Kretschmann kommt in der Realität an
Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ist überfordert: Längst stößt auch das „Ländle“ durch den Asylbewerber-Ansturm an die Belastungsgrenze. Nun fordert sogar der grüne Ministerpräsident Kretschmann schnellere Abschiebungen abgelehnter Wirtschafts-Migranten und die Festlegung weiterer sicherer Herkunftsländer – wie die CSU. Das alles hätte er allerdings schon früher wissen können.
Asylmissbrauch

Kretschmann kommt in der Realität an

Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ist überfordert: Längst stößt auch das „Ländle“ durch den Asylbewerber-Ansturm an die Belastungsgrenze. Nun fordert sogar der grüne Ministerpräsident Kretschmann schnellere Abschiebungen abgelehnter Wirtschafts-Migranten und die Festlegung weiterer sicherer Herkunftsländer – wie die CSU. Das alles hätte er allerdings schon früher wissen können.

Aktualisiert am 29. Juli 2015, 13:40 Uhr

Es hat einige Jahre gedauert, in denen sich die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg in ihrer gutmenschlichen „Flüchtlinge willkommen“-Rhetorik sonnte und von grenzenloser Zuwanderung träumte. So forderte Grün-Rot eine unrealistische Erhöhung der Mindest-Wohnflächen für Asylbewerber von 4,5 auf 7 Quadratmeter und setzte noch 2014 den Vorrang von Geldzahlungen vor dem Sachleistungsprinzip durch, was zu einem weiteren Anstieg bei den Wirtschafts-Migranten führte. Die Asylpolitik im Ländle oblag bisher der offensichtlich überforderten „Integrationsministerin“ Bilkay Öney (SPD), die sich vor allem als Multikulti-Ministerin versteht und ihre Augen vor den realen Problemen zu verschließen pflegt, wie viele Kritiker meinen.

Es ist eher drei vor zwölf als fünf vor zwölf.

Joachim Walter, Präsident des baden-württembergischen Landkreistags

Doch angesichts dramatischer Zustände in vielen Kommunen und einer anstehenden Landtagswahl im März 2016 dreht sich auch im Südwesten der Wind. Nach 25.000 Asylbewerbern, die das Land im Jahr 2014 aufnehmen musste, rechnet man heuer mit rund 80.000 Asylbewerbern. Außerdem wurden allein im Ländle seit Jahresbeginn 4500 illegal Einreisende aufgegriffen. Mit einem dramatischen Appell schlugen die baden-württembergischen Kommunen Alarm. „Es ist eher drei vor zwölf als fünf vor zwölf“, sagte der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter (CDU). Damit sprach er auch seinen Kommunalpolitiker-Kollegen aus den anderen Parteien aus dem Herzen. Walter befürchtete auch, dass die bisher freundliche Stimmung in der Bevölkerung zu kippen drohe.

Taschengeld kürzen, rascher abschieben

Bei einem erneuten „Flüchtlingsgipfel“ im Stuttgarter Schloss forderte nun sogar der grüne Ministerpräsident Kretschmann, dass abgelehnte Asylbewerber, vor allem Wirtschafts-Migranten vom Balkan, konsequenter abgeschoben werden müssten. Außerdem zeigte er sich offen für die seit Jahren von der Union erhobene Forderung, nach Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien nun auch das Kosovo, Albanien und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, so dass Anträge aus diesen Ländern rascher erledigt werden können. Folgende Maßnahmen und Forderungen beschloss der Stuttgarter „Flüchtlingsgipfel“ im Einzelnen:

