Asylanträge warten auf Bearbeitung. Bild: Fotolia/stockpics
Asylpolitik

Missbrauch effektiv bekämpfen

CSU-Chef Horst Seehofer forderte erneut von der Bundesregierung, den „massenhaften Asylmissbrauch“ durch Asylbewerber vom Balkan effektiv zu bekämpfen. Außerdem benötigten die Länder wesentlich mehr Geld vom Bund für die Bewältigung des Ansturms von Asylbewerbern. Ähnlich äußern sich die Landesregierungen in NRW und Berlin.

CSU-Parteichef Horst Seehofer hat erneut angekündigt, seine Partei werde „sehr konsequent ein schwerwiegendes Problem angehen und den massenhaften Asylmissbrauch bei Flüchtlingen vom Westbalkan zurückdrängen“. In der Welt am Sonntag sagte der bayerische Ministerpräsident, 40 Prozent der Asylbewerber kämen aus dieser Region – und die Anerkennungsquote liege bei null. Nach den neuesten Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellen die Asylbewerber vom Balkan sogar fast 50 Prozent aller Neuankömmlinge. Daher solle die Bundesregierung die Verfahren weiter beschleunigen und die Wirtschaftsflüchtlinge konsequent zurückführen, bei denen es keinen Schutzgrund gibt. „Das ist notwendig, um in der Bevölkerung die Solidarität gegenüber den wirklich Schutzbedürftigen zu erhalten – und um den Volksverführern den Boden zu entziehen, die mit dem Thema ihr politisches Süppchen kochen wollen“, betonte Seehofer. „Meine Erfahrung sagt mir: Den besten Schutz vor Rechtsradikalismus bietet die Lösung von Problemen, die viele Menschen bewegen.“

Mehr Geld vom Bund

Gleichzeitig forderte der CSU-Chef auch wesentlich mehr Geld vom Bund für Länder und Kommunen, die ja die soziale Last des Massenzustroms zu tragen haben. „Wir brauchen massive zusätzliche Hilfen“, betonte er. „Der Bund muss sich deutlich stärker als bisher beteiligen.“ 2015 fließe eine Milliarde Euro an die Länder, 150 Millionen davon anteilig nach Bayern. „Für die folgenden Jahre wäre mindestens eine Verdoppelung der Mittel geboten. Wir stoßen im Freistaat absolut an unsere Grenzen“, so Seehofer.

Seehofer forderte erneut, der Bund müsse mit zwei klaren Maßnahmen die Asylbewerberflut vom Balkan massiv eindämmen: „Wir müssen weitere Balkanstaaten – Albanien, das Kosovo und Montenegro – zu sicheren Herkunftsländern erklären. Ich bin auch dafür, die Visumpflicht für Menschen vom Balkan wiedereinzuführen. Außerdem sollten wir die Sozialleistungen für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern absenken. Es ist auch nicht einzusehen, dass wir Asylbewerber vom Balkan registrieren, in ganz Deutschland verteilen und dann wieder zusammenführen, um sie in ihre Herkunftsländer zurückzubringen.“

Gebündelte Schnellverfahren für Balkan-Asylbewerber

Außerdem verteidigte Seehofer seinen Vorstoß, die Wirtschaftsmigranten, die aufgrund ihres sicheren Herkunftslandes offensichtlich nicht politisch verfolgt werden, in eigenen Unterkünften zu sammeln und rasch wieder abzuschieben. „Es ist doch logisch, dass man Asylbewerber aus sicheren Staaten in Aufnahmezentren zusammenführt. Das sind auch keine Lager. In diesen Aufnahmezentren sind die zuständigen Behörden versammelt: Ausländerämter, Gesundheitsämter, Gerichte. So kann man Entscheidungen über den Aufenthalt in Tagen und Wochen statt in Wochen und Monaten treffen. Wir müssen unterscheiden zwischen Flüchtlingen mit Schutzbedürfnis und Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive.“ Das sei inzwischen Konsens unter 16 Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin, so Seehofer. „Wir brauchen ein straffes Verfahren, um Asylbewerber, die nicht bleiben können, schnell zurückzuführen. Wir wissen ja gar nicht mehr, wo wir die Menschen unterbringen sollen. Wenn wir die Fehlbeleger zurückführen, haben wir auch wieder mehr Räumlichkeiten. Wenn jetzt Winter wäre, müssten wir zu noch härteren Maßnahmen greifen wie Zuweisungen in öffentliche Einrichtungen. Aber wir werden alles tun, dass das nicht nötig wird.“

Für seine Forderungen erhält Seehofer viel Unterstützung, unter anderem vom Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, und vom Chef des Städtetages von Nordrhein-Westfalen, Peter Jung (CDU). Jung fordert, den Zuzug von Menschen aus den Balkan-Staaten zu stoppen. Diese machen derzeit 50 Prozent aller Asylsuchenden aus, haben aber mit 0,1 Prozent nur sehr geringe Chancen, bleiben zu dürfen. Denn ihre Herkunftsländer gelten nach deutschen Recht als sicher. „Wir müssen über alles offen reden. Den Zuzug wie bisher werden wir auf Dauer nicht durchhalten“, sagte Jung der Rheinischen Post. Als Lösung schlägt er Grenzkontrollen und ebenfalls die Einführung einer Visumpflicht für Menschen aus den Balkan-Staaten vor.

