Der Verfassungsschutz beobachtet Extremisten jeder Couleur. (Bild: Fotolia/Nolight; Montage: avd)
Verfassungsschutzbericht

Null Toleranz für Extremisten

Im Halbjahresbericht des Verfassungsschutzes warnte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann davor, dass Islamistische Propaganda im Internet und Cyberangriffe zunehmen würden. Er stellte dazu eine neue Beratungsstelle gegen Salafismus vor. Außerdem warnte er, Rechtsextremisten setzten auf den Aufbau von Parteistrukturen und verstärkte Präsenz in der Öffentlichkeit.

Ein Schwerpunkt der Bilanz war der Blick auf die Szene der Islamisten in Bayern. Der Innenminister warnte insbesondere vor der Gefahr zunehmender Internetpropaganda von Islamisten: „Sie nutzen alle Möglichkeiten des Internets für Propaganda und Missionierungen, insbesondere gehen sie massiv in die sozialen Netzwerke.“ Dagegen setzt Herrmann auf verstärkte Präventionsarbeit und Deradikalisierung.

Aus Bayern sind schon insgesamt mehr als 65 Personen in Richtung Syrien beziehungsweise Irak ausgereist oder beabsichtigen dies.

Joachim Hermann

Eine neue Beratungsstelle soll Angehörige unterstützen und Ausstiegshilfen für radikalisierte Islamisten anbieten. Als erschreckend bezeichnete Herrmann den nicht abreißenden Nachschub an todes- und tötungswilligen Jihadisten: „Aus Bayern sind schon insgesamt mehr als 65 Personen in Richtung Syrien beziehungsweise Irak ausgereist oder beabsichtigen dies. Aktuell halten sich dort 22 bayerische Islamisten auf.“ Bundesweit ist gar von mehr als 720 Islamisten auszugehen, die den Jihad vor Ort in verschiedenster Weise unterstützen: „Das ist innerhalb von zwei Jahren mehr als eine Verzehnfachung.“ Das salafistische Netzwerk „Die wahre Religion“ und ihr Koran-Verteilungs-Projekt „Lies“ dienten weiterhin der Anwerbung von Salafisten. Laut Herrmann verlagere sich der Jihad zunehmend auch in die virtuelle Welt. So versuche der Islamische Staat eine jihadistische „Cyber-Armee“ aufzubauen und suche dazu verstärkt nach IT-Spezialisten. Dabei sollen Computernetzwerke und Webseiten gezielt gekapert und verändert werden. Herrmann appellierte in diesem Zusammenhang auch an alle bayerischen Unternehmen, die Sicherheit ihrer IT-Strukturen zu prüfen. Bei Beratungsbedarf stehe das Cyber-Allianz-Zentrum am Landesamt für Verfassungsschutz als kompetenter Berater zur Verfügung.

Neue Beratungsstelle

Der Innenminister setzt auch auf verstärkte Präventionsarbeit. Nach einem Beschluss des Ministerrates vom 28. Juli 2015 werde eine zentrale Stelle eingerichtet, die Angehörige radikalisierungsgefährdeter Personen unterstütze. Die Beratungsstelle, die von einem zivilgesellschaftlichen Träger betrieben werden soll, werde auch Ausstiegshilfen für bereits radikalisierte Personen anbieten. Für die zentrale Beratungsstelle stehen jährlich rund 400.000 Euro aus dem Polizeihaushalt zur Verfügung. Als Ansprechpartner für diese Beratungsstelle fungiere das Kompetenz­zentrum gegen Salafismus, das beim Bayerischen Landeskriminalamt neu geschaffen werde. Eine interministerielle Arbeitsgruppe ist mit der Umsetzung weiterer Maßnahmen beauftragt.

