Beinahe täglich ist derzeit die Sporthalle auf dem Gelände der Rosenheimer Bundespolizei mit unerlaubt eingereisten Personen gefüllt. Bild: Bundespolizei
Asylpolitik

Schönreden löst keine Probleme

Die Lage spitzt sich zu: Durch die stetig wachsende Flüchtlingswelle gibt es in immer mehr Städten und Gemeinden Probleme mit der Unterbringung der Asylbewerber. Der bayerische Landtag debattierte in einer aktuellen Stunde erneut über die Flüchtlingspolitik. Auf Antrag der CSU lautete das Thema: „Klartext statt Schönreden – in der Asylpolitik jetzt die richtigen Weichen stellen!“

Dabei wurde klar, dass die CSU die einzige Partei ist, die die Probleme des Asylbewerberansturms offen ausspricht und dafür Lösungen sucht. Während sich die Oppositionsparteien wie üblich als Bessermenschen fühlten und darin überboten, wer die CSU am unverschämtesten beschimpfen kann, nannten die CSU-Abgeordneten die Probleme beim Namen. CSU und Staatsregierung wollen im Bund trotz des unverständlichen Widerstandes von Rot-Grün durchsetzen, dass jetzt auch die Balkanländer Kosovo, Montenegro und Albanien zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. „Sie sind schuld, dass so viele Leute aus diesen Gebieten kommen“, warf CSU-Fraktionschef Kreuzer der Opposition daher vor. Vergangenes Jahr seien 200.000 Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Für dieses Jahr rechne er bereits mit 500.000 im Bund und rund 70.000 für Bayern. „Wenn wir nächstes Jahr eine Million haben und in zwei Jahren zwei Millionen, werden wir das im eigenen Land niemals bewältigen können. Wir müssen deshalb diesen Zustrom eindämmen.“, warnte Kreuzer.

Wir müssen in der Tat überlegen, warum so viele Menschen aus wirtschaftlichen Gründen Asyl in Deutschland beantragen, obwohl sie nicht in Leib und Leben bedroht sind.

Thomas Kreuzer

Zwei Drittel der Neuankömmlinge seien „unter keinem Gesichtspunkt berechtigt“ zu bleiben. Dies müsse gestoppt werden.

„Wir müssen in der Tat überlegen, warum so viele Menschen aus wirtschaftlichen Gründen Asyl in Deutschland beantragen, obwohl sie nicht in Leib und Leben bedroht sind. Die Kürzung von Geldleistungen ist dringend geboten. Dafür werden wir uns weiterhin mit Nachdruck einsetzen“, betonte der Fraktionsvorsitzende.

„Kriegsflüchtlingen müssen wir helfen. Aber die stark steigende Zahl von Zuwanderern ohne Schutzbedürfnis muss eingedämmt werden. Die Aufnahmekapazität stößt schon jetzt an Grenzen. Die Integrationskraft unserer Gesellschaft wird überstrapaziert, der soziale Friede und die Innere Sicherheit in unserem Land sind gefährdet und radikalen politischen Kräften wird Vorschub geleistet“, mahnt der Landtagsabgeordnete Otmar Bernhard.

„Viele Behörden und ehrenamtliche Helferkreise sind längst überlastet. Weite Teile der Bevölkerung sind beunruhigt – der ungebremste Zustrom an Flüchtlingen stößt auf immer weniger Akzeptanz“, gab Bernhard zu bedenken. „An mich wurden mehrfach massive Bedenken und Ängste aus der Wohnbevölkerung herangetragen.“ Der Schlüssel zur dauerhaften Lösung des Problems liege auf Bundes- und Europaebene. „Dazu sind weitere Rechtsänderungen notwendig, auch über eine Änderung des Grundgesetzes muss nachgedacht werden“, so Bernhard abschließend.

