Finanz-Staatssekretär Jens Spahn unterstützte den letztlich siegreichen Antrag der JU zur Wiedereinführung der Optionspflicht im Staatsbürgerschaftsrecht – und lieferte sich dabei ein heißes Rededuell mit Innenminister Thomas de Maizière. (Foto: Imago/Rüdiger Wölk)
CDU-Parteitag

Konservative Zeichen

Der CDU-Parteitag hat den Leitantrag einstimmig verabschiedet. Darin fordern die Christdemokraten nicht nur konsequentere Abschiebungen, sondern auch das Verbot von Vollverschleierung á la Burka. Zusätzlich setzte die CDU-Basis eigene konservative Signale – unter anderem mit der Wiedereinführung der Optionspflicht bei der Staatsbürgerschaft.

Der CDU-Parteitag in Essen hat den Leitantrag „Orientierung in schwierigen Zeiten – für ein erfolgreiches Deutschland und Europa“ einstimmig verabschiedet, der eine merklich konservativere Politik als bisher einläutet. Der Leitantrag umfasst nicht nur ein Bekenntnis zu wesentlich konsequenteren Abschiebungen und zu einem Verbot der Vollverschleierung („Burka-Verbot“). Außerdem sollen die Abschiebehaft ausgeweitet und Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber gekürzt werden.

Zudem fordert die CDU die Einrichtung von Transitzonen für Asylbewerber an den Grenzübergängen. Von Delegierten wurde darauf hingewiesen, dass die Transitzonen bereits im November 2015 im Koalitionsausschuss beschlossen worden seien, allerdings habe die SPD anschließend die Umsetzung blockiert. Der Parteitag beschloss auch, dass die deutsche Sprache Verfassungsrang erhalten soll. Das Grundgesetz soll um den Satz ergänzt werden: „Die Sprache der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch.“ Daneben legt sich die CDU unter anderem darauf fest, grundsätzlich keine Steuern zu erhöhen.

Konservative Basis überstimmt die Antragskommission

Darüber hinaus setzte die Basis mit Einzel-Anträgen eindeutige konservative Zeichen und überstimmte in einigen Fällen die zurückhaltenderen Voten der Antragskommission – also praktisch der CDU-Führung. Der aufsehenerregendste Beschluss des Parteitags ist die deutliche Einschränkung der doppelten Staatsbürgerschaft für Nicht-EU-Bürger – respektive die Wiedereinführung der bis 2014 geltenden Optionspflicht für junge Erwachsene. Dies betrifft nach 1990 in Deutschland geborene Kinder von Zuwanderern von außerhalb der EU.

Ist doch in Ordnung, wenn die CDU eine klare Position hat.

Thomas Strobl, stellvertretender Parteichef der CDU

Bis 2014 bestand eine Optionspflicht, die der ursprünglichen Position der Union entsprach: In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern mussten sich zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Da das jetzige Votum der CDU allerdings dem Koalitionskompromiss mit der SPD zu Beginn der Legislaturperiode 2013 widerspricht, meldeten Nachrichtenagenturen umgehend: „CDU will Regelung zu Doppelpass kippen.“ SPD-Fraktionschef Oppermann warnte sogleich vor einem „Verstoß gegen den Koalitionsvertrag“.

Doppelpass-Ablehnung geht ins Wahlprogramm ein

Jedoch wiesen Insider der Berliner Abläufe darauf hin, dass dieser CDU-Parteitagsbeschluss in der laufenden Legislaturperiode höchstwahrscheinlich keine praktischen Auswirkungen mehr haben wird, sondern eher als Positions-Ansage ins CDU-Wahlprogramm 2017 eingehen wird. So erklärte Unionsfraktionschef Volker Kauder einerseits zwar: „Beschlüsse des Bundesparteitags werden natürlich in der Bundestagsfraktion ernst genommen.“

Die Union im Bund habe aber immer einen Koalitionspartner, mit dem sie über Beschlüsse sprechen müsse, so schränkte Kauder andererseits ein. Die Delegierten müssten Verständnis dafür haben, dass ein Parteitagsbeschluss nicht gleich Gesetzestext werden könne. Etwas anderes sei, Beschlüsse in einem Wahlprogramm für die Wahl 2017 zu verdeutlichen. CDU-Vize Thomas Strobl erklärte: „Ist doch in Ordnung, wenn die CDU eine klare Position hat.“

Inwiefern nützt Erdogans „fünfte Kolonne“ an Doppelstaatlern der Integration?

