Die konservative Bundestagsabgeordnete und langjährige BdV-Präsidentin Erika Steinbach tritt aus der CDU aus. (Foto: Jürgen Heinrich/imago)
Austritt

Steinbach verlässt die CDU

Der angekündigte Austritt der konservativen Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach aus der CDU hat bei vielen CSU-Politikern Bestürzung ausgelöst. Die konservativen Wurzeln sind für die gesamte Union unverzichtbar, erklärt CSU-Generalsekretär Scheuer.

Mit Bestürzung reagiert die CSU auf die Ankündigung der konservativen Frankfurter Bundestagsabgeordneten und Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach, nach vier Jahrzehnten aus der CDU auszutreten. Gleichzeitig ermahnt die CSU die Schwesterpartei, eine konservative Linie zu halte und die konservative Wählerschaft nicht zu verprellen.

„Die konservativen Wurzeln sind unverzichtbar für CDU und CSU. Es wäre besser, wenn Frau Steinbach weiter in der CDU für ihre Positionen kämpfen würde“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der Passauer Neuen Presse.

Es ist Aufgabe der CDU-Parteiführung, die Vertreter des konservativen Flügels an die CDU zu binden und die eigene Politik so zu ändern, dass jene Leute noch bleiben können.

Hans-Peter Uhl, CSU-Bundestagsabgeordneter

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl gibt der CDU-Parteiführung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Mitschuld am Parteiaustritt von Erika Steinbach: „Es ist nicht richtig, wie die Parteiführung der CDU mit Politikern wie Erika Steinbach umgegangen ist“, sagte Uhl der Zeitung Welt. Es sei Aufgabe der Parteiführung, „die Vertreter des konservativen Flügels an die CDU zu binden und die eigene Politik so zu ändern, dass jene Leute noch bleiben können“, meint Uhl, der wie auch Steinbach dem konservativen „Berliner Kreis“ von CDU/CSU angehört und Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist.

Steinbachs Kritik „absolut berechtigt“

Dass unter der CDU-Führung eine solche Einbindung der Konservativen nicht geschehen sei, ist nach Uhls Ansicht „ein schwerer Fehler der Parteiführung“. Einen solchen Fehler, so Uhl weiter, dürfe „man auch nicht gegenüber jenen Konservativen machen, die bereit sind die AfD zu wählen“. Diese Leute dürfe man nicht diffamieren oder stigmatisieren. „Vielmehr müssen wir konservative AfD-Anhänger zurückholen“, sagte Uhl in der Welt.

Aus der CSU wäre Erika Steinbach nicht ausgetreten, da bin ich mir ganz sicher.

Bernd Fabritius, CSU-Bundestagsabgeordneter und Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV)

Steinbachs Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung unter Angela Merkel hält der Innenexperte Uhl „für absolut berechtigt“. Der eigentliche Parteiaustritt Steinbachs an sich sei aber falsch. „Ich war“, so Uhl, „am Sonntagmorgen in der Kirche und dachte während der Predigt: Wenn mir die nicht gefällt, dann sage ich das dem Pfarrer, aber ich trete deshalb nicht aus der Kirche aus.“ Deshalb finde er „es nicht richtig, dass Erika Steinbach die CDU nun verlässt“.

Besser innerhalb der Partei kämpfen

„Diesen Schritt Erika Steinbachs bedauere ich“, erklärte der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius, der gleichzeitig Steinbachs Nachfolger als Präsident des Bundes der Vertriebenen (BDV) ist. „Ich teile zwar nicht jede, aber so einige Meinungen meiner Kollegin“, so Fabritius. Er teile aber keinesfalls die von ihr gezogene Schlussfolgerung, nämlich aus der CDU auszutreten: „Wenn ich etwas verändern und zum Besseren bewegen möchte, dann mache ich selbst das lieber aktiv, von innen heraus und nicht durch Rückzug. Gerade auch der CDU haben streitbare Kollegen unterschiedlicher Richtungen im Ringen um die richtigen Lösungen meist gut getan“, so der Vertriebenenpolitiker.

Das Dokumentationszentrum als Mahnung gegen Flucht und Vertreibung hätte es ohne ihr Engagement nie gegeben.

Wolfgang Bosbach, CDU-Bundestagsabgeordneter

Ganz besonders bedauert Fabritius, „dass eine profilierte Kollegin nun politisch heimatlos wird. Aus der CSU wäre Erika Steinbach nicht ausgetreten, da bin ich mir ganz sicher“. Die Union sei diejenige politische Kraft „mit den Lösungen, Populisten von Links und Rechts bieten solche gerade nicht“.

Bosbach lobt Steinbach als „aufrechte, streitbare Demokratin“

Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach hat sich „überrascht“ vom Parteiaustritt seiner langjährigen Partei- und Fraktionskollegin. „Ich habe sie immer als aufrechte, streitbare Demokratin kennengelernt, die für ihre Überzeugungen gekämpft hat“, sagte Bosbach der Zeitung Rheinische Post. Bosbach verwies darauf, dass Steinbach viel „Anerkennung und Respekt“ in der Fraktion bekommen habe. „Sie hat sich oft durchgesetzt. Das Dokumentationszentrum als Mahnung gegen Flucht und Vertreibung hätte es ohne ihr Engagement nie gegeben.“

Sowohl der ökonomische als auch der kulturelle Schaden sind für Deutschland ohne Beispiel und in ihrem Ausmaß noch überhaupt nicht in vollem Umfang abschätzbar.