Forderungen der Fraktion

Die CSU-Landtagsfraktion forderte erneut neben der bereits erfolgten Verstärkung der Schleierfahndung um 500 Beamte in den bayerischen Grenzgebieten zahlreiche Maßnahmen gegen den massenhaften Asylmissbrauch und die Schleuserkriminalität. Insbesondere sollen

  • die Herkunftsstaaten zur Bekämpfung der der Fluchtursachen stärker unterstützt werden,
  • die aus Seenot geretteten Asylsuchenden in neu zu schaffende europäische Asylzentren in Nordafrika zurückgeführt werden, wo dann nach europäischen Standards entsprechendes Prüfverfahren durchzuführen sind,
  • die EU-Schengen-Außengrenzen durch konsequente Einhaltung des Schengen-Grenzkodex gesichert werden,
  • eine quotale Verteilung der in die EU einreisenden Asylbewerber auf alle Mitgliedsstaaten eingeführt werden,
  • Asylverfahren schneller bearbeitet werden,
  • zusätzliche Länder wie Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sowie die Visapflicht für die Staatsangehörigen von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien wieder eingeführt werden.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann machte am Ende der aktuellen Stunde klar: Tätliche Angriffe oder Brandstiftungen auf Asylbewerberunterkünfte, wie der in Vorra und offenbar in Reichertshofen bei Ingolstadt, sind in Bayern indiskutabel. „Es muss eine echte Willkommenskultur geben. Klar ist aber auch, dass die Mehrheit der Flüchtlinge keinen Asylanspruch hat.“ In der vergangenen Woche seien 5075 Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung nach Bayern gekommen, ein „neuer Allzeitrekord“.

Nach dem mutmaßlichen Brandanschlag auf die geplante Asylbewerberunterkunft in Reichertshofen

hat die Polizei laut Innenminister Herrmann noch keine Hinweise auf die Täter. Herrmann verurteilte die Tat als Barbarei: „Solche Taten richten sich nicht nur gegen Asylbewerber und deren sichere Unterbringung. Solche Taten sind ein Angriff auf die rechtstaatliche Gesellschaft. Sie sind feige, hinterhältig und widerwärtig.“

Ein Nebenraum des früheren Landgasthofs brannte völlig aus, das angrenzende Wohnhaus, in dem vom 1. September an 67 Flüchtlinge untergebracht werden sollten, wurde weniger stark beschädigt. Nach Angaben von Landrat Martin Wolf (CSU) bleibt es bei der Flüchtlingsunterbringung: „Das soll ein Signal an die Täter sein.“ Herrmann unterstützte den Landrat: „Wir dürfen vor solchen Tätern nicht kapitulieren, im Gegenteil: Jetzt erst Recht! Wir lassen uns durch solche Taten nicht einschüchtern!“

Bayern muss in den Jahren 2015 und 2016 rund drei Milliarden Euro für Flüchtlinge aufwenden, laut Berichten des „Münchner Merkur“ wird aber bereits über vier Milliarden Euro gesprochen. Bayerns Finanzminister Markus Söder kündigte am Freitag an, den rasanten Anstieg der Asylkosten zu bremsen. Die in Staatsregierung und CSU-Landtagsfraktion diskutierte offizielle Summe von 2,3 Milliarden Euro Gesamtausgaben für Asyl im Nachtragshaushalt 2016 will Söder klar unterschreiten. „Wir werden deutlich niedrigere Zahlen vorlegen“, sagte er. Laut Presseberichten will die Staatsregierung die Standards für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive senken. Die Staatsregierung will die Eckpunkte des Nachtragshaushalts am Montag und Dienstag bei einer Klausur in St. Quirin am Tegernsee festlegen. Erstmals will die Regierung die Asylkosten im Haushalt auch gesondert ausweisen. Bayerns Heimatminister Söder legte im Regensburger Presseclub nach und forderte, das Asylrecht zu verschärfen.

Deutschland lässt sich von Schleppern erpressen und sendet falsche Signale an die Flüchtlinge.

Markus Söder

Der Freistaat befinde sich „fast schon im Katastrophenmodus“. Vor allem in Niederbayern, der Oberpfalz und in Oberbayern sei die Lage dramatisch. Das Asylrecht werde derzeit ein „de-facto-Einwanderungsrecht“. Letztlich würden aber nur bei zwei Prozent der Flüchtlinge Asylgründe anerkannt. Hier bleiben dürften weitere rund 40 Prozent, die geduldet werden. „Deutschland lässt sich von Schleppern erpressen und sendet falsche Signale an die Flüchtlinge“, meinte Söder. Es gehe auch um die Stabilität hierzulande, so Söder. Die hohen Kosten für Asylbewerber dürften nicht in Konkurrenz zu Investitionen für Schulen oder andere notwendige Dinge für die eigene Bevölkerung treten.

