G7-Gipfel (v.l.): US-Präsident Barack Obama, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Innenminister Joachim Herrmann mit Bürgern in Krün. (Bild: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr)
G7-Gipfel

Elmau hat geliefert

Die G7-Länder setzten ein Signal im Kampf gegen den Klimawandel und verabschieden sich langfristig von fossilen Energieträgern. Die Staats- und Regierungschefs drohten außerdem Russland eine Sanktionsverschärfung an. Insgesamt kann der Gipfel von Elmau als Erfolg und Werbung für den Freistaat bezeichnet werden.

Schon der Auftakt zum G7-Gipfel verlief bei sonnigem Wetter und guter Stimmung. Vor dem Beginn des Gipfels auf Schloss Elmau trafen sich US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel zu einer bayerischen Brotzeit mit Weißwurst und Weißbier in Krün, bevor sie ein erstes bilaterales Gespräch zu aktuellen politischen Themen führten. Mit großem Beifall wurden sie von den Einheimischen begrüßt, die sich in ihrer Tracht im eigens aufgebauten Biergarten vor dem Krüner Rathaus eingefunden hatten. Im Namen der Staatsregierung begrüßte Innenminister Joachim Herrmann die Regierungschefs. Das Treffen war Anlass genug für einen Witz: Für die TV-Sendung „extra3“ postete ein Friedemann Weise ein Foto mit Kanzlerin Merkel und US-Präsident Obama. Darauf sagt Obama (in einer Sprechblase): „Hätte nicht gedacht, dass ich so beliebt bin bei den Deutschen“. Merkel antwortet: „Das sind Bayern, Barack!“

Erfolgreiche Gespräche

Mittlerweile sind die Gipfelgespräche beendet und die Staatsgäste wieder auf dem Heimweg. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den G7-Gipfel als Erfolg und „sehr produktives“ Treffen bezeichnet. Die Gruppe verbinde mehr als nur Wohlstand und Wirtschaftskraft, sagte Merkel am Montag zum Abschluss des G7-Gipfels in Elmau. Die Staaten seien durch gemeinsame Werte verbunden.

Die G7-Länder wollen ein Signal im Kampf gegen den Klimawandel setzen. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen auf dem Gipfel in Elmau, „im Laufe des Jahrhunderts“ eine Weltwirtschaft ohne die Nutzung von fossilen Energieträgern zu ermöglichen. Bis 2050 soll der Ausstoß von Treibhausgasen im hohen zweistelligen Prozentbereich gegenüber 2010 verringert werden. Im Abschlusspapier ist nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa vermerkt, dass diese Reduzierung „im oberen Bereich“ der Empfehlung des Weltklimarats IPCC in Höhe von 40 bis 70 Prozent liegt. Für die G7 gleicht das aus Sicht der Befürworter einem Quantensprung, der auch ein wichtiges Signal an die UN-Klimakonferenz im Dezember in Paris sendet. Außerdem wollen die G7-Staaten das verbindliche Zwei-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung bekräftigen. Damit wollen sie eine Mindestvoraussetzung schaffen, dass die UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember ein Erfolg werden kann. Die Erderwärmung soll gegenüber der vorindustriellen Zeit nicht mehr als zwei Grad zunehmen. Länder wie China, Russland und Indien müssen dabei allerdings mitspielen.

Ein absoluter Höhepunkt, heut morgen, heut nachmittag, heut abend, passt alles. Das ist bayerische Perfektion.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer am Sonntagabend beim Empfang für mehrere afrikanische Staats- und Regierungschefs in der Residenz in München

Mit Spannung wurde erwartet, wie deutlich und mit welchen konkreten Zusagen sich die G7 zu dem Hundert-Milliarden-Fonds bekennen, der ab 2020 für die Finanzierung des Klimaschutzes zur Verfügung stehen soll. Merkel wollte hier eine klare Aussage durchsetzen. Deutschland hat mit Blick auf Paris schon vor dem G7-Gipfel mitgeteilt, dass man seine Klimafinanzierung bis 2020 verdoppeln werde.

Umweltverbände sind zufrieden

„Elmau hat geliefert“, lobte Greenpeace-Klimaexperte Tobias Münchmeyer. „Die Vision einer globalen Energiewende hin zu 100 Prozent Erneuerbaren hat heute deutlich Konturen gewonnen.“ Die Entwicklungsorganisation Oxfam kommentierte, die G7-Staaten hätten beim Klimaschutz einen „Schritt vorwärts gemacht“. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sprach von einem überraschend starken Ergebnis. „Die G7 hat heute das Ende des fossilen Zeitalters auf die Agenda gesetzt“, sagte ihr politischer Geschäftsführer Christoph Bals. Schwung in die Klimadebatte hatte auf dem Gipfel auch die Wirtschaft gebracht. Versicherer wie der Konzern Axa oder Zurich Re warnen zunehmend vor Klimaschäden. Bis zu 450 Milliarden Dollar (400 Milliarden Euro) könnten an Kosten anfallen, falls nichts geschieht.

