stockpics
800.000 Asylbewerber

Das ist erst der Anfang der Flüchtlingslawine

Der Bund hat seine Asylbewerberprognose für dieses Jahr auf 800.000 angehoben. Bislang hatte man nur mit 450.000 gerechnet. Laut den Vereinten Nationen nimmt Deutschland zu viele Flüchtlinge auf. Und: Der Flüchtlingsansturm hat gerade erst begonnen, daher muss das gesamte Asylsystem auf den Prüfstand – sonst droht eine Katastrophe.

Aktualisiert am 19. August, 18:45 Uhr

Die Bundesregierung hat ihre Flüchtlingsprognose stark angehoben. Laut Innenminister Thomas de Maizière könnten in diesem Jahr 800.000 Asylbewerber nach Deutschland kommen. Bislang hatte die Bundesregierung mit 450.000 gerechnet.

In diesem Jahr könnte Bayern erstmals mehr als 100.000 Flüchtlinge aufnehmen. Sozialministerin Emilia Müller hat ihre Prognose ebenfalls erhöht und rechnet nun damit, dass heuer zwischen 90.000 und 110.000 Asylbewerber in Bayern untergebracht werden müssen. Das teilte die CSU-Politikerin am Dienstag auf Anfrage der Agentur dpa mit. „Derzeit erreichen Bayern im Schnitt über 1500 Menschen pro Tag – Tendenz weiter steigend“, sagte Müller.

Es ist ein Unding, dass aus Ländern, die EU-Beitrittskandidaten sind, Zehntausende Flüchtlinge in Europa Asyl beantragen.

Manfred Weber

Die Konservativen im Europaparlament sprachen sich nun dafür aus, alle EU-Beitrittskandidaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. „Es ist ein Unding, dass aus Ländern, die EU-Beitrittskandidaten sind, Zehntausende Flüchtlinge in Europa Asyl beantragen“, sagte der CSU-Politiker und EVP-Fraktionschef Manfred Weber der Agentur dpa. Insbesondere sollten alle Staaten vom westlichen Balkan diesen Status bekommen.

Der Ansturm geht jetzt erst los

2014 waren es noch rund 200.000 Asylbewerber, womit der Anstieg bei bis zu 300 Prozent liegen würde. Was insbesondere grüne Bessermenschen offenbar nicht wahrhaben wollen, wenn sie davon reden, Deutschland sei „so ein reiches Land“ und könne „noch viel mehr aufnehmen“, ist die Tatsache, dass wir erst am Anfang der Flüchtlingslawine stehen. Aber schon jetzt klagen fast alle Kommunen, sie hätten die Belastungsgrenze bereits überschritten. Wenn diese Zahlen aber Jahr für Jahr weiter so wachsen, sind es im Jahr 2016 vielleicht schon mehr als eine Million Asylbewerber.

Es sind zumindest schon jetzt so viele Asylbewerber, dass nun sogar bisher zu Realitätsverleugnung neigende SPD-Politiker wie Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney verzweifeln. „Ich müsste jeden Tag ein Hochhaus bauen, um sie unterzubringen“, sagte sie dem „Handelsblatt„. „Ich wünsche mir, dass der Bund die Erstaufnahme übernimmt, zumindest für diejenigen ohne Bleibeperspektive.“

Die Zukunft: Öffentliche Einrichtungen wie Turnhallen werden auch während der Schulzeit mit Asylbewerbern belegt, also muss sowohl Schulsportunterricht wie auch Vereinssport ausfallen.

Was das für die öffentlichen Finanzen von Bund, Ländern und Kommunen bedeutet, kann sich jeder ausrechnen. Was das angesichts des überall fehlenden Wohnraums und der fehlenden Unterkünfte bedeutet, kann vermutlich nur noch als totales Chaos beschrieben werden – oder mit riesigen Zeltstädten gelöst werden. Jedes Jahr müsste Deutschland eine Großstadt allein für die Asylbewerber errichten! Was wird der Bund Naturschutz da wieder zum Flächenfraß verkünden können! Dieser Ansturm wird auch bedeuten, dass sich fast alle Behörden nur noch um die Belange der Asylbewerber kümmern müssen, während Anliegen der Einheimischen warten müssen. Solche Berichte gibt es bereits jetzt, beispielsweise aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck (der Bayernkurier berichtete). Das wird bedeuten, dass öffentliche Einrichtungen wie Turnhallen auch während der Schulzeit mit Asylbewerbern belegt werden, also sowohl Schulsportunterricht wie auch Vereinssport ausfallen muss.