Große Probleme in den Kommunen

Durch die stetig wachsende Flüchtlingswelle gibt es in immer mehr Städten und Kommunen Probleme bei der Unterbringung der Asylbewerber. Städte in der Nähe der österreichischen Grenze werden regelrecht von Flüchtlingen überrannt. Zurzeit erreichen beispielsweise täglich bis zu 500 Flüchtlinge per Bahn oder über die Autobahn A3 allein die Stadt Passau – Tendenz steigend. Nicht viel anders ist die Situation in Rosenheim: Bereits im ersten Halbjahr hat die Bundespolizeiinspektion Rosenheim mit rund 11.000 illegalen Grenzübertritten deutlich mehr unerlaubt eingereiste Personen festgestellt als im gesamten letzten Jahr. Dort werden große Flüchtlingsgruppen aus den Zügen aus Italien kommend geholt, beispielsweise 109 Eritreer, Äthiopier, Sudanesen und Somalier nur am 9. Juli. Das sind zusammen fast 20.000 Flüchtlinge im Monat. Auch die gerade eröffnete Erstaufnahme-Einrichtung in Deggendorf ist nach Angaben der Regierung an der Belastungsgrenze angelangt. In Bayern übernimmt – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – der Freistaat zwar die Kosten der Kommunen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge entstehen. Aber ohne Ehrenamtliche könnte es nicht mehr funktionieren.

Die Notfallpläne treten in Kraft

Vielerorts treten die von der Staatsregierung initiierten Winter-Notfallpläne bereits in Kraft, zum Beispiel in der Bayernkaserne, der völlig überlasteten Münchner Erstaufnahmeeinrichtung. In ganz München kommen derzeit rund 400 Asylbewerber täglich an. 760 Menschen wurden nun an die oberbayerischen Außenstellen wie Miesbach, Penzberg oder Bad Tölz umverteilt. Erste Turnhallen wurden bereits umfunktioniert und es scheint für viele Bürger fraglich, ob sie, wie angekündigt, überall bis Schulanfang wieder für den Schulsport einsatzfähig sein werden oder die Sportstunden auf andere Hallen verteilt werden können. Sporthallen beispielsweise in Inning am Ammersee, Kitzingen, Maisach, Pocking, Miesbach, Freising, Schwabach, Eichstätt, Neuburg oder Kelheim hat es schon getroffen.

Dabei kommt es in der angespannten Lage auch schon zu kuriosen Situationen: Schülerinnen sollten sich angemessen kleiden, um „Diskrepanzen“ mit den meist moslemischen Asylbewerbern in der Halle zu vermeiden, warnte der Schulleiter des Wilhelm-Diess-Gymnasiums in Pocking (Landkreis Passau). „Durchsichtige Tops oder Blusen, kurze Shorts oder Miniröcke könnten zu Missverständnissen führen.“ Viele Bürger waren daraufhin empört über diese vorauseilende Selbstaufgabe, auch wenn der Schulleiter zurück ruderte. Am Pockinger Gymnasium gebe es nach wie vor keine Kleiderordnung, so der Rektor. Es sei aber seine Aufgabe, die Schüler dafür zu sensibilisieren, dass zwei Kulturen aufeinander treffen – worin ihm Kultusminister Ludwig Spaenle zustimmte.

Auch die Regierung von Unterfranken hat in Absprache mit dem bayerischen Sozialministerium den sogenannten „Notfallplan Asyl“ aktiviert. Der Notfallplan sieht vor, dass jede Kreisverwaltungsbehörde 200 bis 300 Plätze für die kurzfristige Aufnahme von Asylbewerbern melden muss. Betroffen sind vorerst die Landkreise Würzburg und Main-Spessart. Die Regierung von Unterfranken rechnet damit, dass die Kapazitäten der Erstaufnahme in Schweinfurt und der angegliederten Einrichtungen in den nächsten Tagen erschöpft sein werden. Als Notquartier im Landkreis Main-Spessart ist ebenfalls eine Sporthalle im Gespräch. Aktuell kommen wöchentlich bis zu 200 Asylbewerber aus Zirndorf bei Nürnberg neu nach Unterfranken. Dazu bringt seit dem 13. Juli wochentags ein Bus etwa 50 Asylbewerber zur Entlastung der Aufnahmeeinrichtung in Oberbayern Flüchtlinge in die Region.

