Nicht nur auf dem Oktoberfest kommen Bayern und Zugewanderte überwiegend gut miteinander aus. (Foto: Imago/Ralph Peters)
Zuwanderung

Musterland der Integration

Die Migranten in Bayern fühlen sich sehr gut integriert und sehen sich als Teil der Gesellschaft im Freistaat. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie der Hanns-Seidel-Stiftung. Die mit Abstand meisten Zuwanderer würden die CSU wählen. Besonders viele Anhänger hat die Partei unter Menschen aus Polen, Rumänien und den ehemaligen Sowjetrepubliken.

Bayern ist die Vorstufe zum Paradies: So lobt Ministerpräsident Horst Seehofer regelmäßig den Freistaat. Dass nicht nur viele alteingesessene Bayern das so empfinden, sondern der überwältigende Teil der Zugewanderten, zeigt eine aktuelle Studie der Hanns-Seidel-Stiftung. In einer breit angelegten Untersuchung ließ die Stiftung erkunden, wie es um „politische Partizipation und Integration von Migranten“ im Freistaat steht. Dazu wurden mehr als 2000 Zuwanderer der ersten und zweiten Generation aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern umfassend befragt. Das erfreuliche Fazit: Migranten in Bayern fühlen sich persönlich gut integriert, sind als Gruppen nicht radikalisiert und sehen sich als Teil der Gesellschaft.

Die meisten wollen bleiben

Die Integration von Migranten in Bayern befindet sich auf einem bemerkenswert hohen Niveau. Die überwiegende Mehrheit der Befragten fühlt sich hier sehr wohl, ist mit Wohnumfeld, Beruf, Zukunftsperspektiven sowie der herrschenden Lebensqualität überaus zufrieden und kommt mit Nachbarn und Kollegen ausgesprochen gut zurecht. Gefragt, wie gut sie selbst in Deutschland integriert seien, vergeben die Migranten im Schnitt den Wert 7,9  auf  einer Skala von 0 bis 10. In Deutschland bleiben wollen 73 Prozent der Migranten.

Auf dem Weg zu einer perfekt integrierten Gesellschaft hat Bayern drei Viertel geschafft.

Joachim Schulte, Data4U

„Das heißt, dass 80 Prozent der Migranten in Bayern sich als gut integriert fühlen“, erklärt  Joachim Schulte, Geschäftsführer und Studienleiter beim Institut Data4U, das im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung die Untersuchung durchgeführt hat. „Nach 25jähriger Erfahrung als Migrationsforscher hätte ich ein derart positives Ergebnis zum Stand der Integration in Bayern kaum für möglich gehalten“, sagt Schulte. „Auf dem Weg zu einer perfekt integrierten Gesellschaft hat Bayern drei Viertel geschafft“, so sein Fazit.

Starke Wirtschaft, viele Jobs

Der Migrationsforscher sieht vor allem zwei Gründe für die positiven Ergebnisse: Die starke Wirtschaft in Bayern und damit einhergehend die geringe Zahl der Arbeitslosen sowie die ländlich geprägte Struktur des Freistaates. „70 Prozent der Zuwanderer leben in kleineren Städten und Gemeinden. Dies verhindert eine  integrationshemmende Ghettoisierung und Isolation, wie man sie in vielen Großstädten sonst oft vorfindet“, so der Experte. „Das Zusammenleben in kleineren Gemeinden fördert Kommunikation, gute Nachbarschaft und damit gegenseitiges Verständnis und die Integration.“ Sein Rat an die Politik: „Baut keine Ghettos, sondern verteilt die Menschen gleichmäßig im Land.“

Die Zuwanderer, auch das zeigt die Studie, sind zu 70 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Leben in Bayern. Sie fühlen sich sicher (72 Prozent) und die große Mehrheit kann berichten, bislang kein Opfer von Diskriminierung geworden zu sein (70 Prozent).  Jeder Zweite (51 Prozent) gibt an, die deutsche Sprache nahezu perfekt zu beherrschen, ein weiteres Drittel (30 Prozent) verfügt nach eigener Einschätzung über ausreichende oder befriedigende Deutschkenntnisse. Bei der Religion bekennen sich 53 Prozent als Christen, 23 Prozent als Muslime und 20 Prozent gehören keiner Religionsgemeinschaft an.