Viele Beobachter kritisierten die umgehend einsetzende Empörung SPD, Grünen und Linkspartei als gekünstelt und aufgesetzt. Wenn etwa SPD-Cehf Gabriel von einem „schlimmen Beschluss“ spreche und Justizminister Maas (SPD) vor einem „riesigen Rückschritt für die Integration“ warne, müsse man schon fragen, inwiefern umgekehrt eine „fünfte Kolonne“ Erdogans aus hunderttausenden deutsch-türkischen Doppelstaatlern und den daraus resultierenden gespaltenen Loyalitäten wirklich der Integration nützen könne.

Es ist keine Zumutung, jungen Menschen eine bewusste Entscheidung abzuverlangen.

Jens Spahn (CDU), Finanz-Staatssekretär

Der Antrag zur Wiedereinführung der Optionspflicht war von der Jungen Union eingebracht worden und wurde maßgeblich von Finanzstaatssekretär Jens Spahn unterstützt. Spahn lieferte sich ein interessantes Rededuell mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der vor Konflikten in der Koalition gewarnt hatte – und davor, junge Deutsch-Türken „vor den Kopf zu stoßen“. Spahn aber machte klar, dass es hier um die ureigenste Position der CDU gehe. „Wir sind hier auf einem Parteitag“, sagte Spahn unter dem Jubel der Delegierten. Es sei keine Zumutung, „jungen Menschen eine bewusste Entscheidung abzuverlangen“.

Beschluss ist kein Affront gegen Merkel

Die Junge Union verwahrte sich gegen Unterstellungen, der Parteitags-Beschluss sei ein „Affront“ gegen CDU-Chefin Angela Merkel. „Ich wehre mich dagegen, dass das als Angriff auf Angela Merkel interpretiert wird“, sagte JU-Bundeschef Paul Ziemiak der Bild-Zeitung. „Ich finde es nicht in Ordnung, wenn unser Antrag als Aktion gegen die Parteiführung interpretiert wird.“

Wir wollen schlicht zurück zur alten Rechtslage: Wer als Ausländer nach Deutschland kommt, sollte sich am Ende entscheiden müssen, welche Staatsbürgerschaft er haben will. Die Bürger wünschen sich ein klares Bekenntnis zu Deutschland.

Paul Ziemiak, JU-Bundesvorsitzender

Man komme bei einem Parteitag doch zusammen, „um auch über Themen zu streiten“, sagte Ziemiak und bekräftigte: „Wir wollen schlicht zurück zur alten Rechtslage: Wer als Ausländer nach Deutschland kommt, sollte sich am Ende entscheiden müssen, welche Staatsbürgerschaft er haben will.“ Die Menschen wünschten sich ein klares Bekenntnis zu Deutschland. Er hoffe, „dass nicht weiter jede inhaltliche Auseinandersetzung auf die Frage verengt wird: Sind Sie für oder gegen Angela Merkel?“

CSU ist erfreut über klare Ansage der CDU

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer lobte das Votum der CDU-Basis: „Es ist eine gute Entscheidung des CDU-Parteitags, die Optionspflicht im Staatsbürgerschaftsrecht wieder einführen zu wollen. Es ist richtig, im Wahljahr das Profil zu schärfen.“ Die CSU habe sich bereits zuvor für die Wiedereinführung der Optionspflicht ausgesprochen. „Die Ausweitung der doppelten Staatsbürgerschaft war ein bitterer Kompromiss, der sich nicht bewährt hat“, sagte Scheuer.

Wer die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, muss klar zeigen, dass er sich zu unseren Werten und Prinzipien bekennt – und wer dazu bereit ist, braucht auch keine weitere Staatsbürgerschaft.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer

„Der deutsche Pass ist kein Ramschartikel, den man eben so mal mitnimmt“, erklärte der CSU-Generalsekretär. Wer als Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wolle, solle klar zeigen, „dass er sich zu unseren Werten und Prinzipien bekennt – und wer dazu bereit ist, braucht auch keine weitere Staatsbürgerschaft“, betonte Scheuer.