Die Polizei ist überlastet

Polizei, Behörden und Helfer geben ihr Bestes und sind trotzdem oft überfordert. Allein in den ersten zehn Julitagen hat die Bundespolizei im südlichen Abschnitt des deutsch-österreichischen Grenzgebiets über 1.800 unerlaubt eingereiste Personen registriert. Mittlerweile melden vermehrt Bürger der Polizei herumirrende ausgesetzte Einwanderer. Jörg Radek, Chef bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), fordert 800 zusätzliche Stellen an der deutsch-österreichischen Grenze.

Täglich wird berichtet von Männern, die dicht an dicht eingepfercht in Kastenwägen über Österreichs Grenzübergänge geschleust werden. Schleuser sind geldgierige Kriminelle. Sie machen zur Risikominimierung auf ihren Fahrten keine Pausen, lassen Kinder sich im Wagen übergeben und in Flaschen urinieren, berichten Polizeibeamte. Und dann setzen sie die Menschen kurz hinter der Grenze einfach im Wald oder gar auf der Autobahn aus.

Aus dem Polizeibericht:

„Am vergangenen Sonntag (12. Juli) schleuste ein tunesischer Staatsangehöriger bei Pocking elf Menschen nach Deutschland ein. Als er kontrolliert werden sollte flüchtete der unter Drogeneinfluss stehende Fahrer. Auf seiner Flucht gefährdete er mehrere Polizeibeamte und auch die Insassen seines Pkw.“

Ein weiterer Fall: „Am 7. Juli gingen ab 8 Uhr bei der Polizei laufend Meldungen über Fußgänger auf der A3 im Bereich des Parkplatzes Konsee auf der A3 zwischen Hengersberg und Deggendorf ein. Die Streife der Verkehrspolizei stellte insgesamt 39 Personen, überwiegend Kinder, fest.“ Ihr Schleuser hatte sie einfach ausgesetzt.

Die Fahrzeuge sind oft gefährlich überfüllt, wie ein weiterer Polizeibericht vom 5. Juli darlegt: „Am Vormittag wurden bei Ruhstorf an der Rott (Kreis Passau) auf der Autobahn A3 zwei ungarische Schleuser festgenommen, die auf der Ladefläche eines Kleintransporters 40 Flüchtlinge aus dem Irak und Afghanistan illegal über die Grenze ins Bundesgebiet brachten.“

Dahinter steckt eine Mafia, die viel Geld damit verdient: 1500 bis 5000 Euro pro Kopf kostet so eine Schleusung nach Deutschland. Bayerns Gefängnisse sind längst voll von Schleusern, ihre Wagen füllen die Polizeiparkplätze. Von Januar bis Juni konnten allein die Bundespolizisten der Rosenheimer Inspektion pro Monat durchschnittlich 60 Schleusern das kriminelle Handwerk legen. Bis Ende Juni hat die Bundespolizei laut eigenen Angaben bereits rund 1500 Schleuser festgesetzt.

Der Problemfall Balkan

Insgesamt werden in Bayern in diesem Jahr bis zu 70.000 Flüchtlinge erwartet, das ist eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Allein im Juni dieses Jahres beantragten knapp 35.500 Menschen Asyl in Deutschland. Vor allem die Flüchtlinge vom Balkan, die mehr als die Hälfte aller Antragsteller ausmachen (der Bayernkurier berichtete), sorgen zunehmend für Unverständnis und Wut in der Bevölkerung. Das sind immerhin alles Staaten, die den Beitritt zur EU beantragt haben oder schon offiziell Beitrittskandidaten sind. Bürgermeister berichten, dass viele Flüchtlinge vom Balkan als erstes die Hälfte ihres Taschengeldes nach Hause überweisen.

Für viele Menschen auf dem Balkan ist dieses Taschengeld ein Anreiz, zu uns zu kommen.

