Die Koalition ist sich einig: Die Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern müssen deutlich schneller und konsequenter erfolgen. (Foto: imago/Christian Ohde)
Debatte

Das Problem der Abschiebung

Der Mord an einer Kunsthistorikerin in Berlin durch einen kriminellen Asylbewerber aus Tschetschenien, der längst hätte abgeschoben werden müssen, hat die Debatte um das deutsche "Abschiebe-Versagen", wie es die Bild-Zeitung nennt, erneut entfacht.

Der Mord an der Schlossverwalterin Susanne F. Anfang September in Berlin-Tiergarten durch einen kriminellen ausreisepflichtigen Asylbewerber aus Tschetschenien hat die Debatte um die Abschiebepraxis neu entfacht. Auch weitere Straftaten abgelehnter Asylbewerber sorgen derzeit für Unverständnis und Wut in der Bevölkerung.

Der Berliner Fall

Der Tschetschene Ilyas A., angeblich erst 18 Jahre alt, nach Recherchen der Bild 21, hat bei dem Raubmord an der 60-Jährigen ein Handy und 50 Euro erbeutet. Dabei hatte er bereits Diebstähle sowie Überfälle auf drei Rentnerinnen begangen und diese teils schwer verletzt. Beim dritten Überfall 2015 wurde er gefasst und zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach deren Verbüßung sollte er abgeschoben werden. Eigentlich.

Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist bei vielen Bürgern mittlerweile am Schwinden.

Uwe Brandl, Bayerns Gemeindetagspräsident

Wieder einmal versagt hat offenbar das rot-rot-grün regierte Land Berlin. Deutsche Behörden sind verpflichtet, sicherzustellen, dass Minderjährige in ihrer Heimat in eine Betreuungseinrichtung kommen – doch Russland wollte den Kriminellen nicht. Obendrein war Ilyas A. ohne feste Wohnadresse, heißt es aus dem Berliner Rathaus. Im August wurde er (angeblich) volljährig. Am 5. September ermordete er die Frau, floh und wurde am 11. September in Polen festgenommen.

Rot-Rot-Grün versagt

Das Behördenversagen in Berlin wurde erst jetzt vollumfänglich bekannt. Der Fall zeigt erneut, wie überfordert die Stadt zu sein scheint. Mit bitteren Konsequenzen: Die ermordete Schlossverwalterin würde noch leben, wenn hart und zügig gegen den Kriminellen durchgegriffen worden wäre. Das gleiche Bild bot sich schon beim Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri, der ebenfalls wegen verschiedener Delikte und islamistischer Drohungen zumindest in Abschiebehaft hätte sein müssen.

Diesem Senat ist Leib und Leben der Bevölkerung offensichtlich egal.

Heinz Buschkowsky, SPD

Der ehemalige Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) kritisierte in der Bild die lasche Abschiebepraxis im Stadtstaat. „Es beginnt im Kleinen mit der Verweigerung von Videokameras im öffentlichen Raum und endet im Großen mit der Nichtabschiebung von Gewohnheitsverbrechern – diesem Senat ist Leib und Leben der Bevölkerung offensichtlich egal.“ Rot-Rot-Grün hat erklärt, Abschiebehaft und -Gewahrsam abzulehnen. Obendrein blockieren die Grünen seit Monaten die Einstufung der Staaten Tunesien, Algerien und Marokko als „sichere Herkunftsländer“, was eine Abschiebung deutlich erleichtern würde.

Umsetzungsprobleme

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte in der Bild: „Ausreisepflichtige kriminelle Ausländer müssen schnellstmöglich raus aus Deutschland. Solange sie in Deutschland sind, gehören sie in Abschiebehaft.“ Man werde bei diesem Problem auch die Zuständigkeit von Bund und Ländern diskutieren müssen. Zudem forderte Scheuer zur Beschleunigung die „Bündelung aller Asylverfahren in Entscheidungs- und Rückführungszentren“.

Ausreisepflichtige, kriminelle Ausländer müssen schnellstmöglich raus aus Deutschland.

Andreas Scheuer, CSU

Auch Bayerns Gemeindetagspräsident Uwe Brandl sagte bei einer Fachmesse in Nürnberg: „Es kann nicht sein, dass abgelehnte Asylbewerber weiterhin jahrelang – oder dauerhaft – im Lande bleiben können. Dies lockt nur weitere Menschen aus aller Welt an.“ Abgelehnte Asylbewerber sollten konsequent abgeschoben werden, wenn sie nicht freiwillig Deutschland verlassen. „Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist bei vielen Bürgern mittlerweile am Schwinden. Der einfache Bürger fragt sich: Wieso soll ich Regeln beachten, wenn sich der Staat selbst nicht daran hält?“

