Die Belastungsgrenze vieler Kommunen ist erreicht. Die CSU fordert eine andere Asylpolitik. (Bild: Fotolia/cevahir87)
Asylpolitik

„Orientieren wir uns an der Lebenswirklichkeit in diesem Land“

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat den CSU-Kurs in der Asylpolitik verteidigt. In der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause bezeichnete der CSU-Vorsitzende die beiden geplanten Aufnahmezentren für Balkan-Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive erneut als wichtiges Instrument im Kampf gegen Asylmissbrauch.

Dieses Konzept mit weiteren Maßnahmen hat die CSU in einem Dringlichkeitsantrag in die letzte Landtagssitzung vor der Sommerpause eingebracht. Seehofer hob in der Debatte das Ziel hervor, wirklich schutzbedürftigen Flüchtlingen umfassend zu helfen – „koste es, was es wolle“. Er nahm vor allem zu den Aufnahmezentren für Balkan-Flüchtlinge Stellung. Grenznah zu Österreich möchte die Staatsregierung zwei separate Flüchtlingslager einrichten, speziell für Menschen, deren Asylanträge kaum Aussicht auf Erfolg hätten. Dort sollen Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten sowie aus Albanien, dem Kosovo und Montenegro mit nur „geringer Bleibewahrscheinlichkeit“ gebracht werden. In den beiden Einrichtungen sollen alle zuständigen Behörden zusammenarbeiten, um die Verfahren binnen zwei Wochen zu entscheiden und die Abschiebungen unmittelbar vornehmen zu können.

Bevor wir in Leistungskürzungen gehen für die Bevölkerung, die hier lebt, ist es unsere verdammte Pflicht, diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen.

Horst Seehofer

Es gehe aktuell darum, „schutzbedürftigen Asylbewerbern zu helfen, aber Asylmissbrauch zu verhindern“, sagte Seehofer in einer intensiv geführten Plenardebatte. Die Politik stehe in einer doppelten Verantwortung: gegenüber Flüchtlingen, die um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssten und gegenüber der eigenen Bevölkerung, die mit ihren Sorgen und Ängsten ebenfalls ernst genommen werden wolle. „Trotz aller Anstrengungen sind wir an den Grenzen der Leistungsfähigkeit angekommen. Vor allem auch die Kommunen. Dem muss man ins Auge sehen. Zuletzt sind 1231 Flüchtlinge an einem Tag in Bayern angekommen!“ Die Belastungsfähigkeit sei aber vielerorts nicht nur am Limit, sondern schon überschritten. „Auch finanziell sind wir an der Grenze. Wenn wir nicht vernünftige Maßnahmen entgegen setzen, müssen notwendige Leistungen auch bei unserer Bevölkerung gekürzt werden oder neue Schulden aufgenommen werden“, betonte der Ministerpräsident.

Ich bin 40 Jahre in der Politik. Ich habe immer politischen Radikalismus von rechts und links bekämpft. Das leitet mich auch in der Gegenwart. Ich war beim Antrag auf NPD-Verbot einer der führenden Ministerpräsidenten.

Horst Seehofer

Seehofer hatte sich außer der Reihe zur Wort gemeldet. „Wenn es sich bei all diesen Menschen um Schutzbedürftige handeln würde, die wegen ihres Glaubens, ihrer politischen Einstellung um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssten, dann müsste ein reiches Land wie Deutschland und Bayern gleichwohl Hilfen zur Verfügung stellen“, betonte er. „Das ist unsere christliche, unsere humanitäre Verpflichtung.“ Man habe es „in nennenswertem Umfang, gut 40 Prozent“ aber nicht mit Schutzbedürftigen zu tun. Deshalb müsse man handeln, um nicht anderswo sparen zu müssen. „Bevor wir in Leistungskürzungen gehen für die Bevölkerung, die hier lebt, ist es unsere verdammte Pflicht, diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen“, betonte er. „In Bayern gelingt Integration. Wir haben einen höheren Migrantenanteil als Berlin. Integration gelingt durch klaren Kurs bei der Integrationspolitik.“ Er dankte den Hilfsorganisationen, die „enormen Einsatz“ erbracht hätten: „Hut ab vor dieser Leistung.“

Probleme verschweigen ist das Schlechteste, man muss sie differenziert aufgreifen und lösen.