  • TASK FORCE: Staats-, Innen-, Integrations- sowie das Wirtschafts- und Finanzministerium sollen in einer gemeinsamen Lenkungsgruppe in allen Fragen zur Flüchtlingsproblematik zusammenarbeiten.
  • ABSCHIEBUNGEN: Abgelehnte Asylbewerber sollen in frühen und gezielten Beratungen stärker zu einer freiwilligen Rückkehr bewegt werden. Entziehen sich abgelehnte Asylbewerber einer Abschiebung, können Leistungskürzungen – etwa die Kürzung des Taschengeldes – und Beschäftigungsverbote folgen.
  • MINDESTWOHNFLÄCHE: Die zum Jahresbeginn 2016 von Grün-Rot beschlossene Ausdehnung der Mindestwohnfläche für Flüchtlinge von 4,5 auf 7 Quadratmeter wird zunächst für zwei Jahre ausgesetzt.
  • ERSTAUFNAHME: Baden-Württemberg will die Zahl der Plätze in den Landes-Erstaufnahme-Einrichtungen (Lea) von rund 9000 auf 20.000 im Laufe des Jahres 2016 erhöhen. Flüchtlinge ohne Aussicht auf ein Bleiberecht sollen möglichst nicht auf die Kommunen verteilt, sondern schon aus der Lea heraus abgeschoben werden. Flüchtlinge mit guten Chancen auf ein Bleiberecht sollen schneller in die Stadt- und Landkreise verteilt werden.
  • SYRISCHE FLÜCHTLINGE: Das Land will darauf hinarbeiten, dass syrische Bürgerkriegsflüchtlinge gar nicht erst in die Lea kommen, sondern umgehend in die Kommunen verteilt werden. Das Land will beim Bund erwirken, dass Syrer kein Asylverfahren durchlaufen müssen.
  • WOHNRAUMFÖRDERUNG: Für das kommende Jahr stellt das Land mindestens 30 Millionen Euro zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge in den Kommunen zur Verfügung.
  • ARBEITSMARKT: Die Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge sollen ausgeweitet und Integrationsmaßnahmen gestärkt werden. Das Land fordert den Bund auf, für Flüchtlinge vom Westbalkan legale Zugangsmöglichkeiten zum deutschen Arbeitsmarkt zu schaffen.

„Grün-Rot im Südwesten verabschiedet sich in der Flüchtlingspolitik von Wunschdenken – wie dem Anspruch auf mehr Wohnraum für Asylbewerber. Und fügt sich mit der Task Force Flüchtlingshilfe den Ratschlägen der Praktiker. Das ist gut und richtig so. Man hatte zu lange die Dynamik der Entwicklung unterschätzt“, kommentiert der Schwarzwälder Bote.

Kretschmann hat Öney faktisch entmachtet

Ohne es an die große Glocke zu hängen, hat Kretschmann durch die Einrichtung der „Task Force“ die Ministerin Öney de facto entmachtet. Diese hatte zuvor unter anderem mit ungeschickten Aussagen den geballten Zorn der Bürger von Heidelberg auf sich gezogen. Öneys Ministerium schickte knapp 3000 Asylbewerber in einer ehemaligen Heidelberger US-Kaserne, zuvor waren lediglich 1000 geplant gewesen. Die Proteste der Bevölkerung kamen auf, nachdem die Unterkunft wegen Infektionen geschlossen werden musste. Außerdem waren Schlägereien und Krawalle an der Tagesordnung. Die Nachbarn klagten über Lärm, Kriminalität und Belästigung von Frauen.

Kritiker pauschal unter Rassismusverdacht zu stellen, zeigt nur: Da hat jemand seinen Beruf verfehlt.

Rhein-Neckar-Zeitung

Als diese sich bei einer Podiumsdiskussion über die Missstände im Stadtteil Kirchheim beschwerten, warf Öney ihnen flapsig vor, sie seien wohl noch nicht hinreichend an Fremde gewöhnt. Und das ausgerechnet den Heidelbergern, die seit Jahrzehnten Massentourismus aus allen Erdteilen bewältigen und durch die starke US-Präsenz ebenfalls viele Jahre lang umfassende Erfahrungen mit Menschen verschiedener Hautfarben sammeln durften. Mit diesem Spruch, für den sie starke Proteste, Buhrufe und Pfiffe erhielt, outete sie sich nach Auffassung der Anwesenden lediglich selbst als naiv und unerfahren. „Fragesteller und Kritiker pauschal unter Rassismusverdacht zu stellen, zeigt nur: Da hat jemand seinen Beruf verfehlt“, lautet das vernichtende Urteil der Rhein-Neckar-Zeitung über Öney.