Die G7 haben sich das zudem ehrgeizige Ziel gesetzt, extreme Armut und Hunger bis 2030 zu beenden. Bei der Runde mit den afrikanischen Gästen stand auch die Vorbereitung der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung Mitte Juli in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba an. Weitere Themen waren: der IS-Terror, das Freihandelsabkommen TTIP und die Flüchtlingsproblematik – Merkel sieht in allen Punkten große Fortschritte in den Gesprächen. Die G7 wollen außerdem einen Aktionsplan gegen die zunehmende Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll auf den Weg bringen.

Russland drohen schärfere Sanktionen

Die G7-Staaten haben zudem dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit schärferen Sanktionen gedroht, falls die Krise in der Ostukraine noch stärker eskaliert, wie aus Delegationskreisen bekannt wurde. Russland war nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim aus dem G8-Kreis ausgeschlossen worden. Seit 2014 tagen die führenden Industrienationen daher wieder im Format der G7. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte bereits zum Gipfelauftakt eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland angedeutet. Die EU muss noch im laufenden Monat entscheiden, ob sie ihre bereits geltenden Strafmaßnahmen wie Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen Moskau verlängert. Der Pole Tusk ist zuversichtlich, dass es dazu einen einvernehmlichen Beschluss der 28 Staaten geben wird. Die Europäer hatten im März sehr deutlich signalisiert, dass die Strafmaßnahmen gegen Moskau erst aufgehoben werden sollen, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes komplett bis Jahresende umgesetzt sind. Davon scheint die kriegerische Realität in der Ostukraine aber weiter entfernt denn je. Die Lage in der Ostukraine verschlechterte sich zuletzt nach Einschätzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) deutlich. Der Westen wirft Moskau vor, auch jetzt noch prorussische Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen und damit das Land zu destabilisieren.

Russland wies die G7-Kritik zurück und rief in einer Verdrehung der Tatsachen den Westen zu mehr Druck auf die Ukraine auf. Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte die EU und die USA auf, sich daran zu erinnern, wer die Vereinbarungen im Minsker Friedensprozess umsetzen müsse. Die Aufrufe sollten demnach nicht an Russland, sondern an die Ukraine und deren prowestliche Führung gerichtet werden, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Der russische Außenminister Sergej Lawrow appellierte an den Westen sogar, kein neues Aufflammen der Kämpfe im Kriegsgebiet Donbass zuzulassen. Er warf der Ukraine vor, die jüngsten Gewaltexzesse vor dem G7-Gipfel gezielt provoziert zu haben, um Vorwände für eine Verlängerung der Sanktionen gegen Russland zu liefern. Über die russischen Truppenverstärkungen in der Region verlor Lawrow natürlich kein Wort.

Demonstrationen mangels Masse abgesagt

Das Aktionsbündnis „Stop G7 Elmau“ sagte den für den Abschlusstag geplanten Protestmarsch durch Garmisch-Partenkirchen ab. Die Veranstaltungsleiterin begründete dies mit den erheiternden Worten: „Weil wir gestern schon so viel gelaufen sind.“ Globalisierungsgegner hatten am Sonntag vergeblich versucht, über Wanderwege zum abgeriegelten Tagungs-Schloss Elmau in den Bergen zu gelangen. Aus Pressekreisen ist aber die Vermutung zu hören, dass schlicht schon zu viele der G7-Gegner wieder abgereist sind und eine Demonstration damit nicht mehr genug Teilnehmer hätte. Garmisch-Partenkirchens Landrat Anton Speer sah den G7-Gipfel als Werbung für die Region. Dass die Lage nicht eskalierte, erklärte er so: „Ein Grund, warum die Demonstrationen so friedlich verlaufen sind, ist sicher auch die Herzlichkeit der Einwohner und der Einsatzkräfte, das schöne Wetter und die schöne Landschaft.“