Rechtsextreme wollen neue Partei aufbauen

Die rechte Szene versucht nach Ministeriumsangaben derzeit, eine Parteistruktur aufzubauen. Dafür sei sie vermehrt in der Öffentlichkeit präsent und kapere Bürgerbewegungen wie die islamfeindliche Bewegung Pegida. „Im ersten Halbjahr 2015 hat die rechtsextremistische Szene den Aufbau von Parteistrukturen in Bayern fortgesetzt. Sie erhofft sich gerade durch das Parteienprivileg stärker gegen staatliche Maßnahmen geschützt zu sein.“ Die Partei ‚DIE RECHTE‘ mit derzeit rund 40 Mitgliedern im Landesverband Bayern hat seit April 2014 drei weitere Kreisverbände in Nürnberg, Bamberg und Rosenheim gegründet. Sie versucht durch Kundgebungen, provokative Demonstrationen und Einträgen auf Facebookprofilen verstärkt Präsenz zu zeigen: „Anfang Februar schockierten etwa Aktivisten des Kreisverbandes München vor dem Perlacher Einkaufszentrum Passanten mit einer Scheinhinrichtung nach dem Vorbild der Propagandavideos des Islamischen Staates“, berichtete Herrmann. Ängste und Vorbehalte gegen Bürger muslimischen Glaubens dienten dabei als Türöffner für die eigene Ideologie. In Konkurrenz dazu stehe die Partei ‚Der Dritte Weg‘. Sie verfüge in Bayern über sechs Stützpunkte. ‚Der Dritte Weg‘ ist vor allem bei öffentlichen Veranstaltungen präsent, beispielsweise dem Gedenkmarsch anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg in Wunsiedel am 14. Februar 2015 mit circa 100 Rechtsextremisten.

Unterkünfte von Asylbewerbern im Fokus der Neonazis

Der Innenminister zeigte sich auch besorgt über die Zunahme ausländer- und asylbewerberfeindlicher Agitation der rechtsextremistischen Szene. Insbesondere die Unterkünfte von Asylbewerbern stehen im Fokus der Rechtsextremisten. Hier gilt insgesamt das Motto: „Null Toleranz für Extremisten.“

Sie setzen mit ihrer Hetze dort an, wo Asylbewerberunterkünfte in Planung beziehungsweise in Bau oder bereits eingerichtet sind.

Joachim Herrmann

Schwerpunkte der Rechtsextremisten sind nach den Worten Herrmanns die Agitation gegen Asylbewerber und gegen Muslime: „Sie setzen mit ihrer Hetze dort an, wo Asylbewerberunterkünfte in Planung beziehungsweise in Bau oder bereits eingerichtet sind.“ Mit Flugblattaktionen oder Informationsveranstaltungen von Gemeinden und Parteien versuchen Aktivisten gezielt, ein Klima der Ablehnung und Verunsicherung zu erzeugen. Ihre Hauptschlagworte sind dabei: Drohende Überfremdung und Steigerung der Kriminalität durch Asylbewerber. ‚Der Dritte Weg‘ stellt auf seiner Internetseite sogar einen Leitfaden gegen Asylbewerberunterkünfte mit Hinweisen der Organisation des Protests sowie juristischen Fragestellungen zur Verfügung. Um eine größere Akzeptanz ihrer extremistischen Ideologie zu erreichen, setzen Rechtsextremisten zunehmend sowohl auf die Infiltration bürgerlicher Bewegungen als auch auf die Bildung eigener Plattformen wie der ‚Nügida‘, Nürnberg gegen Islamisierung des Abendlandes.

Linksextremisten in Bayern ohne Chance

Erfreut zeigte sich Herrmann darüber, dass es der gewaltbereiten linksextremistischen Szene dank des umfassenden Sicherheitskonzeptes nicht gelungen sei, größere gewalttätige Aktionen durchzuführen: „Mit insgesamt bis zu 3.600 Personen, darunter bis zu 700 gewaltorientierten Linksextremisten aus dem In- und Ausland bei der Großdemonstration am 6. Juni 2015 in Garmisch-Partenkirchen, blieb die tatsächliche Mobilisierung hinter den Erwartungen des Aktionsbündnisses ‚Stopp G7-Elmau‘ deutlich zurück.“

Herrmann zog abschließend das Fazit:

So unterschiedlich die Ideologien von Extremisten sind, so verbindet sie die Ablehnung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Strategien und Taktiken werden voneinander übernommen. Ideologische Gegensätze spielen dabei keine Rolle.