Horst Seehofer

Den üblichen Rassismusvorwürfen aus der linken Ecke entzog Seehofer so den Boden: „Ich bin 40 Jahre in der Politik. Ich habe immer politischen Radikalismus von rechts und links bekämpft. Das leitet mich auch in der Gegenwart. Ich war beim Antrag auf NPD-Verbot einer der führenden Ministerpräsidenten.“ Aber sein Schlüsselerlebnis sei Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre gewesen, als bei der damaligen Flüchtlingswelle der Eindruck entstand, die Politik stehe der Entwicklung ohnmächtig gegenüber. „Probleme verschweigen ist das Schlechteste, man muss sie differenziert aufgreifen und lösen“, erklärte Seehofer und prophezeite: „Ich sage voraus: die bayerischen Maßnahmen werden allgemeiner deutscher Standard werden. Orientieren wir uns an der Lebenswirklichkeit in diesem Land.Der Ministerpräsident bekam nach seiner Rede spontan stehende Ovationen von den CSU-Abgeordneten.

Rot-Grüne Landespolitiker unterstützen zentrale CSU-Forderungen

Bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz wurde der Grundsatz der klaren Unterscheidung zwischen jenen, die Anspruch auf Schutz haben und jenen, die ohne Bleibeperspektive sind, beschlossen – auch von SPD-Ministerpräsidenten. Nun müsse dieser Grundsatz auch Realität werden, betonte der CSU-Chef Seehofer. „Die CSU geht die Probleme differenziert, aber vor allem konsequent an und steuert deshalb mit einem gesamtheitlichen Konzept massiv gegen den massenhaften Asylmissbrauch“, so der Ministerpräsident. So ist aus anderen Bundesländern auch nur wenig Kritik an dem CSU-Konzept zu hören. Im Gegensatz zu ihren Bundespolitikern wissen Landes- und Kommunalpolitiker von SPD und Grünen offenbar viel genauer um die Probleme bei der Unterbringung und Versorgung von Asylpolitikern. So erklärte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sogar bereit, weitere Balkan-Staaten als sichere Drittländer einzustufen. Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil verlangte nun ebenso wie Nordrhein-Westfalens SPD-Innenminister Ralf Jäger, Asylanträge aus Balkanstaaten schneller zu bearbeiten. Der Hamburger Regierungschef Olaf Scholz (SPD) hat Camps für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern für ganz Deutschland angeregt.

Bayerns Grüne fernab der Realität, Freie Wähler für CSU-Kurs

Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause war in der Landtagsdebatte mal wieder fernab der Realität: „Es geht darum, dass wir den gesellschaftlichen Frieden, ein unglaublich hohes Gut, erhalten und nicht mutwillig zerstören.“ Dabei ist genau der gesellschaftliche Friede der Grund, warum die CSU Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten so schnell wie möglich abschieben will – damit die Hilfsbereitschaft der Bürger nicht unter diesem offensichtlichen Asylmissbrauch leidet. „Wollen Sie denn wirklich Sonderzentren für Roma in Deutschland haben?“, fragte Bause weiter. Auch hier liegt sie falsch, da nur ein kleiner Teil der Balkan-Asylbewerber Roma sind.

Freie-Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger unterstützte die CSU. Er sagte, die Staatsregierung müsse handeln, um eine menschenwürdige Unterbringung sicherzustellen und die Aufnahmefähigkeit nicht überzustrapazieren.

Bayerns SPD rudert zum Teil zurück

Die bayerische SPD wurde vermutlich von ihren Kommunalpolitikern von ihrer Totalkritik an dem CSU-Konzept abgebracht. Man sei für schnellere Asylverfahren, räumte jetzt der Fraktionschef der SPD, Markus Rinderspacher, in einem Radio-Interview ein. Die CSU müsse aber nicht nur Forderungen stellen, sondern auch entsprechend handeln. Ex-CSU-Innenminister Friedrich habe nicht dafür gesorgt, dass es mehr Stellen gebe, die für eine schnellere Abwicklung von Asylverfahren notwendig seien. Zum einen war Friedrich aber nicht einmal zwei Jahre Bundesinnenminister – vom März 2011 bis zum Dezember 2013. Und zum anderen war bei Friedrichs Wechsel ins Agrarministerium im Dezember 2013 die Krise auch längst noch nicht so groß, wie sie es jetzt ist. Nur rund 17.600 Asylbewerber kamen 2013 neu nach Bayern, heuer sollen es über 70.000 sein. Rinderspacher forderte außerdem, es müsse zum Beispiel mehr Verwaltungsrichter in Bayern geben. All dies hat die CSU längst erkannt und handelt bereits entsprechend. Während in anderen Ländern, darunter viele SPD-regiert, Richter- und Staatsanwaltsstellen gestrichen werden, hat Bayern allein im Doppelhaushalt 2015/2016 insgesamt 350 neue Justiz-Stellen, darunter 75 Richter und Staatsanwälte, 23 Rechtspfleger und 117 Mitarbeiter im Justizvollzug, eingestellt. Seit Oktober 2013 hat der Landtag 115 Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen. Genaue Bedarfszahlen erwartet sich Justizminister Winfried Bausback aber erst von der derzeit laufenden Erfassung des zukünftigen Richterbedarfs. Vor Anfang 2016 werden diese Eckdaten nicht vorliegen.