Angesichts der sinkenden Zahl von Abschiebungen fordert die CSU Konsequenzen. „Bis zum Jahresende 2017 müssen die Länder die Anzahl ihrer Abschiebehaftplätze drastisch erhöhen“, sagte CSU-Innenexperte Stephan Mayer der Bild. „Wir müssen von derzeit 400 auf mindestens 1200 Haftplätze insgesamt kommen. Ansonsten werden wir die rund 230.000 Ausreisepflichtigen in Deutschland nie abschieben können“, so Mayer. Er forderte zugleich auch eine konsequente Abwendung geltenden Rechts: „Wer als Asylbewerber abgelehnt wurde, muss sofort abgeschoben werden, vor allem dann, wenn er auch noch kriminell ist. Alles andere ist den Bürgern nicht mehr vermittelbar.“ Bayern hat bei den Zuwanderern ohne Duldung eine Abschiebequote von 23,2 Prozent, Bremen nur 10 Prozent.

In der Diskussion um den Umgang mit straffällig gewordenen Zuwanderern fordern Ministerpräsidenten und Innenminister der Länder mehr Unterstützung von der Bundesregierung. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz und Innenminister von Sachsen, Markus Ulbig (CDU), erklärte, die „konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber“ brauche eine „nationale Kraftanstrengung“. Nur so könne das „Gelingen sowie die Akzeptanz unserer Asylpolitik“ bei den Bürgern garantiert werden. Die Rückführungen seien notwendig, um das deutsche Asylsystem „funktionsfähig zu halten“, erklärte Ulbig.

Unverständnis und Wut

Auch in anderen Bundesländern sorgen schwerkriminelle Asylbewerber für Wut in der Bevölkerung: So ist der 31-jährige ghanaische Vergewaltiger einer jungen Camperin in der Bonner Siegaue, der nun zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, ein abgelehnter Asylbewerber. Auch der afghanische Mörder und Vergewaltiger einer Freiburger Studentin, der zur Zeit vor Gericht steht, war schon in Griechenland wegen eines Mordversuches an einer Frau verurteilt worden. Offiziell 19 Jahre alt, schätzen ihn Gutachter auf mindestens 22. Und bei der Vergewaltigung eines 16 Jahre altes Mädchens im oberbayerischen Höhenkirchen-Siegertsbrunn durch drei afghanische Asylbewerber war einer schon wegen Aggressivität und Sachbeschädigung polizeibekannt.

Sie alle dürften nach ihrer Haftentlassung die gleichen Abschiebe-Probleme verursachen.

In der oberpfälzischen Gemeinde Arnschwang erstach am Pfingstsamstag ein afghanischer Asylbewerber ein fünfjähriges Kind. Der wegen einer Brandstiftung 2008 bereits verurteilte Verbrecher konnte nicht abgeschoben werden, weil er angeblich zum Christentum konvertiert war, wofür in seiner Heimat die Todesstrafe droht. Er wurde von der Polizei erschossen, um die Mutter zu retten.

Die Zahlen

In Deutschland leben 230.000 ausreisepflichtige Ausländer, von denen mehr als 160.000 aus verschiedenen Gründen geduldet werden. Wichtigste Abschiebe-Hindernisse sind laut Bundesinnenministerium die mangelnde Kooperation der Ausreisepflichten, die hohe Anzahl und Dauer der Gerichtsverfahren gegen negative Bescheide sowie mangelnde Kooperation der Herkunftsstaaten.

Im September 2016 geisterte die Zahl von fast 550.000 abgelehnten Asylbewerbern durch die Zeitungen. Diese Zahl war aber nicht richtig, da von dieser halben Million mehr als die Hälfte ein unbefristetes Aufenthaltsrecht und ein Drittel ein befristetes Aufenthaltsrecht hatten. Zudem waren drei Viertel Altfälle und schon länger als sechs Jahre im Land, darunter auch EU-Bürger, die vor dem EU-Beitritt ihres Landes Asylantrag gestellt hatten – zum Beispiel 12.000 Polen.

Allein in Berlin leben laut dem Tagesspiegel 11.400 Zuwanderer, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben und ausreisepflichtig sind. „Abgeschoben wird kaum jemand. Es genügt, den Pass wegzuwerfen oder am Tag der Abschiebung nicht zu Hause zu sein“, schreibt die Zeitung.

Frankreich will durchgreifen

Frankreich, das ähnliche Probleme hat, will künftig kriminelle Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere ohne Ausnahme in Abschiebehaft nehmen und unverzüglich abschieben. Paris reagierte damit auf die Messerattacke eines wiederholt kriminellen Tunesiers ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in Marseille Anfang Oktober, der zwei Frauen zum Opfer fielen. Insbesondere Tunesien gilt laut FAZ als besonders kooperationsunwillig: Das Land würde bewusst so lange Zeit schinden, bis die gesetzlichen Fristen für die Abschiebehaft abliefen.