Markus Söder

Auch deshalb forderte Finanzminister Markus Söder kürzlich wieder die Streichung oder Kürzung des monatlichen Taschengeldes in Höhe von 143 Euro zumindest für die Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten, auch wenn das verfassungsrechtlich problematisch ist. „Das ist so viel wie ein Monatslohn in Serbien oder im Kosovo. Für viele Menschen auf dem Balkan ist dieses Taschengeld ein Anreiz, zu uns zu kommen.“ Zuvor hatte sich bereits der Präsident des BAMF, Manfred Schmidt, im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ für Leistungskürzungen bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern ausgesprochen.

Die unbegleiteten Minderjährigen

Nicht nur die Überweisungen empören die Bürger, auch die Höhe der Hilfen. 143 Euro Taschengeld pro Monat, das haben nicht mal alle Rentner hierzulande zur freien Verfügung. Hinzu kommt, dass die Behörden wegen der Fokussierung auf Asylbewerber andere Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können, besonders wegen der unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge. Es werfe Fragen auf, wenn für 32 unbegleitete Flüchtlinge 14 in Vollzeit beschäftigte Sozialarbeiter zur Verfügung stünden, sagte Bürgermeister Christian Mayer aus Hengersberg bei Deggendorf kürzlich der Zeitung „Welt“. Und ob das wirklich aus der Jugendhilfe finanziert werden müsse, denn deren Mittel und Kapazitäten fehlen dann an anderen Stellen, auch für die Einheimischen. Die Kommunen müssen teilweise ihre Haushalte umstrukturieren und freiwillige Leistungen einschränken, damit die Versorgung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sicher gestellt werden kann. Insbesondere Passau stöhnt unter dieser Belastung. Zum Beispiel hat die Stadt Passau laut Bayerischem Städtetag bis Mai 2015 über 600 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Obhut genommen, um die sich zunächst das städtische Jugendamt kümmern soll. Die landesweite Verteilung will der Freistaat durch finanzielle Anreize unterstützen. Bayern hat außerdem laut dem Städtetag zugesagt, nach Einführung der bundesweiten Verteilung die bundesweiten Kosten der Jugendhilfe für in Bayern betreute junge Flüchtlinge zu übernehmen. Im Freistaat kommen besonders viele unbegleitete Jugendliche an, da der Freistaat an den beiden Hauptfluchtrouten liegt. So befanden sich im Juni 2015 über 9200 Minderjährige in der Obhut des Freistaats. Aktuell kommen monatlich weitere bis zu 1200 neue Fälle hinzu. Die besseren Leistungen und Ausbildungsaussichten für minderjährige Asylbewerber haben sich außerdem mittlerweile herumgesprochen: Viele Flüchtlinge geben sich als jünger aus, als sie sind, laut Münchens Sozialreferentin Brigitte Meier bis zu 40 Prozent. Ihr Alter muss mühsam ermittelt werden, oft aber vergeblich.

Auch der bayerische Landkreistagspräsident Christian Bernreiter, Landrat in Deggendorf, rechnet mit einem „explosionsartigen Anstieg“ der Kosten für die Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, deren Hilfen nur durch Sozialpädagogen festgelegt werden dürfen. Die Ausgaben von 51 Millionen Euro aus dem vergangenen Jahr würden sich 2015 mindestens verdreifachen, sagte Bernreiter in einem Interview der „Mainpost“. Für jeden unbegleiteten minderjährigen Flüchtling müssten jährlich rund 60.000 Euro ausgegeben werden. „Bei aktuell 9200 unbegleiteten Flüchtlingen in Bayern kommt man da auf eine Summe von rund 552 Millionen Euro. Und wir haben erst Jahresmitte.“ Die Kommunen bräuchten rasche Hilfen. „Wir schaffen das einfach nicht mehr. Zur Betreuung der Flüchtlinge brauchen wir Fachkräfte, diese Fachkräfte kriegen wir nicht mehr“, warnte Bernreiter. Der Markt sei „leergefegt“. Er will die strengen Vorgaben lockern und die Flüchtlinge aus der Jugendhilferecht rausnehmen, da die Jugendämter schon andere wichtige Aufgaben unerledigt lassen müssten.