Auch in vielen anderen Kommunen im Ländle ist die Asylbewerber-Flut zum Riesenproblem geworden. Container und Zelte werden eilig gebaut, zahlreiche Turnhallen, Kasernen und sogar eine Autobahnmeisterei mussten requiriert werden, um die Menschen unterzubringen. Auch Brandanschläge gab es schon, darunter auf eine geplante Unterkunft in Remchingen bei Pforzheim. Rechtsradikale wollen mit solchen Anschlägen Nutzen aus der bereits kippenden Stimmung ziehen.

Ein rechtzeitiger Blick nach Bayern wäre hilfreich gewesen

Wenn Kretschmann nun allerdings in Interviews so tut, als wäre der Ansturm in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar gewesen, dann hätte er vielleicht vor etwa einem Jahr einmal nach Bayern schauen sollen. Da der Freistaat direkt an der Südostgrenze Deutschlands auf den beiden Hauptfluchtrouten liegt, sind hier schon im Spätsommer 2014 die Asylbewerberzahlen massiv angestiegen. Damals war, wie Bayerns Sozialministerin Emilia Müller in dieser Zeit erklärte, eine solche Explosion der Asylbewerberzahlen tatsächlich noch nicht abzusehen. Mit einer Kraftanstrengung und der Ausweisung neuer Erstaufnahmeeinrichtungen schafften es Staatskanzleichef Marcel Huber und Sozialministerin Emilia Müller damals mit einem Krisenstab, die Lage in den Griff zu bekommen. Aber spätestens nach dieser in allen Medien verbreiteten Entwicklung hätten doch auch im Nachbarland des Freistaates die Alarmglocken läuten müssen. Schließlich war und ist auch die Südgrenze Baden-Württembergs ein mögliches Einfallstor für Migranten besonders aus Afrika. Außerdem sind heute die krisenhaften Zuspitzungen durch den IS-Terror in Syrien und im Irak nicht eben neue Themen, ebenso wenig der massenhafte Asylmissbrauch durch Bewohner des Balkans.

Fazit: Erst jetzt holt Kretschmann die Feuerwehr, nachdem er aus Rücksicht auf seine Partei und aus ideologischer Verblendung viel zu lange untätig blieb. Bei der Landtagswahl im kommenden März wird man sehen, was die Bürger von diesem Hin und Her halten.

Grüne gegen Kretschmann

Kretschmann erfährt in der Asylpolitik heftigen Widerstand aus seiner eigenen Partei. Er hatte die Bereitschaft erkennen lassen, Albanien, Montenegro und Kosovo als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, was Abschiebungen beschleunigen könnte. Im Gegenzug forderte er ein umfassendes Einwanderungsgesetz, zusätzliche Finanzhilfen für die Bundesländer und Regelungen, mit denen qualifizierte Fachkräfte vom Westbalkan einen legalen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten könnten. In der Frankfurter Rundschau behauptete die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, an den Fällen Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien habe sich gezeigt, dass das Instrument der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten nicht die gewünschte Wirkung habe. Auch bei den Grünen, die in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Hamburg mitregieren, findet Kretschmann keine Zustimmung, schreibt die Tageszeitung Die Welt. „Wir lehnen das Konstrukt ’sichere Herkunftsstaaten‘ als diskriminierend ab“, sagte der rheinland-pfälzische Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler der Zeitung. Das Asylrecht sei „ein individuelles Menschenrecht“ und könne „nicht einfach für ganze Gruppen abgeschafft werden“. Was unsinnig ist, denn von einer Abschaffung war nie die Rede, nur von einem verkürzten Verfahren. Auch die beiden NRW-Landesvorsitzenden Sven Lehmann und Mona Neubaur lehnten mit einer falschen Begründung ab: „In Deutschland muss jeder Asylbewerber die Chance auf ein faires Verfahren erhalten.“ Dies stand jedoch nie in Frage.

Damit ist eine Asylrechtsänderung chancenlos. Für eine Mehrheit des Bundesrats wären die Stimmen zumindest eines dieser Länder notwendig, da sich die Mehrheitsverhältnisse mittlerweile weiter zugunsten der Grünen verschoben haben.