Der Wahlsieg von Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, r.) verschafft Bundeskanzlerin Angela Merkel (l.) Aufwind. (Foto: Imago/Becker&Bredel)
Wahlanalyse

Rückenwind aus dem Saarland

Es ist zwar nur so groß wie zwei bayerische Landkreise, aber das Saarland hat entscheidende politische Zeichen gesetzt: Rückenwind für die CDU, Stoppsignal für den „Schulz-Zug" der SPD, eindeutige Absage an Rot-Rot und Rot-Rot-Grün. Eine Wahlanalyse.

Bei der Landtagswahl im Saarland hat die CDU um 5,5 Prozentpunkte zugelegt auf 40,7 Prozent. Die SPD verliert 1,0 Punkte auf 29,6 Prozent. Die Linkspartei mit ihrem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine, dem früheren Saar-Ministerpräsidenten, verliert 3,2 Punkte auf 12,9 Prozent. Auf Platz 4 landete die erstmals angetretene AfD mit 6,2 Prozent. Die Grünen verlieren 1,0 Punkte und fliegen mit 4,0 Prozent aus dem Landtag. Die FDP verfehlt mit 3,3 Prozent (plus 2,1 Punkte) erneut den Einzug in den Landtag. Die 2012 auf ihrem Höhepunkt in den Landtag gespülten Piraten landeten mit einem Minus von 6,7 Punkten bei nur 0,7 Prozent.

Mit 24 Sitzen hat die CDU in dem 51 Abgeordnete umfassenden Landtag die absolute Mehrheit nur um zwei Sitze verfehlt. Umgekehrt haben auch SPD (17) und Linkspartei (7) nur zwei Sitze Abstand zu einer eigenen linken Mehrheit – also keine echte Entwarnung für die CDU an dieser Stelle. Dennoch kann man feststellen, dass die vier linken Parteien SPD, Linkspartei, Grüne und Piraten diesmal um knapp zwölf Punkte schlechter abschnitten als 2012 (47,2 statt 59,1 Prozent).

Alle drei Wahlzeile erreicht – und noch mehr

Damit hat die CDU alle drei Wahlziele erreicht und vier weitere wichtige Erfolge errungen: Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer kann erstens an der Spitze einer großen Koalition weiterregieren, zweitens wurde eine rot-rote Linkskoalition verhindert und damit drittens ein negatives Signal für die Bundestagswahl verhindert. Die Bundes-SPD hatte ja massiv auf eine Linkskoalition im Saarland gedrängt, um auch in Westdeutschland rot-rote Zeichen zu setzen. Doch die Aussicht darauf, dass der Aufschwung des Landes durch sozialistische Experimente gefährdet wird, erwies sich bei den Wählern als Stimmungskiller: Dimap ermittelte an der Saar nur 33 Prozent Zustimmung zu Rot-Rot und 24 Prozent für Rot-Rot-Grün. Auch mit Blick auf die Bundestagswahl ist das kein gutes Omen für die SPD, denn die Saarländer sind mit dieser Einschätzung nicht allein.

Zusätzlich hat die CDU noch mehr geschafft: Sie hat an der Saar die höchsten Zugewinne bei einer Landtagswahl seit der Übernahme des Kanzleramts durch Angela Merkel 2005 (!) erzielt und endlich wieder die magische Grenze von 40 Prozent überschritten. Damit hat die Saar-CDU derzeit das stärkste Wahlergebnis aller CDU-Landesverbände vorzuweisen und liefert gleichzeitig starken Rückenwind für den Bundestagwahlkampf. Außerdem stoppte die CDU an der Saar auch noch die Mär vom „Schulz-Effekt“, der die versammelte Linke ins Kanzleramt tragen soll. Ermutigend ist für die CDU auch, dass 77 Prozent ihrer Wähler erklärten, die Wahlentscheidung „aus Überzeugung“ gefällt zu haben – der höchste Wert aller Parteien.