Bis 2016 halten wir nicht mehr durch; das ganze System fährt gegen die Wand.

Christian Bernreiter

Immerhin wird hier ab Januar Abhilfe durch den Bund zu kommen, auch wenn Bernreiter diesen Zeitpunkt für viel zu spät hält: Minderjährige Flüchtlinge, die alleine nach Deutschland kommen, sollen künftig auf Jugendämter im gesamten Bundesgebiet verteilt werden, so ein am Mittwoch beschlossener Gesetzentwurf der Bundesregierung. Bislang gab es diese Umverteilung nur für erwachsene Asylbewerber. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller sieht den Gesetzentwurf als eine gute Grundlage für weitere Verhandlungen. Im weiteren Verfahren seien aber Verbesserungen notwendig, insbesondere bei der Frage der finanziellen Beteiligung des Bundes. „Die bundesweite Verteilung ist dringender denn je. Denn bald werden in Bayern 50 Prozent der unbegleiteten Minderjährigen in Deutschland versorgt. Damit ist die Belastungsgrenze der betroffenen Kommunen endgültig überschritten“, so die Ministerin. Der Bund müsse sich zudem an den Unterbringungskosten für unbegleitete Minderjährige beteiligen.

Zahlreiche Asylanträge bleiben unerledigt

Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird unterdessen die Zahl unerledigter Asylanträge stetig größer. Nach Angaben von Innenminister Joachim Herrmann waren in Deutschland Ende Juni 237.877 Asylverfahren noch nicht abgeschlossen, 125.000 mehr als 2014. Trotz beschleunigter Verfahren und 650 zusätzlicher Bearbeiter hat sich die Zahl unerledigter Asylanträge in Deutschland seit dem Vorjahr also mehr als verdoppelt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig ist, soll in diesem Jahr um 1000 und im nächsten Jahr um bis zu 1000 weitere Stellen aufgestockt werden. Auch die durchschnittliche Verfahrensdauer konnte laut BAMF im Vergleich zum Vorjahr von 7,1 auf 5,3 Monate verkürzt werden. Das Ziel sind aber drei Monate.

Eigentlich müssen Asylbewerber das Land umgehend verlassen, deren Antrag sichtlich unbegründet ist oder in einem anderen EU-Land behandelt werden müsste. Das geschieht aber nur selten, weil es zu viele Schlupflöcher gibt, sich einer Rückführung zu entziehen, etwa wenn Migranten die Route verschleiern, über die sie nach Deutschland kamen.

Der Bund sieht vorrangig die Anträge. Die Länder haben aber die tatsächlichen Zugänge zu schultern.

Emilia Müller

Bayerns Sozialministerin Emilia Müller kritisierte deshalb die langen Asylverfahren beim BAMF – schon die Antragsstellung erfolge oft viel zu spät. In Deutschland sind in diesem Jahr bis jetzt rund 260.000 Asylsuchende angekommen – in Bayern davon rund 80.000. Laut BAMF haben deutschlandweit bisher aber nur gut 179.000 Menschen einen Asylantrag gestellt. „Genau hier liegt ein großes Problem. Der Bund sieht vorrangig die Anträge. Die Länder haben aber die tatsächlichen Zugänge zu schultern. Denn bereits direkt nach der Ankunft müssen die Menschen registriert, untergebracht, medizinisch betreut und versorgt werden“, so die Ministerin, die ergänzte: „Etwa 41.000 der Asylsuchenden sind in Bayern geblieben. Oft können die Menschen ihre Asylanträge erst Wochen vielleicht sogar Monate später stellen. Und auch nach der Antragsstellung warten viele Asylbewerber noch sehr lange, bis sie endlich wissen, ob sie bei uns bleiben können, oder in ihre Heimat zurückgehren müssen.“ Deshalb müsse der Bund nun schnellstmöglich die zugesagten Stellen beim BAMF auch besetzen.