Herrmanns positive Bilanz

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zog kurz vor dem Ende des G7-Gipfels auf Schloss Elmau eine überaus positive erste Bilanz des Polizeieinsatzes: „Ich bin stolz und dankbar dafür, mit wie viel Engagement und persönlichem Einsatz unsere Polizei aus Bayern, Bund und den Ländern den wohl größten Einsatz in der Geschichte der Bayerischen Polizei bewältigt hat.“ Besonnen, mit viel Fingerspitzengefühl, aber konsequent – den Polizistinnen und Polizisten sowie den vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Einsatzkräften von Feuerwehr, Rettungsdienst, Hilfsorganisationen und THW sei es zu verdanken, dass wir „Bilder bayerischer Gastlichkeit, kultureller Vielfalt und einer wunderbaren Landschaft in alle Welt tragen konnten: Eine Werbung für unseren Freistaat wie aus dem Bilderbuch!“ Herrmann hat die hohe Zahl von Polizisten zur Sicherung des G7-Treffens auf Schloss Elmau verteidigt. Wegen des Gipfels und der Demonstrationen sei ein massiver Einsatz erforderlich gewesen, sagte Herrmann am letzten Gipfeltag in München. „Auch diverse Ankündigungen, den G7-Gipfel durch Blockaden verhindern zu wollen, gehörten dazu“, so Herrmann. Die deutliche Polizeipräsenz habe außerdem dafür gesorgt, „dass sich potenzielle Gewalttäter genau überlegt haben, ob sie etwas anstellen oder überhaupt anreisen“. Insgesamt waren mehr als 18.000 Polizisten sowie mehr als 1.950 Einsatzkräfte von Feuerwehren, Rettungsdiensten und THW rund um den Gipfel im Einsatz. Das ausgefeilte Sicherheitskonzept habe zum Gelingen des Gipfels einen erheblichen Beitrag geleistet. Es habe zum einen die Sicherheit der Teilnehmer und den reibungslosen Ablauf des Gipfels gewährleistet, zum anderen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt und für eine möglichst geringe Beeinträchtigung der Bürger im Einsatzraum gesorgt. „Gleichzeitig hat Bayerns Polizei auch alles unternommen, um Ausschreitungen von vornherein zu verhindern. Ein Einschreiten war glücklicherweise nur in Einzelfällen notwendig. Es gab aber eine Reihe von Störungen, Blockaden und Versuche, in den Sicherheitsbereich einzudringen.“

Ausdrücklich bedankte sich der Innenminister bei den Teilnehmern der großen gewaltfreien Demonstration in München am 4. Juni: „Auch das ist ein Stück bayerischer Demokratie und Lebensart, ob man die Inhalte der Protestierenden teilt oder nicht. Wenn alle so wären, könnten wir uns viel Polizeieinsatz sparen.“ Eine „super Zusammenarbeit“  konstatierte Herrmann in der Vorbereitung und in der Einsatzphase mit den lokalen Politikern, besonders mit der Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, Sigrid Meierhofer, den Bürgermeistern Thomas Schwarzenberger aus Krün und Adolf Hornsteiner aus Mittenwald sowie Landrat Anton Speer. Bei seinen Besuchen im Einsatzgebiet konnte Herrmann auch feststellen, dass die einheimische Bevölkerung mit großer Geduld und mit viel Verständnis für die Notwendigkeiten des Einsatzes die unvermeidbaren Beeinträchtigungen ertragen hat. „Die Werdenfelser haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. Dafür danke ich ihnen ganz sakrisch.“

Umsichtige Polizei

„Das große Aufgabenspektrum, von dem die Gewährleistung von Demonstrationen nur ein Teil war, hat die Polizeipräsenz in München und Garmisch-Partenkirchen gerechtfertigt“, sagte auch der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, am Montagnachmittag in Berlin. „Der Schutz der Staatsgäste, die zum Teil sehr langen Fahrtstrecken der Delegationen und die Sicherheit der Tagungsstätten hatten die hohe Zahl der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten erfordert. Mit Umsicht und Fingerspitzengefühl haben sie auch den Demonstrationsteilnehmern die Wahrnehmung ihrer Rechte ermöglicht.“ Der GdP-Bundesvorsitzende dankte den Einsatzkräften aus nahezu allen Bundesländern sowie der Bundespolizei. „Ihre Freundlichkeit und Gelassenheit hat die Atmosphäre des Gipfels positiv beeinflusst. Obwohl die Einsatzkräfte unter den tropenähnlichen Temperaturen und langen Einsatzzeiten stark gelitten haben, handelten sie souverän und zeichneten sich durch hohe Umsicht aus.“ Die Politiker des Bundes und der Länder, so Malchow weiter, sollten es nun nicht bei Dankesreden belassen und die großartige Leistung der Polizistinnen und Polizisten mit einer vollen Anrechnung der Einsatzzeiten honorieren. „Jetzt ist die Stunde der Innen- und Finanzminister“, betonte der Gewerkschafter.

Wirksame Grenzkontrollen

Die Bundespolizei hat ein positives Fazit der wegen des G7-Gipfels vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen gezogen. Im Zuge der Grenzkontrollen in Bayern seien zudem rund 150 weitere Straftaten aufgedeckt und etwa 60 Haftbefehle vollstreckt worden. Das zeige, dass Grenzkontrollen auch über einen kurzfristigen Anlass wie den G7-Gipfel hinaus für mehr Sicherheit sorgen könnten, sagte der Leiter der Bundespolizeidirektion München, Hubert Steiger. Tatsächlich in Zusammenhang mit dem G7-Gipfel wurde die Einreise aber nur einmal verweigert. Meist fielen Flüchtlinge bei den Kontrollen auf. Insgesamt stellten die Beamten 8600 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz fest, rund 430 Personen verweigerten sie die Einreise. In den vergangenen zwei Wochen überprüfte die Bundespolizei bei den Grenzkontrollen in Bayern etwa 105 000 Menschen. Die Bundespolizei hatte nach eigenen Angaben in Spitzenzeiten mehr als 6000 Beamte in Bayern im Einsatz.

(avd/dpa)