Für die SPD plötzlich keine Testwahl mehr

Die Wortführer der SPD, die die Wahl an der Saar vorab lautstark zur Testwahl für den Bund und damit zur beginnenden Kanzlerinnendämmerung erklärt hatten, ruderten angesichts des schweren Dämpfers umgehend zurück. Die neue Sprachregelung der SPD lautet jetzt, im Saarland habe nur die dortige Ministerpräsidentin wegen deren Amtsbonus gewonnen, auf den Bund und Angela Merkel lasse sich das nicht übertragen. In der Tat erzielte Kramp-Karrenbauer in der Dimap-Nachwahlbefragung einen Beliebtheitswert von 52 Prozent, die SPD-Konkurrentin nur 38 Prozent. Eine „gute Ministerpräsidentin“ zu sein, bescheinigten Kramp-Karrenbauer 79 Prozent der Saarländer.

Doch ganz allein hat auch „AKK“ die Wahl nicht gewonnen, sondern die gesamte CDU hat Anteil am Wahlergebnis. Darauf weist die Wahlsiegerin auch selbst hin. So hat Kanzlerin Merkel an der Saar mehrere große Wahlkampftermine absolviert und nie einen Zweifel daran gelassen, dass Kramp-Karrenbauer innerparteilich zu ihren engen Vertrauten zählt – so eng, dass die Bild-Zeitung die Ministerpräsidentin schon „Mini-Merkel“ nannte. Außerdem teilt „AKK“ mit einer Ausnahme alle innenpolitischen Positionen mit der Kanzlerin.

Verbot des Türkei-Wahlkampfs leitete Trendwende ein

Diese eine Abweichung, ein deutliches konservatives Signal, war allerdings mit ausschlaggebend dafür, dass die CDU so gut abgeschnitten hat. Dabei handelt es sich um das Auftrittsverbot für türkische Politiker, das Kramp-Karrenbauer am 14. März verkündet hat. Im ARD-Deutschlandtrend hatten zuvor 77 Prozent der Befragten ein solches Verbot gefordert. Die Entscheidung der Ministerpräsidentin war der letzte Umschwung in den Umfragen – der bis zur Wahl hielt. Denn genau ab diesem Tag fielen die Umfragen für die CDU spürbar besser aus.

Bis dahin war die SPD bis auf einen Punkt an die CDU herangekommen, doch justament ab dem 14. März lag die CDU wieder durchgehend fünf Punkte vor den Sozialdemokraten. Dass es am Ende elf Punkte Abstand wurden – umso besser für die CDU, ein Ausweis des politischen Riechers von „AKK“.

AfD: Anfang vom Ende?

Gleichzeitig nahm Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer mit dieser Volte, die viel Zustimmung im Land fand, der AfD den Wind aus den Segeln. Mit nur 6,2 Prozent verfehlte die Protestpartei ihr „deutlich zweistelliges“ Wahlziel klar. Manche Auguren meinen bereits, die Rechtspopulisten hätten bundesweit ihren Zenit überschritten.

AfD-Parteivize Gauland meinte dazu, im Saarland sei die Lafontaine-Linkspartei eine starke Konkurrenz beim populistischen Kampf ums Protestpublikum gewesen. Infratest ermittelte, dass 82 Prozent der Befragten der Ansicht sind, dass die AfD „nicht ehrlich“ sei hinsichtlich ihrer Ziele – bei der Linkspartei waren das 59 Prozent und bei den Grünen 63 Prozent.

Schwierig für die AfD ist – mit Blick in die Zukunft – der Befund, dass nach wie vor 71 Prozent ihrer Wahler angaben, ihr Kreuzchen nur „aus Enttäuschung“, also rein aus Protest, gesetzt zu haben. Wenn es aber ernst wird und Rot-Rot droht, wenden sich die Wähler zumindest in Westdeutschland vom unproduktiven Protestverhalten ab und wählen lieber die sichere CDU – auch das zeigt die Saar-Wahl.

