Abflug: In Düsseldorf startete ein Flieger mit acht abzuschiebenden Kriminellen nach Afghanistan. (Bild: Imago/Olaf Döring)
Abschiebung

Zurück nach Afghanistan

Ein Zwischenbericht zur Sicherheitslage in Afghanistan hat offenbar die Haltung der Bundesregierung bestätigt. Nun will man wieder begrenzt in die sicheren Regionen des Landes abschieben. Interessant: Wer kommt eigentlich von dort zu uns?

Die Bundesregierung will weiter abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zurückschicken – in begrenzter Zahl. Damit bleibt es vorerst bei dem Kurs, den Bund und Länder nach dem schweren Anschlag Ende Mai auf die deutsche Botschaft in Kabul eingeschlagen hatten. Das teilten das Außenamt und das Bundesinnenministerium mit. Zurückgeschickt werden sollen also weiter Straftäter und „Gefährder“ – Menschen, denen die Sicherheitsbehörden einen Terrorakt zutrauen – und jene, die „hartnäckig ihre Mitarbeit an der Identitätsfeststellung“ verweigern.

Botschaft soll wieder verstärkt werden

Zwar hat sich der Konflikt mit den Taliban verschärft, sie kontrollieren einige Bezirke mehr. Einige Terroranschläge trafen zuletzt das Land, vor denen es allerdings auch hierzulande keine Sicherheit gibt. So hatte die Explosion einer Lastwagenbombe nahe der deutschen Botschaft in Kabul mindestens 150 Menschen getötet, Hunderte verletzt und schweren Schaden auf dem Gelände der Botschaft angerichtet. Diese ist seitdem nur eingeschränkt arbeitsfähig. Bis auf den Botschafter verließen fast alle Mitarbeiter das Land. Laut Außenamt soll aber bald ein „Kernteam“ wieder nach Kabul zurückkehren.

Zwischenbericht liegt vor

Nach dem Anschlag hatten Bund und Länder die Abschiebungen nach Afghanistan auf die drei genannten Gruppen beschränkt – bis zur Vorlage einer Neubewertung der Sicherheitslage. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, es liege nun der Zwischenbericht zur Lagebewertung vor. Darin gebe es keine durchgreifenden Anhaltspunkte, dass die bisherige Haltung korrigiert werden müsste. Der vertrauliche Bericht sei an die Länder und an zuständige Behörden gegangen. Auf dieser Grundlage könnten nun Afghanen aus den drei Gruppen abgeschoben werden. Ob es dazu komme, liege in der Entscheidung der Länder.

Tatsächlich gab es seit dem Kabuler Anschlag trotz mehrerer Anläufe keinen Abschiebeflug mehr. Als Grund wurden organisatorische Probleme genannt, weil sich die Botschaft in Kabul nicht um die Abwicklung vor Ort und die Ankunft der Betroffenen kümmern konnte. Der Außenamtssprecher sagte, man bemühe sich, eine bessere Handlungsfähigkeit der Botschaft in Kabul herzustellen.

250.000 Afghanen in Deutschland

Und was bedeutet der neue Lagebericht für die Entscheidungspraxis bei afghanischen Asylbewerbern? Zuletzt hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über Asylanträge von Afghanen nur in Ausnahmefällen entschieden. Die große Masse an Verfahren bearbeitete das Amt zwar weiter, wartete bis zur Asylentscheidung aber auf die neue Lagebewertung. Der Sprecher des Innenressorts sagte, das BAMF werde nun klären, ob der Zwischenbericht aus dem Außenamt eine hinreichende Grundlage für Asylentscheidungen sei.

