Geben und Nehmen im Kanzleramt
Bund und Länder beraten über das umstrittene Gesetzpaket zur Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen. Der Deal sah im Grundsatz vor: die Länder bekommen mehr Geld, der Bund mehr Kompetenzen.
Finanzpakt

Geben und Nehmen im Kanzleramt

Bund und Länder beraten über das umstrittene Gesetzpaket zur Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen. Der Deal sah im Grundsatz vor: die Länder bekommen mehr Geld, der Bund mehr Kompetenzen.

Strittig sind immer noch Pläne von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für mehr Kompetenzen des Bundes, die in der Grundsatzeinigung zwar vorgesehen waren, aber offenbar nicht in dem jetzt vorgelegten Umfang. Bund und Länder hatten sich Mitte Oktober auf eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Im Gegenzug für jährliche Hilfen von gut 9,52 Milliarden Euro ab 2020 sollte der Bund mehr Kompetenzen erhalten – etwa bei Fernstraßen, Steuerverwaltung oder Investitionen in Schulen. Doch bei den Details hakt es bisher. Die Länder monieren, der im bisherigen Referentenentwurf des Bundes geregelte Eingriff in den Kompetenzbereich der Länder gehe deutlich über die am 14. Oktober getroffenen Vereinbarungen hinaus. Der Bund sagt, eine Vereinbarung gebe es nur im Gesamtpaket.

Bei dem Spitzentreffen der Ministerpräsidenten der 16 Länder mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht es unter anderem auch um die geplante Infrastrukturgesellschaft des Bundes. Sie soll Bau, Planung und Betrieb der Autobahnen und zumindest eines Teils der Bundesstraßen bündeln und für mehr Effizienz sorgen. Gegner kritisieren, dass Privatisierungen von Autobahnen oder Fernstraßen durch die Hintertür ermöglicht werden könnten.

Hoffnung auf Annäherung

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD), sagte auch die jüngsten Vorschläge des Bundes hätten für große Verärgerung in den Ländern gesorgt. Basis für eine Einigung müsse aber die Vereinbarung von Mitte Oktober sein. Mit Blick auf die folgenden Gespräche sagte er: „Wir fahren also nicht mit großer Begeisterung ins Kanzleramt.“ Man hoffe auf eine Annäherung. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), warnte vor einer völlig neuen Staatsarchitektur.

Da muss noch ein dickes Brett gebohrt werden…, um da Bewegung reinzukriegen.

Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident Sachsen-Anhalt

Hilfen für das Saarland und Bremen

Am 9. Dezember will die Bundesregierung das Paket aus Änderungen des Grundgesetzes sowie Einzelgesetzen zur Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarungen im Kabinett beschließen. Sollte es bis dahin keine endgültige Einigung mit den Ländern geben, wird auf das weitere Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat gesetzt. Endgültig beschlossen werden soll das Reformpaket im Frühjahr.

Ab 2020 soll der Bund den finanzschwachen Ländern Saarland und Bremen jeweils 400 Millionen Euro jährlich als zusätzliche Sanierungshilfen gewähren. Der Bund verlangt dafür im Gegenzug den Schuldenabbau in den beiden Ländern sowie mehr Mitspracherechte bei der Überwachung der Länderhaushalte.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz sieht aber keine gravierenden Probleme mehr bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern. „Es gibt keine größeren Baustellen. Es gibt viele kleine Baustellen – und daran wird munter gewerkelt“, sagte er vor dem Treffen.

Konfliktthemen zwischen Bund und Länder

Unterhaltsvorschuss 

Die Finanzierung der schon vom Bundeskabinett beschlossenen Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende ist offen. Bisher trägt der Bund ein Drittel der Kosten, die Länder zwei Drittel.

Infrastrukturgesellschaft des Bundes 

Sie soll von 2021 an als GmbH Investitionen ins Fernstraßennetz bündeln. Einig sind sich Bund und Länder, dass die Gesellschaft neben Autobahnen auch Fernstraßen übernimmt, wenn ein Land dies beantragt. Die Länder sind aber dagegen, dass nur der Bund den Übergang der Autobahnen in die Bundesverwaltung gesetzgeberisch regelt. Ein unmittelbares Weisungsrecht wird ebenfalls abgelehnt – auch wegen eines drohenden Stellenabbaus in den Länderverwaltungen.

Stabilitätsrat 

Das gemeinsame Bund-Länder-Gremium soll nach Vorstellungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Einhaltung der Schuldenbremse in den Ländern überwachen. Die Länder lehnen das ab, da diese in den Ländern unterschiedlich verankert sei. Schäubles Vorschlag „bedeutet in doppelter Weise eine verschärfende Regelung, die über die Vereinbarung hinausgeht“, schreiben sie.

Investitionen

Der Bund will stärker kontrollieren, ob die Länder zugewiesene Bundesmittel als Finanzhilfe für Investitionen sinnvoll einsetzen. Die Länder lehnen die geplanten Regeln zu erweiterten Steuerungsrechten ab. Dieser Vorschlag führe dazu, „dass der Bund mit jedem einzelnen Land Sondervereinbarungen über die Ausgestaltung von Förderprogrammen abschließen kann“. Berichts-, Vorlage- und Erhebungsrechte bis hin zu Weisungsrechten werden abgelehnt. Vereinbart worden sei, dass Kontrollrechte durch den Bundesrechnungshof und nicht durch die Ressorts ausgeübt werden.

Sanierungshilfen

Zur besonderen Entlastung des Saarlandes und Bremens werden jeweils 400 Millionen Euro gewährt. Die Länder lehnen die Vergabe der Mittel gegen Auflagen wie einen Schuldenabbau ab.

Digitalisierung

Die Online-Anwendungen der öffentlichen Verwaltung sollen verbessert werden. Die Länder wehren sich gegen erweiterte Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und einen Eingriff in das Verwaltungshandeln der Länder. Vereinbart sei ein gemeinsamer Portalverbund mit einem informationstechnischen Zugang zu den Verwaltungsleistungen des Bundes und der Länder. Es gehe nicht darum, für sämtliche eingestellten Online-Angebote der Verwaltung einheitliche Standards und Sicherheitsanforderungen zu regeln.

Steuerverwaltung

In der Steuerverwaltung der Länder soll der Bund mehr Rechte erhalten, etwa bei IT-Standards und im Kampf gegen Steuerbetrug. Die Länder lehnen es ab, dass künftig mit einfacher Mehrheit der Länder Einfluss auf die Zusammenarbeit der Steuerverwaltung genommen werden kann.

(dpa/AS)