CSU hat Doppelpass immer abgelehnt

Klare Zustimmung kam auch von der CSU-Landesgruppe im Bundestag. „Die CSU-Landesgruppe hat eine generelle doppelte Staatsbürgerschaft immer abgelehnt“, erklärte der innenpolitische Sprecher Michael Frieser. Auch wenn Koalitionskompromisse nicht leichtfertig in Frage gestellt werden dürften, sei es wichtig, diese Debatte zu führen. Der „Doppelpass“ sei – im Gegensatz zu bestehenden, historisch gewachsenen Ausnahmeregelungen etwa innerhalb der EU – „nicht wünschenswert“, so Frieser.

Unsere Staatsangehörigkeit darf niemals beliebig sein.

Michael Frieser, innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag

Frieser erläuterte: „Die Auseinandersetzung und bewusste Entscheidung sind für das Gefühl von Zugehörigkeit und Loyalität positiv. In 98 Prozent der Fälle bekannten sich die jungen Menschen klar zu Deutschland. Das zeigt, dass sie Teil unseres Landes sind und das auch so empfinden.“ Dies könnten die jungen Leute auch durchaus tun, ohne ihre Wurzeln oder die Heimat ihrer Eltern zu verleugnen, betonte Frieser. „Es ist möglich, seine Zukunft in einem Land zu planen und gleichzeitig die Traditionen der Eltern zu pflegen und wertzuschätzen.“

Niemand solle in einen unauflösbaren Loyalitätskonflikt gestürzt werden, so Frieser. Dennoch: „Wenn man sich aber nie festlegen, nie damit auseinandersetzen muss, wohin man gehören möchte, wird eine Staatsangehörigkeit, die automatisch neben eine weitere tritt, schnell beliebig. Und beliebig darf unsere Staatsangehörigkeit, die normalerweise am Ende einer erfolgreichen Integration steht, niemals sein.“

Kauder kritisiert Wankelmütigkeit der SPD

Fraktionschef Kauder rief in seiner Parteitagsrede die CDU zu größerem Selbstbewusstsein und zu einem intensiven Wahlkampf auf: „Wir müssen so stark werden, dass gegen uns nicht regiert werden kann.“ Gleichzeitig kritisierte er rot-grüne Landesregierungen und die SPD-Bundestagsfraktion für ihre Wankelmütigkeit speziell bei der Inneren Sicherheit. So sei das Risiko, im rot-grünen NRW Opfer eines Einbruchs zu werden, sechsmal höher als im CSU-regierten Bayern. Das Risiko für einen Einbrecher, erwischt zu werden, liege in Bayern bei über 30 Prozent, in anderen Ländern unter 10 Prozent. „Das hat natürlich auch mit der Regierung zu tun“, so Kauder.

Die Bürger zahlen Steuern und erwarten zu Recht, dass der Staat sie und ihr Eigentum schützt.

Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag

Die Bürger zahlten Steuern und erwarteten im Gegenzug „zu Recht“, dass der Staat sie und ihr Eigentum schützt, so Kauder. Daher sei es doppelt unverständlich, dass die Bundestags-SPD die Unionsforderung nach einer Erhöhung des Strafrahmens für Einbruch auf ein Jahr Haft um die Hälfte reduziere, kritisierte der Unionsfraktionschef. Wenn die Mindeststrafe nämlich bei einem Jahr liege, handle es sich rechtlich um ein Verbrechen, die Staatsanwälte könnten die Verfahren dann nicht mehr ohne Weiteres einstellen, so Kauder. Insbesondere Justizminister Maas (SPD) zog sich Kauders Zorn zu: Der Minister sei sehr präsent in den Medien und in Talkshows, aber er habe es immer noch nicht geschafft, endlich einen Gesetzentwurf zum Verbot von Kinderehen vorzulegen, kritisierte der Fraktionschef.

(dpa/PM/wog)

Zahlen, Fakten und Argumente zur doppelten Staatsbürgerschaft

Doppelstaatlichkeit wird von deutscher Seite grundsätzlich akzeptiert im Fall der Staaten der Europäischen Union und der Schweiz – nicht aber im Fall der Türkei. Ebenso gibt es Länder, die ihre Bürger nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen, etwa Afghanistan, Iran, Libanon, Marokko und Tunesien. Wenn Türken sich in Deutschland einbürgern lassen wollen, dabei aber ihren türkischen Pass behalten möchten, müssen sie nachweisen, dass ihnen durch die Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit in der Türkei unzumutbare Nachteile entstehen würden.