Unterstützung aus den Kommunen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hingegen unterstützt den Vorstoß von CSU-Chef Seehofer, Asylbewerber aus Balkanstaaten künftig in eigenen Aufnahmelagern unterzubringen. Auf diese Weise könnten Städte und Gemeinden entlastet werden, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Mittwoch im WDR-Hörfunk. In diesem Jahr seien bereits mehr Menschen aus dem Balkan als aus Syrien nach Deutschland gekommen. Zugleich räumte Landsberg ein, dass mit speziellen Erstaufnahmeeinrichtungen auch Risiken verbunden seien. „Da sitzen dann eine Menge Leute zusammen, die wissen, wir können nicht bleiben – das ist ein gewisser Sprengstoff.“ Allerdings sollen die Flüchtlinge ja maximal zwei Wochen in den Lagern bleiben und zudem soll der Zustrom deutlich reduziert werden durch die Gewissheit, nicht als Flüchtling anerkannt zu werden. So etwas spricht sich in der Regel schnell in den Balkanstaaten herum.

 

Auszüge der Rede von Ministerpräsident Horst Seehofer zum Thema Asyl in der Plenarsitzung des Bayerischen Landtags am 22.7.2015

„Bayern ist ein weltoffenes Land, das gehört zur Geschichte Bayerns. Das zeigt der starke Zuzug. Die Zuwanderer aus dem In- und Ausland haben unser Land bereichert. Bayern ist das einzige Bundesland, das an Einwohnern zunimmt.

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In Bayern gelingt Integration. Wir haben einen höheren Migrantenanteil als Berlin. Integration gelingt durch klaren Kurs bei der Integrationspolitik.

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Wichtig sind bei der Flüchtlingspolitik Humanität und Solidarität. Mein Dank geht an die Hilfsorganisationen, die einen enormen Einsatz erbracht haben. Hut ab vor dieser Leistung!

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Aber trotz aller Anstrengungen sind wir an den Grenzen der Leistungsfähigkeit angekommen. Vor allem auch die Kommunen. Dem muss man ins Auge sehen. Zuletzt sind 1231 Flüchtlinge an einem Tag in Bayern angekommen. Die Belastungsfähigkeit ist nicht nur am Limit, sondern überschritten. Auch finanziell sind wir an der Grenze. Wenn wir nicht vernünftige Maßnahmen entgegen setzen, müssen notwendige Leistungen auch bei unserer Bevölkerung gekürzt werden oder wir müssen neue Schulden machen.

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Bevor wir in Leistungskürzungen gehen für die Bevölkerung, die hier lebt, ist es unsere verdammte Pflicht, diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen. Alle Ministerpräsidenten, inklusive SPD und Grüne, haben auf der Ministerpräsidentenkonferenz den einstimmigen Beschluss gefasst, zu unterscheiden zwischen Zuwanderern mit Schutzbedürfnis und solchen ohne Bleibeperspektive, für die das Asylrecht nicht geeignet ist. Nur so ist die Akzeptanz der Bevölkerung zu erhalten.

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Ich bin 40 Jahre in der Politik, ich habe immer politischen Radikalismus von rechts und links bekämpft. Das leitet mich auch in der Gegenwart. Probleme verschweigen ist das Schlechteste, man muss sie differenziert aufgreifen und lösen. Das ist der beste Schutz gegen Radikalismus.

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Wir haben eine doppelte Verantwortung: Schutz und Fürsorge für Verfolgte sowie die Verantwortung gegenüber der hier lebenden Bevölkerung. Auch sie möchte mit ihren Sorgen und Ängsten ernstgenommen werden. Deshalb müssen wir den Asylmissbrauch verhindern. Ich sage voraus: die bayerischen Maßnahmen werden allgemeiner deutscher Standard werden. Orientieren wir uns an der Lebenswirklichkeit in diesem Land.