Multikulti-Durchhalteparolen und das Festklammern an sozialen Segnungen erweisen sich im Angesicht der Völkerwanderung als schlicht unhaltbar.

Wer das abstreitet und weiter von der heilen Flüchtlingswelt faselt, belügt die eigenen Bürger. Ehrliche Politik erfordert, entweder dieser Welle, insbesondere aus den Balkanstaaten, Einhalt zu gebieten oder den Bürgern die zu erwartende Zukunft klipp und klar mitzuteilen. Multikulti-Durchhalteparolen und das Festklammern an sozialen Segnungen erweisen sich im Angesicht der Völkerwanderung als schlicht unhaltbar. Alles muss auf den Prüfstand, dazu gehören die Einstufung als sicheres Herkunftsland (nicht nur auf dem Balkan), das Tempo von Asylverfahren und falsche Anreize wie das Taschengeld.

Ich habe es lange nicht glauben wollen, aber inzwischen scheint es mir plausibel, dass die Geldleistungen für Asylbewerber in Deutschland so hoch sind, dass sie für viele ein Anreiz sind, herzukommen.

Boris Palmer, grüner OB von Tübingen (Baden-Württemberg)

Zur Not gehört aber auch das Asylrecht im Grundgesetz auf den Prüfstand: Wenn man das Taschengeld wegen des Bundesverfassungsgerichtsurteils nicht kürzen darf, ist irgendwo ein Fehler im System: Denn was hat das vom Gericht geforderte „menschenwürdige Existenzminimum“ mit 143 Euro Taschengeld pro Monat zu tun, einer Summe, die manche Rentner nicht zur Verfügung haben? Zumindest sollte man vollständig auf Sachleistungen setzen. Realität und praktikable Lösungen schlagen Wunschdenken. Das hat jetzt sogar der erste Grüne erkannt, Tübingens OB Boris Palmer: „Ich habe es lange nicht glauben wollen, aber inzwischen scheint es mir plausibel, dass die Geldleistungen für Asylbewerber in Deutschland so hoch sind, dass sie für viele ein Anreiz sind, herzukommen.“ Wie er weiter im Interview mit der Zeitung „Welt“ sagte, müsste er notfalls sogar leer stehende Häuser beschlagnahmen, was ihm das Polizeigesetz auch erlaube. „Schweren Herzens“ würde er mittlerweile sogar zustimmen, Albanien, Montenegro und das Kosovo zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären sowie als „letztes Mittel“ eine Visumspflicht für den Balkan wieder einzuführen.

Deutschland tut viel und muss sich für nichts schämen, das hat jetzt auch UN-Flüchtlingskommissar Guterres bestätigt.

Vereinte Nationen: Deutschland nimmt zu viele Flüchtlinge auf

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, will Deutschland bei der Verteilung von Flüchtlingen entlasten. „Wir müssen die Verantwortung auf mehr Schultern in Europa verteilen. Es ist langfristig nicht tragbar, dass nur zwei EU-Länder – Deutschland und Schweden – mit leistungsfähigen Asylstrukturen die Mehrheit der Flüchtlinge aufnehmen“, sagte Guterres sagte der Zeitung „Die Welt„. Nach Angaben des UN-Kommissars haben seit Jahresbeginn rund 240.000 Migranten und Asylsuchende Europas Küsten erreicht. „Die meisten Menschen, die über das Mittelmeer in Booten kommen, flüchten vor Konflikten und Verfolgung. Alle Staaten in Europa haben die moralische Pflicht, sie willkommen zu heißen, und sie haben die eindeutige gesetzliche Verpflichtung, sie zu schützen“, sagte Guterres. „Im vergangenen Jahr flohen mehr Menschen als jemals zuvor seit Beginn unserer Aufzeichnungen“, betonte der UN-Kommissar. Mehr als 60 Millionen weltweit hätten infolge von Konflikten und Verfolgung ihre Heimat verloren. „Wir können Menschen, die flüchten, um ihr Leben zu retten, nicht abschrecken. Sie werden kommen, und wahrscheinlich werden es noch mehr werden.“ Wichtig sei, die Ankunft der Flüchtlinge human zu gestalten, betonte der frühere portugiesische Ministerpräsident.