Sechs Milliarden Euro für Asylbewerber allein 2015?

Die Welle von Asylbewerbern, Kriegsflüchtlingen und Wirtschafts-Migranten nach Deutschland wird die Bundesländer 2015 einem Zeitungsbericht zufolge bis zu sechs Milliarden Euro kosten. Die Ausgaben für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung würden sich damit gegenüber 2014 mindestens verdoppeln, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf eine Umfrage unter den Fachministerien der Bundesländer. In diesem Jahr wird mit 450.000 Asylanträgen in Deutschland gerechnet, etwa das Doppelte des Vorjahres.

Auch aus anderen Ländern werden daher Forderungen nach einer stärkeren finanziellen Unterstützung durch den Bund lauter: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verlangte angesichts der immer stärker wachsenden Flüchtlingszahl, der Bund solle Unterstützung pro Kopf zahlen und nicht wie bisher eine Pauschalsumme. Damit könne der tatsächlichen Entwicklung besser Rechnung getragen werden, sagte er in der ARD. Wenn die Zahlen sich nach oben entwickelten, müsse dies auch für die Unterstützung des Bundes gelten.

Nationale Aufgabe

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD), sprach von einer nationalen Aufgabe. Daher müsse der Bund den Kommunen schnell helfen. „Eine Pauschale, die versucht, zumindest die Kosten allgemein abzubilden, ist glaube ich das Beste“, sagte er Reuters TV. Jäger warnte vor der Ansicht, mit einer Einstufung weiter Staaten als sichere Herkunftsländer das Flüchtlingsproblem in den Griff bekommen zu können. Es gebe dann allenfalls eine kleine Beschleunigung des Asylverfahrens. „Wir sollten uns auf solche Kinkerlitzchen nicht konzentrieren, die da im Gespräch sind“, sagte er. Dies zeugt von einer gewissen Realitätsferne.

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf die finanziellen Forderungen der Länder. Der Bund habe bereits eine Milliarde Euro Unterstützung zugesagt, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin. Zudem sei erst Mitte Juni eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern vereinbart worden, die bis zum Herbst Vorschläge zum weiteren Vorgehen vorlegen soll. So kurz nach dem letzten Flüchtlingsgipfel sorgten die neuen Forderungen für Überraschung, so der Sprecher. Der Bund hatte im Juni zugesagt, seine für 2016 geplante Zahlung von 500 Millionen Euro an Länder und Kommunen auf das laufende Jahr vorziehen und damit auf eine Milliarde Euro verdoppeln. Ab 2016 will sich der Bund dauerhaft an den Kosten beteiligen, gekoppelt an die Zahl der Flüchtlinge. Nähere Entscheidungen dazu sollen erst im Herbst fallen.

SPD bietet politischen Handel an

Unterdessen bietet die SPD der Union einen politischen Handel an: Sollte die Union einem Einwanderungsgesetz zustimmen, könnte die SPD bereit sein, weitere Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, sagte Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel in Berlin. Zwischen den Themen gebe es einen Zusammenhang, und sie müssten gemeinsam entschieden werden. Bei einer Einstufung als sicherer Staat können Asylverfahren beschleunigt werden, weil davon ausgegangen wird, dass keine politische Verfolgung droht. In der Union wird gefordert, drei weitere Balkan-Staaten so einzustufen, da viele Flüchtlinge von dort einreisen. Die SPD will mit einem Einwanderungsgesetz mehr Chancen für Menschen jenseits des Asylrechts öffnen. Die CDU hat sich dafür zuletzt ebenfalls offen gezeigt, in der CSU ist der Widerstand dagegen größer.

Die mit der Unterbringung von Asylbewerbern zunehmend überforderten Länder und Kommunen können auf Hilfe der Bundeswehr hoffen. „Die Bundeswehr prüft gerade, in welcher Form sie logistische Unterstützung leisten kann“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Bisher habe man deutschlandweit acht Kasernen mit einer Kapazität für 3500 Menschen bereitgestellt. Sachsen-Anhalts Landesregierung hatte zuvor Zelte, Sanitäter und Versorgungszüge der Bundeswehr als mögliche Form der Unterstützung ins Gespräch gebracht. Die Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen in den Ländern sind zunehmend erschöpft. In Städten wie Dresden und Hamburg, aber auch in kleineren Kommunen werden bereits provisorische Zeltstädte aufgebaut, um überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen zu entlasten.