Bayern schiebt als einziges Land konsequent ab

Der Freistaat Bayern hat als erstes Bundesland mit einer Sammelabschiebung auch abgelehnte albanische Asylbewerber in ihre Heimat zurückgeführt. Ein Charterflug brachte 112 abgelehnte Asylbewerber aus Albanien und dem Kosovo von München aus nach Tirana und Pristina. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seit letzter Woche begonnen, nun auch die Asylverfahren albanischer Staatsangehöriger prioritär zu bearbeiten. Bayerns Innenminister Herrmann bezeichnete diesen Schritt Priorisierung als längst überfällig und forderte erneut, endlich auch Albanien als sicheren Herkunftsstaat einzustufen: „Nur so bekommen wir die Situation dauerhaft in den Griff. Der rot-grün dominierte Bundesrat täte gut daran, seine bisherige Haltung zu einem entsprechenden Bundesratsantrag Bayerns vom Februar 2015 rasch zu überdenken.“ Im Mai 2015 war Albanien mit 4864 Erstanträgen in Deutschland das zugangsstärkste Herkunftsland mit einem Anteil von 20,5 Prozent noch vor Syrien. Allerdings werden nur 0,4 Prozent der albanischen Asylsuchenden als Flüchtlinge anerkannt.

Dass Albaner trotzdem zu Tausenden unerlaubt nach Deutschland einreisen, empfindet der Bayerische Innenminister als untragbar: „Die übrigen 99,6 Prozent belegen die Unterkunftsplätze, die wir für die wirklich verfolgten und notleidenden Menschen dringend benötigen.“ Deutliche Wirkung hat die klare bayerische Linie bei der konsequenten Aufenthaltsbeendigung abgelehnter kosovarischer Asylbewerber gezeigt. Kamen Im Februar 2015 noch 3.525 Personen, ist bereits im März die Zahl auf 314 Personen, im April auf 136 und im Mai auf 197 gesunken. Im gesamten Juni wurden in Bayern weniger als 50 Kosovaren registriert.

Eigentlich hatte die Politik mit einem Rückgang der Zahlen gerechnet, nachdem im September Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegovina zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, wodurch die entsprechenden Anträge schneller bearbeitet und abgelehnte Bewerber einfacher abgeschoben werden können. Der Fraktionschef der christdemokratisch-konservativen EVP im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), sagte der „Welt“, die EU könne gerade von Beitrittskandidaten wie Serbien und Albanien verlangen, dass sie ihren Bürgern klar signalisieren, dass ein Missbrauch des Asylrechts nicht geduldet werde.

Ein andauernder Asylrechtsmissbrauch wird auch die Beitrittsgespräche mit Serbien und Albanien schwer belasten.

Manfred Weber

„Sollte der Missbrauch des europäischen Asylrechts durch Bürger des Westbalkans sich weiter fortsetzen, muss die EU über die Wiedereinführung der Visapflicht nachdenken. Außerdem wird ein andauernder Asylrechtsmissbrauch auch die Beitrittsgespräche mit Serbien und Albanien schwer belasten. Das kann natürlich dazu führen, dass sich ein möglicher Beitritt verzögert“, so Weber. Die Anerkennungsquote für die Länder des Westbalkans ist verschwindend gering und liegt nach Angaben des BAMF zwischen 0,1 und 0,2 Prozent. Ausgerechnet in Ungarn, wo sich einst der Eiserne Vorhang öffnete, entsteht nun ein neuer Grenzzaun, um den Ansturm insbesondere vom Balkan abzuwehren. 175 Kilometer lang und vier Meter hoch, soll er Flüchtlinge daran hindern, über Serbien in die EU zu kommen. Nach Regierungsangaben strömten zuletzt rund 1000 Menschen täglich über diese Grenze illegal nach Ungarn, seit Jahresanfang schon mehr als 80.000.

Ein schlechter Witz

Vom selbsternannten „Bayerischen Flüchtlingsrat“ ist man ja schon so manche falsche oder kuriose Meldung gewohnt. Doch jetzt übertrifft sich die Ansammlung linker Weltverbesserer selbst: Sie rät zu weniger Polizeikontrollen, um den Ansturm von Flüchtlingen in Bayern zu mindern. Laut der Nachrichtenagentur dpa argumentiert der Flüchtlingsrat folgendermaßen: Viele Flüchtlinge hätten bereits Verwandte in Europa und wollten dorthin weiterreisen. „Die Leute wollen gar nicht alle in Passau, Rosenheim oder München bleiben“, sagte der „Ratssprecher“ Alexander Thal. Er übersieht dabei völlig, dass die meisten Flüchtlinge eben doch nach Deutschland wollen. Allenfalls diejenigen, die nach Skandinavien weiter wollen, könnte man weiterreisen lassen. Nur: Es ist nach dem Dublin-Abkommen eigentlich die Aufgabe der EU-Staaten, aufgegriffene Flüchtlinge aufzunehmen und die Grenzen umfassend zu kontrollieren. Dass dies in Südeuropa nicht geschieht, ist kein Grund, diese rechtswidrige Praxis selbst zu betreiben.