Herrmann bekräftigt Forderungen

Um den massenhaften Asylmissbrauch aus dem Balkan zu stoppen, forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann erneut konsequentere Maßnahmen. „Wir müssen die Anreize für diejenigen reduzieren, die aus rein wirtschaftlichen Gründen bei uns um Asyl ersuchen.“ Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gebe es heute schon die Möglichkeit, das Taschengeld für Asylsuchende zu kürzen. „Mit unserer bereits im April eingebrachten Bundesratsinitiative wollen wir hier eine Schärfung der Kürzungstatbestände und fordern deshalb die Einführung einer Missbrauchsklausel“, erläuterte Herrmann. „Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern oder mit als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen müssen dann beweisen, dass sie nicht aus wirtschaftlichen Motiven nach Deutschland gekommen sind. Ansonsten werden ihnen die Leistungen erheblich gekürzt.“ Um den massenhaften Asylmissbrauch zu bekämpfen und in den Herkunftsländern ein klares Signal zu setzen, dass sich der Asylantrag nicht lohnt, kündigte der bayerische Innenminister weitere konsequente Sammelabschiebungen an. Das bayerische Innenministerium hat zudem in einem Rundschreiben 2651 pensionierte Beamte um Unterstützung für die Ersterfassung der Asylbewerber gebeten. Der Innenminister begründete dies mit der außergewöhnlichen Situation: „Die Entwicklung des Zugangs von Asylbewerbern nach Deutschland und Bayern ist dramatisch. Trotz Einsatz aller verfügbaren Kapazitäten sind die für die Erstaufnahme zuständigen Regierungen kaum noch in der Lage, die verwaltungsmäßige Erstregistrierung zeitgerecht zu bewältigen.“ Die ehemaligen Beamten erhalten einen Arbeitsvertrag, in dem entsprechende Hinzuverdienstmöglichkeiten geregelt sind.

Neue Zahlen belegen die Überlastung Deutschlands

Nach den aktuellen Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat, die aber nur die ersten drei Monate dieses Jahres betreffen (also nur rund 185.000 Asylbewerber), wurden 35 Prozent der Asylanträge in Deutschland gestellt, 14 Prozent in Schweden, je 11 Prozent in Frankreich und Italien, 7 Prozent in Ungarn, 6 Prozent in Großbritannien, 5 Prozent in Österreich, je 4 Prozent in den Niederlanden und Belgien sowie 3 Prozent in Dänemark.

Das bedeutet aber auch, dass nur zehn von 28 EU-Ländern eine nennenswerte Anzahl von Asylbewerbern aufnimmt. Flächenmäßig große Staaten wie Polen, Finnland, Spanien, Rumänien oder Bulgarien bleiben dagegen außen vor. Die meisten Anträge pro einer Million Einwohner wurden in Ungarn (3322), Schweden (1184), Österreich (1141) und Deutschland (905) gestellt. In absoluten Zahlen lag bei den Asylanträgen in den ersten drei Monaten Deutschland (73.120) mit weitem Abstand vor Ungarn (32.810), Italien (15.245), Frankreich (14.770), Schweden (11.415) und Österreich (9705).

Neumeyer begrüßt Maßnahmen

Der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, begrüßte die Haltung der Staatsregierung, Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten getrennt zu erfassen und ihre Anträge schnell und grenznah zu bearbeiten. Gleichzeitig müssten den Menschen aus den Ländern des Westbalkans aber Perspektiven eröffnet werden, auf dem europäischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und damit auch zur Entwicklung in ihren jeweiligen Herkunftsländer beitragen zu können. „Wir sind uns alle einig, dass die allermeisten Asylbewerber vom Westbalkan keine Aussicht auf eine Bewilligung ihres Asylantrages haben“, so Neumeyer.