Im vergangenen Jahr hatte Deutschland laut Innenministerium 324 Afghanen zwangsweise in ihre Heimat zurückgeschickt. In der ersten Jahreshälfte 2017 waren es 261. Ein Sprecher des Ressorts sagte, auch die freiwillige Rückkehr nach Afghanistan solle nun weiter gefördert werden. Zuletzt ging diese Zahl angesichts der schlechten Sicherheitslage jedoch zurück. 2016 kehrten gut 3300 Afghanen aus freien Stücken über ein staatliches Förderprogramm in ihre Heimat zurück. Im ersten Halbjahr 2017 waren es weniger als 800. Insgesamt leben rund 250.000 Afghanen in Deutschland. Darunter sind derzeit etwa 5000, die „ausreisepflichtig“ sind und auch keine Duldung haben. Insgesamt sind rund 15.000 Afghanen zur Ausreise verpflichtet, etwa 10.000 jedoch geduldet – und damit zumindest vorübergehend vor einer Abschiebung bewahrt.

Land der Gewalt

Erstaunlich an Afghanistan ist: Laut Angaben der UN ist die Bevölkerung seit 2001, als noch die Taliban das Sagen hatten, von 21 Millionen auf 32 Millionen gewachsen. Trotz der schier endlosen Kriege seit dem russischen Einmarsch 1979 und dem islamistischen Terror hat sich die Bevölkerung also in nur 15 Jahren um 50 Prozent vergrößert. Dadurch ist natürlich auch der demographische Druck gewachsen, da sich die Zahl der Arbeitsplätze nicht ebenso vergrößert hat.

Wer kommt aus Afghanistan?

Laut der Studie „The World’s Muslims: Religion, Politics and Society“ vom April 2013 des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center wollten 99 Prozent der Afghanen in ihrem Land das brutale islamische Scharia-Recht als offizielles Gesetz sehen. 81 Prozent dieser Scharia-Befürworter wollten auch die Amputationsstrafen angewendet sehen, 79 Prozent forderten für Religionsabtrünnige die Todesstrafe, nur 24 Prozent hielten „Ehrenmorde“ an Frauen für niemals gerechtfertigt. 94 Prozent der Muslime in Afghanistan sagten, dass „eine Frau ihrem Mann immer gehorchen muss“. Dass Söhne beim Erbrecht gegenüber Töchtern bevorzugt werden sollen, befürworten 65 Prozent.

Ein Blick auf die Kriminalstatistik

In der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) des BKA für 2016 fallen die Afghanen in einzelnen Bereichen auf. So wurden von insgesamt 6476 erfassten Tatverdächtigen für 7919 Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen in Deutschland 217 Afghanen gemeldet. Darunter waren nach der PKS-Definition 173 Zuwanderer. Anerkannte Flüchtlinge, die in Deutschland schon Asyl (nach dem Grundgesetz) oder Flüchtlingsschutz (nach der Genfer Konvention) erhalten haben, führt die Kriminalstatistik jedoch bisher nicht unter der Rubrik Zuwanderer. Deshalb wird hier bei der folgenden Berechnung von der Zahl 217 ausgegangen. Abgesehen davon, dass man sich als Gast und angeblich Verfolgter in einem fremden Land noch mehr an Gesetze halten sollte, besonders bei solch gravierenden Taten, ergibt sich folgendes Bild: Afghanen stellen etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, aber 3,35 Prozent der Tatverdächtigen bei Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen. Obendrein gibt es eine Dunkelziffer, die bei Sexualstraftaten grundsätzlich hoch ist.

Bleibt man in diesem Straftatbereich, kommen noch ihr nicht speziell in der PKS aufgeführter Anteil an den 27.057 Tatverdächtigen bei sonstigen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hinzu (davon waren 25,9 Prozent Nichtdeutsche) sowie an den 28.619 Tatverdächtigen bei Beleidigungen auf sexueller Grundlage (davon waren 29,4 Prozent Nichtdeutsche). Zu letzterem Delikt gehören etwa Berührungen an Po oder Brust sowie sexuelle Handlungen, Anspielungen oder Belästigungen. Bedenklich auch: Von 174.438 tatverdächtigen PKS-Zuwanderern für alle Straftaten (ohne rein ausländerrechtliche Verstöße) waren 17.466 Afghanen, das sind 10 Prozent.

(dpa/BK)