CSU-Parteichef Horst Seehofer. (Bild: A. Schuchardt)
Bund-Länder

Durchbruch nach langer Nachtsitzung

Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten haben die letzten Streitpunkte bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ausgeräumt. Der Bund schießt schwachen Ländern 9,5 Milliarden Euro jährlich zu, Bayern wird um 1,35 Milliarden entlastet. Dafür erhält der Bund zusätzliche Kompetenzen, etwa bei der Autobahnverwaltung und bei Co-Investitionen in Kommunen.

Überraschender Durchbruch bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen: Nach einem stundenlangen nächtlichen Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit, beide Seiten hätten sich auf ein entsprechendes Gesetzespaket verständigt. Mit der Einigung könnte das Bundeskabinett die Änderungen des Grundgesetzes und Einzelgesetze zur Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarungen auf den Weg bringen. Nach dem Spitzentreffen war dies zunächst noch offen.

Die bayerischen Interessen sind gewahrt, wichtige bayerische Forderungen sind erfüllt.

Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident

Die gesamten Neuregelungen bei den Bund-Länder-Finanzen sollen am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden – und nicht wie ursprünglich angekündigt in einer Sondersitzung noch am Freitag. Die Absprachen müssten zunächst als Gesamtpaket in die nötige Form gebracht werden, hieß es aus Regierungskreisen. Es müssten noch einige „Feinheiten“ geklärt werden, sagte Merkel. Dabei geht es vor allem um die Finanzierung der Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende, der bereits vom Bundeskabinett beschlossen ist. Bisher trägt der Bund ein Drittel der Kosten, die Länder zwei Drittel.

Bayern wird um 1,35 Milliarden jährlich entlastet

Ministerpräsident Horst Seehofer hat das in der Nacht erzielte Verhandlungsergebnis zur weiteren Umsetzung der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen begrüßt. Seehofer erklärte: „Bund und Länder haben sich auch beim nächsten Schritt zur Umsetzung der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen als handlungsfähig erwiesen. Auch mit den beschlossenen Verfassungsänderungen bleibt der Föderalismus in Deutschland unangetastet.“

Seehofer betonte, Änderungen in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gebe es nur in dem Umfang, wie Bund und Länder es bereits am 14. Oktober 2016 beschlossen hatten. „Die bayerischen Interessen sind gewahrt, wichtige bayerische Forderungen sind erfüllt. Die Reform des Länderfinanzausgleichs mit einem Entlastungsvolumen für Bayern von rund 1,35 Milliarden Euro jährlich wird jetzt im Grundgesetz und im Finanzausgleichsgesetz verankert.“ Auch die im Interesse des Bundes festgelegten Neuregelungen können nach den Worten des Ministerpräsidenten von Bayern mitgetragen werden.

Die Einzelheiten:

  • Die Bundesfernstraßen bleiben im unveräußerlichen Eigentum des Bundes.
  • Die Infrastrukturgesellschaft bleibt in der Hand des Bundes, wird nicht privatisiert und nur für die Bundesautobahnen zuständig sein. Die Straßenbauverwaltung für die übrigen Bundesstraßen bleibt unangetastet. Für Beschäftigte und Standorte gibt es umfassende Bestandsgarantien.
  • Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern wird ein übergreifender informationstechnischer Zugang zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern geschaffen. In die Verwaltungs- und Verfahrenshoheit der Länder wird nicht eingegriffen.
  • Trotz der Möglichkeit für den Bund, finanzschwachen Kommunen bei Investitionen in Schulen und andere Bildungseinrichtungen befristet zu helfen, bleibt es bei der Bildungshoheit der Länder. Das Kooperationsverbot wird nicht gelockert.

Faire, ehrliche und harte Verhandlungen

Bund und Länder hatten sich im Grundsatz am 14. Oktober auf eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Im Gegenzug für jährliche Hilfen des Bundes von gut 9,52 Milliarden Euro für die Länder ab dem Jahr 2020 soll der Bund mehr Kompetenzen erhalten – etwa bei Fernstraßen, in der Steuerverwaltung, bei Investitionen in Schulen sowie Online-Angeboten der Verwaltung. Einigkeit besteht nun auch zu den Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen.

Im Grundsatz ist das heute ein Riesenschritt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Merkel sagte nach den etwa neunstündigen Gesprächen im Kanzleramt, man habe sich auf alle notwendigen Grundgesetzänderungen sowie die politischen Eckpunkte für die Einzelgesetze verständigt, um den Bund-Länder-Finanzausgleich auf den Weg zu bringen. „Im Grundsatz ist das heute ein Riesenschritt.“ Es sei fair, ehrlich und hart verhandelt worden, sagte Merkel. „Einige Dinge“ müssten aber noch geklärt werden – vor allem der erweiterte Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende. Es gebe aber breite Übereinstimmung, dass auch dieses Gesetz mit dem Gesamtpaket auf den Weg gebracht werde.

Kompromiss war bis zuletzt fraglich

Das endgültige Reformpaket würde dann im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat ausverhandelt. Beschlossen werden sollen die zahlreichen Grundgesetzänderungen sowie die Einzelgesetze dann im Frühjahr nächsten Jahres. Der schwierige Finanzpakt könnte damit aus dem Bundestagswahlkampf 2017 herausgehalten werden.

Nach einem Kompromiss hatte es angesichts erheblicher Differenzen bis kurz vor dem Treffen im Kanzleramt nicht ausgesehen. Die Länder hatten die vom Bund geforderten Kompetenzen als viel zu weitgehend abgelehnt. Sie warfen besonders Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, mit immer neuen Vorschlägen für Grundgesetzänderungen weit über die Bund-Länder-Vereinbarungen vom Oktober hinauszugehen.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefs Erwin Sellering (SPD), rechnet mit einer Einigung zum erweiterten Unterhaltsvorschuss. Es müssten aber noch viele schwierige Fragen geklärt werden. Völlig klar sei aber, dass dies ebenfalls zum Gesamtkonzept gehöre, sagte Sellering.

(dpa/PM/wog)