Die Zahl der Empfänger von Asylbewerberregelleistungen steigt seit einigen Jahren stetig an und lag Ende 2014 bei 45.396 Empfängern. Grafik: Bayerisches Landesamt für Statistik
Asylbewerber

Mehr als je zuvor

Die Zahl der Asylbewerber ist auf einem Rekordwert angelangt. Auch die Zahl der Empfänger von Asylbewerberregelleistungen hat sich seit 2010 mehr als vervierfacht. In München ist wieder eine Aufnahmeeinrichtung hoffnungslos überfüllt und ein Wissenschaftler will die Ursache für die mehr als 240.000 nicht bearbeiteten Aslyanträge herausgefunden haben.

Im Juli sind so viele Asylbewerber nach Deutschland gelangt wie noch nie zuvor in einem Monat. Derzeit kämen sehr viele Asylbewerber aus den Kriegs- und Krisenregionen in Syrien, im Irak und in Afghanistan, sagte der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt. Er sprach von einem „Allzeitrekord“. Mit 79.000 Menschen habe es im Juli „den höchsten Zugang aller Zeiten“ gegeben, betonte auch Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU). Ende August will das Bundesamt seine Prognose für 2015 aktualisieren. Bisher rechnet Schmidt in diesem Jahr mit 450.000 Asylbewerbern.Erste Priorität für den BAMF-Chef hat die beschleunigte „Rückführung“ von Aylbewerbern aus Südosteuropa, möglichst innerhalb von vier bis sechs Wochen nach der Ankunft. „Wir werden uns im ersten Schritt auf Albanien konzentrieren“, so Schmidt. Innerhalb weniger Wochen habe es „über 30.000 Zugänge allein aus Albanien mit einer Schutzquote von nur 0,1 Prozent“ gegeben. Momentan seien 209.000 Asylanträge in Bearbeitung, sagte Schmidt. Davon seien 94.000 vom Balkan und 40.000 aus Syrien.

Leistungsempfänger vervierfacht

Die Zahl der Empfänger von Asylbewerberregelleistungen hat sich seit 2010 mehr als vervierfacht. Die größte Gruppe mit fast 20 000 Empfängern – kam aus Asien. Am Jahresende 2014 wurden in Bayern insgesamt 45.396 Empfänger von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gezählt. Verglichen mit 10.724 Empfängern am Jahresende 2010 bedeutet dies ein Plus von deutlich mehr als 300 Prozent. Die Zahl der Empfänger von Asylbewerberregelleistungen steigt seit einigen Jahren stetig an und lag Ende 2014 bei 45.396 Empfängern.

Von den Regelleistungsempfängern waren zwei Drittel (30.328) männlich und ein Drittel (15.068) war weiblich. Betrachtet man die Herkunftsregionen, zeigt sich, dass die größte Gruppe aus Asien kam, mit 19.207 Personen, gefolgt von 12.197 Personen aus Europa und 11.984 aus Afrika. Vom amerikanischen Kontinent kamen 184 Personen, Australien/Ozeanien als Herkunftsregion wurde in Bayern nicht angegeben. Daneben erhielten 1824 Personen Regelleistungen mit sonstiger Staatsangehörigkeit, ohne beziehungsweise ungeklärter Staatsangehörigkeit beziehungsweise ohne Angabe.

Die Grafiken zeigen, dass der Personenkreis mit sonstiger Staatsangehörigkeit, ohne beziehungsweise ungeklärter Staatsangehörigkeit beziehungsweise ohne Angabe die höchste Zuwachsrate hat, gefolgt von Regelleistungsempfängern aus Europa und Afrika.

Außerdem wurden im Laufe des Jahres 2014 in 13.790 Fällen ausschließlich besondere Leistungen gewährt. Hier handelt es sich um spezielle Bedarfssituationen wie beispielsweise Krankheit, Schwangerschaft oder Geburt. 2010 wurden diesbezüglich 3586 Fälle gezählt. Die Ausgaben für Leistungen an Asylbewerber betrugen im Jahr 2014 brutto 449 Millionen Euro, netto 438 Millionen. Gegenüber 2010 mit Bruttoausgaben von 85 Millionen und Nettoausgaben von 83 Millionen Euro. Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik waren nach Kontinent die häufigsten Herkunftsländer (1000 Empfänger oder mehr am Jahresende 2014) wie folgt:

München: Unterkunft überfüllt

Wegen hoffnungsloser Überfüllung eines zentralen Ankunftszentrums für Flüchtlinge im Euro-Industriepark im Münchner Norden hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Donnerstagabend Alarm geschlagen und die Regierung von Oberbayern um Hilfe gebeten. Daraufhin wurden Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und verschiedene Hilfsorganisationen in Marsch gesetzt, um Zelte aufzustellen. 170 Helfer errichteten daraufhin Zelte für die Flüchtlinge und kümmerten sich um deren Versorgung. In dem neuen Ankunftszentrum werden Flüchtlinge registriert, medizinisch untersucht und dann von dort weitergeleitet. Eine Sprecherin Reiters berichtete, in den letzten 24 Stunden vor dem Alarm seien mehr als 700 Flüchtlinge angekommen. Ausgelegt ist die Einrichtung aber nur für 350 Flüchtlinge binnen 24 Stunden. Die Kapazitäten zur Registrierung der Flüchtlinge waren deshalb völlig ausgeschöpft und die Einrichtung wurde während des Tages geschlossen. Im Durchschnitt der vergangenen Tage seien 600 Flüchtlinge angekommen, sagte eine Sprecherin der Regierung von Oberbayern. Der Zustrom von Flüchtlingen in die bayerische Landeshauptstadt hielt aber auch in der Nacht an. Weitere 500 Flüchtlinge wurden von verschiedenen Polizeibehörden in das bereits überfüllte Aufnahmezentrum im Münchner Norden gebracht. Zudem gibt es nach Meldungen des BR Engpässe bei der Registrierung der Flüchtlinge, weil das bundesweite Meldesystem nur bis 20.00 Uhr abends tatsächlich benutzt werden könne.

Die Ursachen für immer mehr unbearbeitete Asylanträge

Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland steigt seit vielen Monaten rapide. Im ersten Halbjahr stellten fast 180.000 Menschen einen Asylantrag. Bis zum Jahresende werden mindestens 450.000 Anträge erwartet. Das Bundesamt, das alle Asylgesuche bearbeitet, wird damit kaum noch fertig. Bis Ende Juni lagen deshalb fast 240.000 unbearbeitete Anträge vor. Das sind doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. „In der Bundesrepublik gibt es so viele unerledigte Anträge wie in allen anderen EU-Ländern zusammen“, sagte der Migrationsforscher Dietrich Thränhardt. Grund für den enormen Stau sind seiner Ansicht nach ineffiziente Strukturen im deutschen Asylsystem. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schiebe eine immense Bugwelle unerledigter Anträge vor sich her, sagte Thränhardt der Presseagentur dpa in Berlin. Im europäischen Vergleich liege Deutschland hier weit an der Spitze, und eine Besserung sei nicht in Sicht. Neben dem schon hinlänglich bekannten Mangel an „Entscheidern“ in der Behörde sieht Thränhardt vor allem den großen Verwaltungsaufwand für sogenannte Widerrufsprüfungen und „Dublin“-Fälle als Ursache. In einem Gutachten fordert er eine Reform des Asylverfahrens.

Dublin-Fälle und Widerrufs-Prüfverfahren belasten Behörde

Der Berg wächst laut Thränhardt seit 2008 ununterbrochen an. Dieses Problem habe seinen Ursprung also vor dem rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen. In einem Gutachten für die Informationsplattform Mediendienst Integration, das am Freitag veröffentlicht werden sollte und der dpa vorab vorlag, nennt der Wissenschaftler andere Gründe für diese Entwicklung. Sehr viel Aufwand für das Bundesamt verursachen demnach die Widerrufs-Prüfverfahren: Hat ein Asylantrag Erfolg, bekommen die Betroffenen eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu drei Jahre. Danach muss das Bundesamt überprüfen und entscheiden, ob der Asylstatus erhalten bleibt – oder eben widerrufen wird. Dies Vorgehen gebe es nur in Deutschland, erklärte Thränhardt. Der Nutzen sei jedoch fraglich, weil es nur in den wenigsten Fällen zum Widerruf des Flüchtlingsstatus komme. Im vergangenen Jahr habe die Behörde rund 16.000 solche Verfahren eingeleitet, von denen weniger als fünf Prozent zum Widerruf geführt hätten. Eine weitere Belastung für die Behörde seien die sogenannten Dublin-Fälle. Viele Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, sind über einen anderen EU-Staat nach Europa eingereist und müssen laut Dublin-Verordnung eigentlich dorthin zurück. Im vergangenen Jahr traf das auf etwa jeden fünften Asyl-Erstantrag zu. Nur in 14 Prozent der Fälle wurden Asylbewerber aber tatsächlich in ein anderes Land überstellt. Zum Teil gehen andere Staaten schlicht nicht auf solche „Übernahmeersuchen“ ein. Auch hier stelle sich die Frage, ob die Ergebnisse den Aufwand rechtfertigten, sagte Thränhardt. 45 der 560 „Entscheider“ beim Bundesamt seien ausschließlich mit Dublin-Fällen beschäftigt. Der Migrationsforscher plädierte dafür, die Widerrufs-Prüfverfahren komplett abzuschaffen und die Dublin-Fälle nicht mehr vorrangig als solche zu behandeln. Außerdem brauche die Behörde dringend mehr Personal – dies fordern seit langem die CSU und auch die Kommunen. Thränhardt hält dort etwa 2000 Entscheider für nötig. Derzeit hat das Amt gut 2800 Mitarbeiter, davon aber nur 560, die am Ende über Asylanträge entscheiden. Die Bundesregierung hat der Behörde bis zu 2000 Stellen zusätzlich versprochen. Die Einstellung und Ausbildung von Entscheidern braucht aber Zeit.