Der Schulz-Effekt

Einen „Schulz-Effekt“ gibt es durchaus – aber anders, als ihn die SPD erhoffte: Er bedeutet eine allgemeine Politisierung und politische Polarisierung der Gesellschaft. Mit dem von Schulz ausgehenden Linksruck der SPD wurden die Konturen der beiden Volksparteien wieder klarer sichtbar, die beiden großen Parteien schafften es wieder besser, ihre im Lauf der Jahre eingeschlafenen oder abgewanderten Wählerpotenziale an sich zu binden und zum Gang an die Wahlurnen zu bewegen. Allerdings hat der Medienhype um Schulz sowie das drohende rot-rote Bündnis an der Saar offensichtlich vor allem die CDU-Wähler mobilisiert.

Die CDU könnte nun, so meinen Analytiker, den von Schulz angestoßenen Trend zur Politisierung und Polarisierung verstärken, indem sie selbst klare liberal-konservative Signale setzt, diese offensiv kommuniziert und sich ihrerseits wieder aktiver um ihre traditionellen Stammwähler bemüht, die in den vergangenen Jahren teils zur Konkurrenz, teils in Resignation und Wahlenthaltung abgewandert sind. Dies könnte der CDU auch im Blick auf die Bundestagswahl in die Karten spielen, denn das Hauptproblem der Union sei in den letzten Jahren vor allem die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft gewesen.

CDU profitiert von der Polarisierung

CDU und SPD haben so offenbar viele Wähler, die bereits mit kleineren Parteien oder Wahlenthaltung liebäugelten, zurückgewonnen – nach dem Motto: Wenn es ernst wird, setzt man auf das Vertraute und auf die stärksten Kräfte. Zusammen haben CDU und SPD im Saarland 70,3 Prozent erzielt, das ist ein recht gutes Ergebnis für die Volksparteien insgesamt. Damit haben sie den vielfach kommentierten Anti-Volksparteien-Trend des Jahres 2016 komplett gedreht, als etwa im September bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin CDU und SPD zusammen nur noch auf 39,2 Prozent kamen.

Das zeigt die deutlich höhere Wahlbeteiligung von 69,7 Prozent und die Wählerwanderung im Bereich der Nichtwähler: Nicht die AfD profitierte wie bei den letzten drei Landtagswahlen von der höheren Wahlbeteiligung, sondern vor allem die CDU und danach die SPD. Denn die Saar-SPD hatte vor Ausrufung von Schulz im Januar nur bei 24 Prozent gelegen. Sogar Christian Lindner reklamiert einen „Schulz-Effekt“ für seine Partei: Die Veranstaltungen der FDP seien besser besucht gewesen als früher, man habe auch neue Mitglieder gewonnen.

Schulz: Thema Gerechtigkeit zieht kaum

Ansonsten aber beklagt die Saar-FDP, zwischen den beiden erstarkten Polen CDU und SPD „zerrieben“ worden zu sein. Das dürfte auch für die Grünen gelten, die zusätzlich bürgerliche Wähler verschreckten, indem sie in ihr altes Schema der Verbotspartei zurückfielen – etwa mit der Androhung eines Verbots von Verbrennungsmotoren bis 2030. Solche Ideen wollen die Wähler offensichtlich nicht unterstützen.

Neben Schulz als Kandidat („Messias aus Würselen“) wurde an der Saar auch sein einziger bisheriger politscher Inhalt, die angebliche Gerechtigkeitslücke, abgestraft: 66 Prozent der Saarländer halten die wirtschaftliche Lage für gut, nur 33 Prozent für schlecht. Der jüngste Deutschlandtrend von Dimap lieferte sogar noch deutlichere Werte: So hielten 78 Prozent (!) die persönliche wirtschaftliche Lage für gut oder sehr gut. Und die „Gerechtigkeit“ sehen 50 Prozent in Deutschland erfüllt.

Und andererseits – wenn die SPD nun unter Hinweis auf Kramp-Karrenbauer, Dreyer und Kretschmann die Allmacht des Amtsbonus beschwört, so kann man sich schon fragen: Was bitte sollte die CDU und Angela Merkel an einem starken Amtsbonus stören?