In München wird es künftig noch voller. Dagegen wird die Bevölkerung in Oberfranken weiter schrumpfen. (Fotos: Picture alliance)
Demografie

Antwort auf den Bayern-Boom

Gastbeitrag Der Freistaat wird bis 2035 um 700.000 Menschen wachsen. Während der Druck auf die Ballungszentren weiter zunimmt, droht in manch ländlicher Region der Leerstand. Bayern steht vor demografischen Herausforderungen. Aus dem BAYERNKURIER-Magazin.

Bayern wächst und wächst – insbesondere im Großraum München. Nach neuesten Prognosen werden bis zum Jahr 2030 etwa 400.000 Menschen nach München ziehen. Das bedeutet: In den kommenden zwölf Jahren wird der Ballungsraum um die gemeinsame Größe der Städte Augsburg und Erlangen wachsen. München steuert im Jahr 2030 auf die 1,8-Millionen-Marke zu, im Freistaat Bayern werden nach den Zahlen des Statistischen Landesamtes im Jahr 2035 rund 13,5 Millionen Menschen leben – bisher ist man von knapp 13 Millionen ausgegangen. Damit steht fest: Während die meisten Bundesländer einen Rückgang ihrer Bevölkerung verkraften müssen, wächst Bayern in den kommenden knapp 20 Jahren um mehr als 700.000 Menschen. Allerdings – und das stellt gleich die nächste enorme Herausforderung dar – sind die Zuwächse ungleich verteilt: So kann Oberbayern im Jahr 2035 mit einem sehr deutlichen Bevölkerungsplus von 11,5 Prozent gegenüber heute rechnen. Das ist ein Anstieg um 530.000 Menschen – mehr als die Stadt Nürnberg aktuell Einwohner hat. Im Gegensatz dazu wird die Bevölkerung in Unterfranken (-2,6 Prozent) und in Oberfranken (-5,1 Prozent) spürbar zurückgehen.

Wir wollen einerseits die hohe Dynamik in den Ballungsgebieten gestalten und andererseits die Chancen des Wachstums in den ländlichen Raum bringen.

Thomas Huber, Demografiepolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion

Doppelte Herausforderung

Wir in Bayern stehen deshalb vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits das Wachstum in den Ballungsräumen adäquat zu gestalten und Potenziale vorausschauend zu nutzen, andererseits die ländlichen Regionen zu stärken und diese so auch für junge Menschen attraktiver zu machen – vor allem natürlich, indem sie vor Ort attraktive Arbeitsplätze finden können. Die jüngste McKinsey-Studie zur Zukunft des Freistaats „Bayern2025: Alte Stärke – neuer Mut“ hat bestätigt: In Bayern wird keine Region abgehängt. Und: Der ländliche Raum in Bayern, in dem immer noch rund acht Millionen Menschen leben, hat einen hohen Entwicklungsstandard erreicht. Die Studie kommt aber auch zu dem Schluss, dass wir uns auf dieser positiven Entwicklung nicht ausruhen dürfen. Auch deshalb hat die CSU im Bayerischen Landtag vor Kurzem die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms beschlossen. Kernpunkt ist die Lockerung des sogenannten Anbinde-Gebots. Sie gibt den Gemeinden mehr Spielraum bei der Ausweisung von Gewerbegebieten. Das soll auch die Kommunen im ländlichen Raum stärken, Arbeitsplätze schaffen und die Abwanderung in die Ballungsräume verhindern. Im Sinne des Umweltschutzes wollen wir selbstverständlich auch, dass die Kommunen bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten so wenig wie möglich Naturfläche verbrauchen. Wir möchten sie deshalb stärker zum Flächensparen anhalten und im Einvernehmen entsprechende Maßnahmen erarbeiten – zum Beispiel die Verpflichtung, an Einkaufszentren Tiefgaragen oder Parkhäuser zu bauen.

Stärkung des ländlichen Raums

Um den ländlichen Raum zu stärken und eine weitere Abwanderung in die Ballungsgebiete zu verhindern, haben wir in Bayern bereits zahlreiche Maßnahmen zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen auf den Weg gebracht: Ich nenne nur die Heimatstrategie unseres Finanz- und Heimatministers und die damit einhergehenden Maßnahmen wie den Breitbandausbau, die stärkere Regionalisierung der Wissenschaft und der guten Bildungsinfrastruktur vor Ort, die Verbesserung der Finanzbasis der Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich, die Behördenverlagerungen in strukturschwächere Regionen, die Wohnraumförderprogramme und vieles mehr. Auch deshalb leben in Bayern – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – nach wie vor so viele Menschen in ländlichen Regionen.