Bis 2014 galt für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern die Optionspflicht: Sie konnten bis zum 18. Lebensjahr beide Staatsangehörigkeiten haben, mussten sich dann aber bis zum 23. Geburtstag für eine der beiden entscheiden. Diese Regelung galt seit 2000 und rückwirkend für alle nach 1990 geborenen Kinder und Heranwachsenden. Der CDU-Parteitag votierte jetzt mit 51 Prozent für die Rückkehr zu dieser Regelung.

2014 einigten sich Union und SPD nach langwierigen Verhandlungen auf folgende Regelung zum „Doppelpass“: Die Betroffenen müssen sich nicht mehr zwischen zwei Pässen entscheiden, sondern können beide auf Dauer behalten. Die Voraussetzung: Bis zum 21. Geburtstag muss jemand mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben oder sechs Jahre hier zur Schule gegangen sein. Als Nachweis reichen auch ein deutscher Schulabschluss oder ein Ausbildungszeugnis. Liegen die Belege vor dem 21. Geburtstag nicht vor, schauen die Behörden danach selbst ins Melderegister, ob die Person acht Jahre in Deutschland gemeldet war. Ist das so, wird nichts weiter geprüft. Andernfalls müssen Nachweise vorliegen.

Die Union, vor allem die CSU, war im Grunde immer gegen den „Doppelpass“. Unter anderem zur Stärkung der Inneren Sicherheit und zum Schutz vor Terror plädierten Politiker von CDU und CSU immer wieder dafür, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen. Zuletzt geriet der „Doppelpass“ wegen der massiven Sympathiekundgebungen von zehntausenden Deutsch-Türken für Präsident Erdogan in Köln und anderen Städten ins Zwielicht. Beobachter stellten die Frage, inwiefern ein Heer von hunderttausenden deutsch-türkischen Doppelstaatlern die deutsche Innenpolitik beeinflussen könnte, sozusagen als „fünfte Kolonne“ Erdogans. Von der gespaltenen Loyalität der Doppelstaatler könne ein erhebliches Druckpotenzial ausgehen, so die Kritiker des Doppelpasses. Außerdem sei eine solche gespaltene Loyalität der eigentlichen Integration in Deutschland im Grunde nicht förderlich, sondern abträglich.

Wie der Spiegel berichtet, gibt es nur eine einzige Erhebung zur tatsächlichen Zahl der doppelten Staatsbürgerschaften in Deutschland, und zwar im Rahmen des Zensus 2011 – also deutlich vor Lockerung der „Doppelpass“-Regelung 2014. Schon damals, am Stichtag 9. Mai 2011, lebten 4,3 Millionen Inhaber von zwei Pässen in Deutschland. Den größten Anteil daran haben Spätaussiedler, so hatten 690.000 Deutsche zusätzlich die polnische, 570.000 die russische Staatsangehörigkeit. Direkt danach aber folgten die Deutsch-Türken: 530.000 Menschen hatten bereits 2011 die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft parallel.

Das ist interessant im Blick auf die politischen Implikationen, denn Doppelstaatler dürfen in beiden Ländern wählen. So ermittelte der deutsche Ableger der Erdogan-Partei AKP, die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), dass 64 Prozent der Deutsch-Türken bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD stimmte, jeweils 12 Prozent für Grüne und Linkspartei, nur 7 Prozent für die Unionsparteien. Von daher sind die heftigen Reaktionen der SPD auf den Beschluss des CDU-Parteitags nachvollziehbar.

Bei türkischen Wahlen erleichterte die Erdogan-Regierung die Stimmabgabe für Türken in Deutschland: Seit der Präsidentenwahl 2014 dürfen Auslandstürken in allen türkischen Konsulaten weltweit wählen. Dieser Schritt ist aus Sicht der AKP nicht ganz uneigennützig: Denn bei der Parlamentswahl am 1. November 2015 stimmten 59,7 Prozent der 570.000 türkischen Wähler in Deutschland für die Erdogan-Partei. Das ist mehr als in allen anderen europäischen Ländern und sogar deutlich mehr als in der Türkei selbst: Dort kam die AKP „nur“ auf gut 49 Prozent. (dpa/Spiegel/wog)