Ganz Deutschland ist betroffen

Die genannten Probleme stellen sich natürlich nicht nur im Freistaat, auch wenn Bayern als südliches Grenzland ganz besondere Belastungen zu tragen hat. In vielen Bundesländern sind die Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge völlig überfüllt, etwa in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt oder dem Saarland. Viele Kommunen müssen laut Deutschem Städtetag angesichts wachsender Flüchtlingszahlen auf Turnhallen, Container oder Zelte zurückgreifen, besonders in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Hessen oder Brandenburg. Nach Einschätzung des Städtetages fehlen bundesweit mehr als 40.000 Plätze in den Länder-Unterkünften. Einige Länder schicken deshalb Flüchtlinge schon nach wenigen Wochen in die Städte und Gemeinden weiter. Vorgesehen ist eigentlich, dass Asylbewerber bis zu drei Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung eines Landes bleiben können. Und eigentlich sollen diejenigen, deren Asylanträge abgelehnt werden, direkt von der Erstaufnahmeeinrichtung aus in ihre Heimat zurückgeführt und gar nicht erst an eine Kommune übermittelt werden. Bislang ist man davon aber noch weit entfernt. Da wundern sich dann rot-grüne Multikulti-Landespolitiker über die Beschwerden ihrer Parteigenossen aus den Kommunen, das zu langsam und zu wenig abgeschoben werde. Und wenn schon das wirtschaftlich und finanziell starke Bayern, das seine Kommunen sehr weitgehend entlastet, solche Probleme hat, wie muss es dann erst in Schuldenländern wie Nordrhein-Westfalen oder Bremen aussehen?

Die Zahlen:

Im ersten Halbjahr 2015 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 179.037 Asylanträge gestellt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist dies ein Anstieg um 132,2 Prozent. Auf Platz eins der Hauptherkunftsländer im ersten Halbjahr lag erneut Syrien. Fast 34.500 Asylantragsteller kamen aus dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land. Während in der öffentlichen Flüchtlingsdebatte der Eindruck dominiert, fast alle Asylsuchenden kämen aus Kriegsgebieten über das Mittelmeer nach Deutschland, stammt fast jeder zweite aus den Staaten des Westbalkans. 82.243 (45,94 Prozent) der Antragssteller kamen aus dem Kosovo (31.400), Albanien (22.209), Serbien (15822), Mazedonien, Bosnien-Herzegovina und Montenegro. Insgesamt wurden für alle Herkunftsstaaten im ersten Halbjahr nur in 34,7 Prozent aller abgeschlossenen Asylverfahren die Rechtsstellung eines Flüchtlings zuerkannt.

Die Zahl der illegalen Einreisen nach Deutschland schnellt in diesem Jahr erneut nach oben. Das erklärte der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts in Berlin. Demnach wurden im laufenden Jahr bereits rund 63.000 unerlaubte Einreisen registriert – mit einer vermutlich hohen Dunkelziffer. Im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum handele es sich dabei nach Angaben von Romann um eine Steigerung von 160 Prozent. Die Zahl der illegalen Einwanderer erreicht in diesem Jahr den höchsten Stand seit den 90er-Jahren. 1993 wurden insgesamt noch 54.298 Fälle festgestellt. Nach Deutschland kommen illegale Einwanderer vor allem über Routen, die über das Mittelmeer sowie den Balkan führen. In Bayern kreuzen sich beide Wege an der Grenze zu Österreich. Nahezu die Hälfte der illegal Eingereisten kam über diese Grenze nach Deutschland. Auch über die französische Grenze sowie per Flugzeug reisten viele illegal ein.