Dabei muss man festhalten: Jeder, der angesichts der demografischen Entwicklung in Bayern und den damit verbundenen Herausforderungen nach pauschalen „Lösungen“ wie „weniger Flächenverbrauch“ ruft, macht es sich zu einfach und drückt sich vor Lösungen für die vielen Menschen, die in den Ballungsräumen nach einer bezahlbaren Wohnung suchen. Deshalb haben wir in Form einer „Ballungsrauminitiative“ konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet. Wir wollen einerseits die hohe Dynamik in den Ballungsgebieten gestalten und andererseits die Chancen des Wachstums in den ländlichen Raum bringen. Ziel muss es sein, auch für Familien, die eine ländliche Wohngegend bevorzugen, eine moderne und gut ausgebaute Infrastruktur bereitzustellen. Diese umfasst den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ebenso wie eine flächendeckende Digitalisierung.

Ballungsräume entlasten

Aufgrund des starken Anstiegs der Immobilienpreise in den Ballungsräumen, insbesondere in München, haben mittlerweile sogar auch Bezieher mittlerer und gehobener Einkommen Schwierigkeiten, geeigneten Wohnraum zu finden. Die Menschen zieht es in die Großstadt. Der Wohnraummangel wird dadurch verschärft, weil insgesamt zu wenig und auch am Bedarf vorbei gebaut wird. Ein weiterer Grund ist der Zuzug von Flüchtlingen und die damit verbundene Verpflichtung der Kommunen zur Unterbringung. So haben wir allein in meiner Heimatregion Ebersberg im Münchner Osten aktuell über 300 Migranten, die die Kommunen trotz erheblicher Bemühungen nicht in Wohnungen auf dem freien Markt unterbringen können und die immer noch in staatlichen Einrichtungen leben. Die Situation ist zunehmend angespannt: Durch die seit 2015 erbrachten Leistungen bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen stehen auf absehbare Zeit keine Wohnungen für Migranten mehr zur Verfügung. Auch aus diesem Grund tritt die CSU klar für die weitere Aussetzung des Familiennachzugs bei subsidiär Schutzbedürftigen ein.

Das in der Bayerischen Verfassung verankerte Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern herzustellen, muss auch für die Ballungsräume gelten.

Thomas Huber, Demografiepolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion

Mit der Wohnraumförderung trägt der Freistaat Bayern entscheidend dazu bei, das Angebot an preisgünstigem Miet-Wohnraum zu erhöhen. Der im Oktober 2015 beschlossene Wohnungspakt Bayern leistet einen großen Beitrag und stellt ein Maßnahmenbündel aus staatlichem Wohnungsbau, der Förderung von kommunalem und sozialem Wohnungsbau sowie Anreizen und Erleichterungen für die Wohnungswirtschaft bereit: So werden bis Ende 2019 durch staatliche Investitionen von rund 2,6 Milliarden Euro knapp 30.000 neue staatlich finanzierte oder geförderte Wohnungen entstehen. Daneben gibt es vielfältige weitere großzügige Fördermöglichkeiten, wie zum Beispiel zur Ertüchtigung von sanierungsbedürftigen oder leerstehenden Gebäuden. Auch auf die Vorteile von Wohnungsgenossenschaften muss hingewiesen werden, die die Nutzung preiswerter Wohnungen oder den Erwerb preisgünstigen Wohneigentums ermöglichen.

Damit insbesondere der Ballungsraum München und die Region Oberbayern das überproportionale Wachstum und den anhaltenden Zuzug auf Dauer bewältigen können, ist jedoch eine umfassende Gesamtstrategie notwendig. Das in der Bayerischen Verfassung verankerte Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern herzustellen, muss auch für die Ballungsräume gelten. Das bedeutet für uns, dass das Leben in den Ballungsräumen bezahlbar bleiben muss, und zwar vor allem für die bereits hier lebende Bevölkerung mit Normalverdienern wie Erzieherinnen, Lehrern, Polizisten oder Pflegepersonal. Insbesondere müssen es sich auch Familien wieder leisten können, Wohneigentum zu bilden. Der drohenden Gentrifizierung möchten wir mit aller Kraft politisch entgegenwirken.

Lösungsvorschläge zur Entlastung der Ballungsräume:

  • Massiver Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs.
  • Anpassung Einkommenssteuerverteilung im Sinne der Kommunen.
  • Anpassung der Landesplanung an den erhöhten Wohnungsbedarf.
  • Mobilisierung von Bauland durch Reinvestitionsmöglichkeiten und steuerliche Anreize für die Landwirtschaft.
  • Verstärkte Anreize für den Bau von Betriebswohnungen.
  • Unterstützung bei der Bildung von Wohneigentum, da dies die stabilste und beste Absicherung gegen Altersarmut ist.
  • Einführung eines Leerstandmanagements auf kommunaler Ebene.
  • Konsequente Nutzung der Wohnsitzzuweisung für anerkannte Asylbewerber.
  • Senkung der Baukosten durch reduzierte Planungsbürokratie, Baustandards und Baunebenkosten.