Schwitzen für den Glauben
„Damit wir klug werden“ lautet die Losung des an diesem Wochenende in Stuttgart stattfindenden Evangelischen Kirchentages. Der ist mit rund 1500 Veranstaltungen mehr als voll gepackt und auch die Besucherzahlen sind überwältigend. Aktuelle gesellschaftliche Themen wie Wirtschaftsethik, Minderheitenpolitik und Globalisierung stehen im Zentrum des Treffens.
Evangelischer Kirchentag

Schwitzen für den Glauben

„Damit wir klug werden“ lautet die Losung des an diesem Wochenende in Stuttgart stattfindenden Evangelischen Kirchentages. Der ist mit rund 1500 Veranstaltungen mehr als voll gepackt und auch die Besucherzahlen sind überwältigend. Aktuelle gesellschaftliche Themen wie Wirtschaftsethik, Minderheitenpolitik und Globalisierung stehen im Zentrum des Treffens.

Singen, feiern und streiten: Der Deutsche Evangelische Kirchentag in Stuttgart hat kontroverse Diskussionen über gerechtes Wirtschaften und die Griechenland-Krise aufgenommen, befasst sich mit aktuellen Themen wie Flüchtlingspolitik, Ethik und die Homo-Ehe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Theologin Margot Käßmann, Bundespräsident Joachim Gauck und andere Spitzenpolitiker lösten einen Besucherandrang aus.

Schwitzen für den Glauben

Die Kirchentagshallen waren mit tausenden Besuchern rappelvoll, das heiße Wetter mit Temperaturen bis zu 34 Grad machte vielen zu schaffen. Am Mittwoch war das Christentreffen mit mehreren Open-Air-Gottesdiensten und 250 000 Menschen bei einem bunten Straßenfest eröffnet worden. Bis zum Sonntag feiern rund 100 000 Dauerbesucher verschiedener Konfessionen das Glaubensfest, das aus rund 1500 Einzelveranstaltungen besteht.

Bei den Diskussionsforen kritisierte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Käßmann, die Profitgier in der Wirtschaft und rief zu Protest dagegen auf. Bundespräsident Joachim Gauck betonte, die seit Jahren auf Kirchentagen erhobene Kritik an einer Politik des wirtschaftlichen Wachstums als in Teilen einseitig. Wachstum und Wettbewerb hätten auch zu einem Zuwachs an Freiräumen und Lebensmöglichkeiten geführt.

Wirtschaftskritisch zeigte sich auch Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi: Er forderte, nicht nur Unternehmen, auch die Verbraucher müssten sich darum kümmern, ob ihre Kleidung durch Kinderarbeit entstanden sei. Der Inder kämpft seit langem für andere Produktionsbedingungen. Millionen Kinder arbeiten laut Satyarthi weltweit, viele davon in der Textilindustrie in Südostasien.

Kontroverse Betrachtungen zur Griechenland-Krise

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich gegen einen Schuldenerlass für des Euro-Krisenland Griechenland aus. Schuldenschnitte bedeuteten auch eine Enteignung der Sparer, sagte der Politiker, der wie die meisten Besucher den roten Kirchentagsschal nit der Losung „Damit wir klug werden“ umlegte. „Denn mit dem Schuldenerlass sind die Forderungen auch weg. Das eine geht mit dem anderen zusammen“, begründete der Minister seine Haltung. Käßmann, nach wie vor ein Publikumsmagnet, bewertete den Schuldenstreit mit Athen anders: Einen Erlass von Schulden solle es auch für Staaten geben. „Das wäre mal eine Vision für Griechenland“.

Bundespräsident Gauck appellierte zudem an die Bevölkerung, mehr Verständnis für die Arbeit von Politikern aufzubringen. „Wir brauchen Respekt vor dem mühsamen Gestalten des nächsten Schrittes in der Politik“, sagte Gauck vor rund 10 000 Zuhörern. Auch Fehler müssten Politikern zugestanden werden. Gauck warnte davor, die Politik für das persönliche Glück in die Pflicht zu nehmen. Bei der Eröffnung am Mittwochabend hatte der Bundespräsident Kirchentage als „Motivationstraining für alle, die nicht an den großen Problemen der Zeit vorbeisehen wollen“ bezeichnet. Armut, Ungerechtigkeit, Friedlosigkeit, Intoleranz und Umweltzerstörung belasteten die Menschen in vielen Teilen der Welt.

Politische Prominenz und eine Probeliegen im Sarg

Am heutigen Freitag sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die digitale Gesellschaft. Sie warnte vor einem Internet ohne Regeln. Wie im realen Leben, wo es im Umgang miteinander auch Freiheitsbegrenzungen gebe, könne man auch im Netz nicht alles tun, alles sagen und gegen alles hetzen. Freiheit sei immer auch die Freiheit der anderen. Sie betonte aber, dass das Internet viele Chancen biete, etwa für mehr Lebensqualität, bessere Bildung und mehr Individualität. Die Digitalisierung könne helfen, große Aufgaben wie die Energiewende zu bewältigen. SPD-Vize-Kanzler Sigmar Gabriel referiert im Laufe des Freitags noch über das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, Bundesinnenminister Thomas de Maizière will mit den Besuchern über Flüchtlingspolitik und Kirchenasyl debattieren. Während des Glaubensfestes gibt es neben den Diskussionsforen auch ein buntes Programm mit Musik, Kabarett und Kunstaktionen.

Am Donnerstagabend gab es im Programm auch Skurriles – etwa eine Sarg-Ausstellung, bei der Neugierige in ein kunterbuntes Exemplar steigen konnten. In der Innenstadt ging der Abend wie schon am Mittwoch wieder mit einem Meer aus Kerzen vor dem Neuen Schloss, Musik und Gebeten zu Ende. Der evangelische Kirchentag wird alle zwei Jahre in einer anderen deutschen Stadt organisiert, Stuttgart ist zum vierten Mal Gastgeber.