Sie würden in ihren Heimatländern, die größtenteils sogar EU-Beitrittskandidaten sind, nicht verfolgt. „Die Motivation der Menschen in dieser Region ist verständlich. Sie sind frustriert von Korruption, Klientelismus und Misswirtschaft und wollen im Grunde nur der Armut und Perspektivlosigkeit ihrer Heimat entfliehen. Vor allem suchen die Migranten aus dieser Region Arbeit und ein geregeltes Einkommen. In einigen Fällen geht es auch um eine adäquate medizinische Versorgung von Angehörigen, die in ihrer Heimat häufig unerschwinglich ist.“ Neumeyer erinnert in diesem Zusammenhang an die Anwerbeabkommen mit dem ehemaligen Jugoslawien in den sechziger Jahren. „Das hat vielen Menschen die Chance gegeben, hier zu arbeiten und mit ihren Überweisungen in die Heimat auch zu deren Entwicklung beigetragen. Ein ähnliches Modell könnte womöglich auch jetzt die Lösung sein und den Migrationsdruck aus den Ländern des Westbalkans entschärfen und den weiterhin in verschiedenen Berufsfeldern in Deutschland drohenden Fachkräftemangel abmildern.“

Die Leute werden Mittel und Wege finden, um herzukommen.

Martin Neumeyer, Integrationsbeauftragter

Ein Zwischenschritt zu einer auf die heutige Zeit maßgeschneiderten Einbeziehung des Westbalkans in die Freizügigkeit auf dem europäischen Arbeitsmarkt könnte laut Neumeyer ein erweitertes Stipendienprogramm der Deutschen Wirtschaft nach dem Vorbild des jüngsten Abkommens mit der Ukraine sein. Letztlich könne man den Zustrom von Migranten aus ärmeren Ländern in wohlhabendere Nachbarländer ohnehin nie wirklich unterbinden. Das beweise das Beispiel der stark gesicherten US-mexikanischen Grenze, an der ein ähnliches Wohlstandsgefälle herrsche wie zwischen der EU und den sechs Westbalkanstaaten. „Die Leute werden Mittel und Wege finden, um herzukommen. Man sollte die Menschen nicht zwingen, mit dem Asylrecht ein Recht einzufordern, dass ihnen nicht zusteht – und es so gegenüber wirklich Asylsuchenden etwa aus Kriegsgebieten untergraben.“ Für den Integrationsbeauftragten bedarf es daher klarer Regelungen, um Migration vom Westbalkan nachhaltig und fair zu gestalten. „Von Bihac aus ist es näher nach München als von hier nach Hamburg. Zudem verfügen viele Bosnier und Kosovaren als ehemalige Kriegsflüchtlinge über gute Deutschkenntnisse und Integrationserfahrung. Unabhängig davon bin ich überzeugt, dass viele Menschen ihre Heimat gar nicht dauerhaft verlassen wollen, sondern einfach hier eine Chance suchen, ihre Lebensperspektiven mit harter Arbeit zu verbessern. Und diese Chance haben die Menschen auch verdient, denn sie sind genauso ein Teil Europas wie wir.“

Müller will EU-Balkangipfel

Mit deutlichen Worten hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller die Flüchtlingspolitik der EU kritisiert. Brüssel habe keine ausreichenden Antworten auf die Krise, sagte Müller im Bayerischen Rundfunk. Um den Flüchtlingsstrom einzudämmen, schlug der CSU-Minister ein humanitäres Notprogramm für die Nachbarstaaten Syriens vor. Dazu stünden mehr als 10 Milliarden Euro aus bestehenden Töpfen zur Verfügung, die aktuell nach dem Gießkannenprinzip verteilt würden. Daneben sieht Müller aber auch die afrikanischen Länder in der Pflicht, den Exodus aus ihren Ländern zu stoppen. Ein Balkangipfel soll nach den Vorstellungen des Ministers helfen, die Zuwanderung aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo einzudämmen.