Türken fremdeln am stärksten

Besonders gut integriert und zufrieden mit ihrem Leben in Bayern fühlen sich die Migranten aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Sie erreichen auf dem Integration-Lebensqualität-Index einen Wert von 84 von 100 möglichen Punkten und bewegen sich damit nahe an der Grenze zur „perfekten“ Integration. Die größte Distanz zum Leben in Bayern wurde bei türkeistämmigen Migranten ermittelt (67 von 100 Punkten). Sie weisen laut der Studie auch die höchste Rückkehrabsicht sowie die engste Anbindung ans Mutterland auf und beteiligen sich häufig noch an Wahlen im Herkunftsland.

Deutliche Lücken zeigen sich bei den Migranten beim Wissen über das politische System und die Parteien. 40 Prozent der Befragten sahen sich nicht in der Lage, die beiden großen Parteien CSU und SPD zu beurteilen. Bei den kleineren Parteien mussten bis zu 60 Prozent der Befragten passen. Politisch interessiert ist etwa ein Drittel der Zuwanderer, ein weiteres Drittel interessiert sich so gut wie nicht für politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Über ein vollständiges Wahlrecht in Deutschland verfügen 44 Prozent der Migranten. Jeder Vierte hat trotz Wahlrecht bislang noch nie seine Stimme abgegeben.

Deutliche Mehrheit für die CSU

Bei der Sonntagfrage (Landtagswahlen) unter Migranten würde die CSU mit 46 Prozent die mit Abstand meisten Stimmanteile erzielen. Es folgen SPD (26 Prozent), Linke (9 Prozent), Grüne (8 Prozent) sowie die AfD (6 Prozent). Alle weiteren Parteien scheitern an der 5-Prozent-Hürde. Besonders groß ist der Rückhalt für die CSU unter Migranten aus Polen, Rumänien und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Besonders wenige Wähler hat die CSU unter Zuwanderern aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und den arabischen Staaten.

Vergleicht man die Ergebnisse der aktuellen Sonntagsfrage mit dem früheren Wahlverhalten, ergibt sich ein weiteres interessantes Ergebnis: Die CSU kann ihren Stimmenanteil nahezu halten und verliert nur 2,8 Prozentpunkte. Deutlich schlechter schneidet die SPD im Freistaat ab: Sie büßt 9,3 Prozentpunkte ein.

Die hohe Zustimmung zur CSU spiegelt sich auch in den politischen Themen wieder, die von den Migranten als besonders wichtig erachtet werden. An Platz eins stehen die Wirtschaftspolitik und Wirtschaftswachstum, gefolgt von Bildung und dem Ausbau von Bildungseinrichtungen sowie die innere Sicherheit. Klassisch sozialdemokratische Themen wie soziale Gerechtigkeit und eine gerechte Steuerpolitik rangieren dagegen deutlich abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. „Die Migranten in Bayern sehen, dass ihnen die starke Wirtschaft Sicherheit gibt“, erklärt Institutsleiter Schulte diese Präferenzen. „Und wer einen Job hat, der integriert sich gut.“

Tendenz zur politischen Mitte

Eine Radikalisierung unter den Zuwanderern konnten die Meinungsforscher nicht feststellen: 38 Prozent der Migranten tendieren zur politischen Mitte, zum linken Lager rechnen sich 16 Prozent, nach rechts tendieren 12 Prozent.

Das Ergebnis der Studie gibt Zuversicht für die aktuellen Herausforderungen bei der Integration neuer Mitbürger.

Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung

Für Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, bringen die Ergebnisse neue Impulse für Politik und Gesellschaft: „Wir waren selbst überrascht über die hohe Akzeptanz des politischen Systems und der politischen Parteien durch Migranten. Es zeigt sich, dass die Integration in Bayern gut gelingen kann. Das gibt Zuversicht für die aktuellen Herausforderungen bei der Integration neuer Mitbürger!“