Viele Länder und Kommunen sind komplett überfordert

„Es gibt derzeit eine internationale Krise, die zu völkerwanderungsähnlichen Zuständen führt“, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) beim Besuch eines Notquartiers in Halberstadt. Zelte oder Duschen für Asylbewerber seien schon jetzt kaum noch erhältlich – und bei weiter steigenden Flüchtlingszahlen werde sich das Problem verschärfen. „Daher halte ich die bisherige Beschränkung von Bundeswehreinsätzen auf das Ausland und einen Katastrophenfall für diskussionswürdig.“ Wegen des starken Flüchtlingsandrangs reichen die 1000 Plätze der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt nicht mehr aus, andernorts sieht es ähnlich aus. Übers Wochenende waren Helfer rund um die Uhr im Dauereinsatz tätig, um Zelte für 600 weitere Plätze aufzustellen.

Auch Brandenburgs Landesregierung, wo jede Woche nur etwa 500 Flüchtlinge ankommen, klagt über Überlastung. „Es ist ein Ausmaß erreicht worden, das dieses System sprengt“, sagte Innenstaatssekretär Matthias Kahl in Eisenhüttenstadt, wo ein zweites Notquartier mit etwa 70 Zelten errichtet wurde. In Baden-Württemberg wissen die Kommunen die Ankommenden ebenfalls kaum noch unterzubringen. Ihr Landkreistagspräsident Joachim Walter (CDU) warnte, die Stimmung in der Bevölkerung drohe demnächst zu kippen. Es sei „drei Minuten vor zwölf“. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) scheint völlig überfordert. Klagen über Lärm, steigende Kriminalität und Belästigung von Frauen geißelte sie ahnungslos als „Überreaktion aus Unerfahrenheit mit Fremden“ – die altbekannte Rassismuskeule sollte mal wieder Kritiker mundtot machen. Was Öney übersah: Die Kritik kam ausgerechnet aus dem Heidelberger „Patrick Henry Village“, eine ehemalige US-Kaserne, wo jahrzehntelang US-Militärs aller Hautfarben lebten. Jetzt muss eine „Task Force“ ran, um Öneys Patzer auszubügeln. Ein Flüchtlingsgipfel der Landesregierung sollte Lösungen finden. Das Wirtschaftsministerium will den Kommunen ein mit 30 Millionen Euro ausgestattetes Wohnraumprogramm vorschlagen. Allein in diesem Jahr rechnet das Land mit mehr als 52.000 Asylbewerbern – gut doppelt so viele wie 2014.

wog/avd/dpa/Reuters

Nach einem Bericht der EU-Kommission über die visumfreie Einreise aus den westlichen Balkanstaaten vom Februar 2015

kommen in Deutschland 75 Prozent aller Asylantragsteller aus dieser Region. Gemeint ist wohl: 75 Prozent aller in Europa registrierten Balkanasylbewerber beantragen in Deutschland Asyl. Wörtlich heißt es: „Deutschland bleibt das Land mit den meisten Asylanträgen aus den visumfreien westlichen Balkanstaaten und erhält einen immer größeren Anteil der Anträge aus diesen Ländern (75 Prozent in den ersten neun Monaten des Jahres 2014 gegenüber 12 Prozent im Jahr 2009).“ In dem Bericht steht auch: „Der Asylmissbrauch durch Staatsangehörige der westlichen Balkanstaaten, die kein Visum benötigen, gibt nach wie vor Anlass zur Sorge.“ Zudem fordert die EU: „Der Missbrauch der visumfreien Einreise in die EU zu Asylzwecken muss jedoch systematisch und mit den geeigneten Mitteln bekämpft werden.“ Die EU empfiehlt neben schnelleren Asylverfahren auch einen „umsichtigeren und selektiveren Einsatz von Geldleistungen wie Taschengeld und finanzieller Rückkehrhilfe zur Vermeidung finanzieller Anreize für den Asylmissbrauch“. Auch eine Verstärkung der Grenzkontrollen unter strenger Einhaltung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger wird angedacht.

http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4482_de.htm

Hier ein Auszug der Kritik einiger rot-grüner Politiker und Journalisten über die fast wortgleichen Äußerungen von Horst Seehofer, die man nun wohl auch der EU vorhalten muss:

Wenn Seehofer heute wieder, wie das die deutsche Politik vor 25 Jahren getan hat, von ‚massenhaftem Asylmissbrauch‘ redet, muss er sich nicht wundern, wenn heute wieder, wie damals, Flüchtlingsunterkünfte brennen.

Heribert Prantl, Mitglied der SZ-Chefredaktion

 

Das sind alles nur Aktionen, um am Stammtisch zu punkten.

Ralf Stegner, SPD-Vize

 

Schrille Töne wie etwa aus Bayern, den Flüchtlingen per se massenhaften Asylmissbrauch zu unterstellen, verschärfen die Debatte dabei in unverantwortlicher Weise.

Heiko Maas, SPD-Bundesjustizminister

 

Dass die CSU auf diese – wie ich finde – billige Tour versucht, Stimmung gegen Flüchtlinge in Deutschland zu machen, finde ich erbärmlich.

Yasmin Fahimi, SPD-Generalsekretärin