Erika Steinbach, Bundestagsabgeordnete, über Merkels Flüchtlingspolitik

Der hessische CDU-Politiker Christean Wagner, einer der konservativen Wortführer innerhalb der CDU, sieht in Steinbachs Austritt einen „zusätzlichen Ansporn“ für die CDU-Spitze, stärker auf die konservative Wählerschaft Rücksicht zu nehmen. Andernfalls werde die Union weitere große Wahlniederlagen erleiden, sagte Wagner der dpa.

Steinbach rechnet ausführlich mit Merkel ab

Steinbach hatte in einer fünfseitigen Erklärung ausführlich mit dem Kurs von Kanzlerin Merkel und der CDU-Führung abgerechnet. Die langjährige BdV-Präsidentin warf Merkel eine völlig verfehlte Politik vor. Merkel habe sowohl der CDU als auch Deutschland „mit ihren einsamen Entscheidungen in wesentlichen Politikbereichen massiv geschadet“. Als Beispiele nannte Steinbach den von Merkel 2011 überraschend beschlossenen Atomausstieg und die milliardenschweren Euro-Rettungspakte. Steinbach kritisierteaber vor allem, Merkel entscheide notfalls „auch unter Außerachtlassung von Recht und Gesetz“, etwa bei der faktischen Außerkraftsetzung des Dublin-Abkommens in der Flüchtlingspolitik.

Bis zum heutigen Tage wissen wir noch immer nicht, wer genau mit diesem Zustrom in unser Land gekommen ist.

Erika Steinbach, Bundestagsabgeordnete, über Merkels Flüchtlingspolitik

Steinbach schreibt, Merkel habe einsam entschieden, „mehr als eine Million Migranten ungesteuert und unüberprüft monatelang nach Deutschland nicht nur einreisen zu lassen, sondern sie auch noch mit Bussen und Zügen hierher zu transportieren, obwohl viele aus einem sicheren Herkunftsland kamen und praktisch alle über andere EU-Länder eingereist waren, und demgemäß nach geltendem EU-Recht (Dublin Abkommen) hätten zurückgewiesen werden müssen“. All das habe geltendem Recht widersprochen. „Sowohl der ökonomische als auch der kulturelle Schaden sind für Deutschland ohne Beispiel und in ihrem Ausmaß noch überhaupt nicht in vollem Umfang abschätzbar.“ Damit nicht genug: „Bis zum heutigen Tage wissen wir noch immer nicht, wer genau mit diesem Zustrom in unser Land gekommen ist.“ Mit den Migranten seien aber auch Terroristen gekommen, wie sich gezeigt habe.

Steinbach schließt Wechsel zur AfD aus

„Vor diesem Hintergrund war es mehr als befremdlich, im Grunde sogar unverfroren, dass die Kanzlerin eine gute Zusammenarbeit mit dem zukünftigen amerikanischen Präsidenten Trump in ihrer Gratulation an ‚den Respekt vor dem Recht‘ knüpfte. Eine Anforderung, der sie selbst wiederholt und in eklatantem Ausmaß nicht entsprochen hat“, bilanzierte Steinbach.

Maßlose und unberechtigte Vorwürfe über die Medien und nicht im direkten Gespräch zu verbreiten, ist nicht konservativ.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber

Einen Wechsel zur AfD schloss sie aber aus. „Ich werde keiner anderen Partei beitreten“, sagte Steinbach am Sonntag in Frankfurt dem ZDF. In dem Interview nannte sie unter anderem die Migrationspolitik und den Umgang von Merkel mit der eigenen Partei als Grund für ihren Parteiaustritt. „Ich mag den Menschen Angela Merkel“, sagte sie. „Es ist fast nicht möglich, sie nicht zu mögen“. Es sei ihr allerdings nicht möglich, in einem Wahljahr für diese CDU zu werben. Daher sei der Austritt konsequent und logisch. In einem Interview mit der Welt am Sonntag sagte Steinbach: „Würde ich aktuell CDU wählen? Nein. Würde ich heutzutage gar in die CDU eintreten? Nein. Daraus kann ich nur die ehrliche Schlussfolgerung ziehen, die CDU zu verlassen.“

Tauber fordert Mandatsverzicht

CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat die Art und Weise des Partei-Austritts der Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach kritisiert. „Ich finde es bedauerlich, dass Frau Steinbach ihn auf diese Art und Weise vollzieht. Maßlose und unberechtigte Vorwürfe über die Medien und nicht im direkten Gespräch zu verbreiten, ist nicht konservativ“, sagte Tauber der dpa. Wähler in Frankfurt hätten Steinbach Vertrauen geschenkt, weil sie Kandidatin der CDU gewesen sei. Deshalb müsse sie ihr Mandat zurückgeben. Zugleich sagte er, Steinbach habe sich Verdienste in der Vertriebenenpolitik erworben.