Nicht der Schnellste: Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD. (Bild: Imago/Becker&Bredel)
Heiko Maas

Der Schläfer

Kommentar Bundesjustizminister Heiko Maas spielt nach seiner „Rent-a-Sozi“-Affäre den rührigen Macher. Dabei kamen die meisten "seiner" neuen Ideen von der CSU und warten oft schon seit Jahren darauf, dass sie endlich umgesetzt werden.

Man muss nur auf drei Beispiele blicken, bei denen Maas große „Initiativen“ ankündigt, als ob sie ganz aktuell wären und von ihm selbst kämen.

1. Die Einbrüche

Da ist das keineswegs neue Thema Wohnungseinbrüche. Seit Jahren steigen die Fallzahlen in diesem Kriminalitätsbereich durch meist osteuropäische Banden stark an. Es ist ein Delikt, dass die Betroffenen nicht nur materiell schädigt, sondern auch massiv verunsichert. Manche Opfer können danach aus Angst nicht mehr in ihrer Wohnung oder ihrem Haus wohnen. 2013 wurde hier im Koalitionsvertrag auf Druck der Union eine Verschärfung der Strafen vereinbart – doch Maas geruhte zu ruhen.

Für die Opfer ist ein Wohnungseinbruch nie ein ‚minder schwerer Fall‘!

Winfried Bausback, Bayerischer Justizminister, Anfang 2015

Deshalb stellte Bayerns Justizminister Winfried Bausback im Bundesrat im März 2015 einen bayerischen Gesetzentwurf vor: Wohnungseinbruchdiebstahl sollte danach künftig nicht mehr als minder schwerer Fall geahndet werden. Darüber hinaus sollte das Delikt – unabhängig davon, ob es bandenmäßig begangen worden ist oder nicht – Anlass für eine Telekommunikationsüberwachung sein können. Bausback damals: „Steigende Kriminalität, höhere Schäden und verängstigte Opfer. Diese Entwicklung ist am allgemeinen Sicherheitsempfinden der Bevölkerung nicht spurlos vorübergegangen. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Anstrengungen intensivieren und dabei auch gesetzgeberische Verbesserungen im Strafrecht angehen. Für die Opfer ist ein Wohnungseinbruch nie ein ‚minder schwerer Fall‘!“ Wiederholt mahnte der bayerische Justizminister in den folgenden Monaten seinen Bundeskollegen an, diese Reform endlich umzusetzen. Vergeblich.

Wir müssen alles tun, um die Menschen in ihren eigenen vier Wänden so gut wie möglich zu schützen.

Heiko Maas, im November 2016

Erst jetzt, Ende November 2016, kündigte Maas an, er wolle die Strafen für Einbruchsdelikte deutlich nach oben setzen, um der steigenden Zahl von Wohnungseinbrüchen zu begegnen. „ICH bin dafür, dass es bei Einbruchsdiebstählen im Strafrecht keine ‚minder schweren‘ Fälle mehr gibt“, so der Minister, als ob das seine originäre Idee wäre. Und weiter: „Die Streichung des ‚minder schweren‘ Falls ist das, was WIR vorschlagen.“ Dann könne eine Strafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren verhängt werden, sagte Maas der Funke Mediengruppe. Einbrüche seien Straftaten, „die in die Intimsphäre der Menschen eindringen – und bei den Opfern traumatische Folgen haben können“. Und „noch vor Weihnachten“ soll ein entsprechender Gesetzentwurf vorliegen! „Wir müssen alles tun, um die Menschen in ihren eigenen vier Wänden so gut wie möglich zu schützen“, versprach der seit so langer Zeit überaus inaktive Herr Maas.

Randnotiz:

Auch die SPD-Innenminister trafen sich „schon“ Anfang November 2016 und waren ebenfalls „up to date“ mit ihrer Forderung nach einer Ausweitung der Telefonüberwachung auf potenzielle Einbrecherbanden, die Erprobung von sogenannter Prognose-Software und gemeinsamen grenznahen Kontrollen mit Nachbarstaaten. Ersteres forderte Bausback Anfang 2015, die beiden letzteren Punkte werden in Bayern (siehe etwa hier: Precobs) seit Jahren durchgeführt.

2. Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte

Im gleichen Interview mit der Funke Mediengruppe erklärte Maas jetzt auch, „noch in diesem Jahr“ einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, um Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute wirkungsvoller vor Angriffen zu schützen. „Höchste Zeit“ dafür sei es, weil „die Zahl der tätlichen Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte“ steige. In „besonders schweren Fällen“, etwa bei gemeinschaftlichen oder bewaffneten Attacken, solle es ebenfalls eine sechsmonatige Mindeststrafe geben.

Schon wieder eine gute neue Idee des SPD-Ministers? Mitnichten.

Leider ist die unheilvolle Tendenz erkennbar, dass unsere Polizeibeamten zunehmend hemmungsloser Gewalt von Chaoten und Krawallmachern ausgeliefert sind.

Beate Merk, Bayerische Justizministerin, 2010

Bereits im November 2010 sagte Bayerns damalige Justizministerin Beate Merk: „Leider ist die unheilvolle Tendenz erkennbar, dass unsere Polizeibeamten zunehmend hemmungsloser Gewalt von Chaoten und Krawallmachern ausgeliefert sind. Sie riskieren ihre Gesundheit, manchmal sogar ihr Leben.“ Besonders gefährdet seien sie bei Großereignissen wie Fußballspielen, Großdemonstrationen oder Kundgebungen am 1. Mai. Künftig sollten aber auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte durch eine neu eingeführte Strafvorschrift besser vor Angriffen geschützt werden. Zwar wurden auf Initiative Bayerns hier 2011 einige wesentliche Änderungen erreicht, insbesondere die Heraufsetzung der Höchststrafe für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte von zwei auf drei Jahren. Wesentliche Punkte blieben aber offen, auch dank der damaligen FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Im August 2012 forderte Merk darum erneut eine Verschärfung des Strafrechts, auch bei Attacken etwa gegen Gerichtsvollzieher und Rettungskräfte.

Es wird Zeit, dass das Bundesjustizministerium einen konsensfähigen Gesetzesentwurf vorlegt.

Sebastian Gemkow, Sächsischer Justizminister, Juni 2016

Maas war also sicher davon in Kenntnis, dass Änderungen notwendig waren. Geändert hat sich in drei Jahren Amtstätigkeit: Nichts. Anfang Juni 2016 forderten die Länderjustizminister erneut einen besseren Schutz für Amtsträger und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sowie gegen Mitarbeiter der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes. „Vorschläge zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes liegen auch aus Sachsen schon seit Langem auf dem Tisch. Es wird Zeit, dass das Bundesjustizministerium einen konsensfähigen Gesetzesentwurf vorlegt“, mahnte damals neben Bausback auch der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU).

3. Verbot von Kinderehen

Im Frühjahr 2016 begann, ebenfalls auf Initiative von Bayerns Justizminister Bausback, die Diskussion um ein Verbot von Kinderehen, deren Zahl durch die vielen moslemischen Flüchtlinge stark anstiegen. „Der verfassungsrechtlich fest verankerte Kinder- und Jugendschutz erfordert eine klare Lösung: Ehen mit unter 16-jährigen Mädchen, die im Ausland geschlossen wurden, sind in unserem Land von Anfang an null und nichtig. Damit setzen wir nicht nur das deutlichste Signal gegen Kinderehen – wir schützen auch das Kindeswohl am besten“, forderte Bausback. Eine Aufhebung sei dagegen der falsche Weg und dauere zudem viel zu lange: „Indem man Kinderehen nur für aufhebbar erklärt, erkennt man sie zunächst an. Und das wollen wir doch gerade alle nicht!“ Auch der Einwand, Mädchen dadurch ins „soziale Abseits“ zu schieben, ziehe nicht. „Wenn unsere Jungendämter Minderjährige gegebenenfalls in ihre Obhut nehmen, kann man wohl kaum von ’sozialem Abseits‘ sprechen. Im Gegenteil: Häufig ermöglicht dies erst den Weg in die Integration!“, so Bausback.

Jeder Tag, an dem die betroffenen Mädchen in unserem Land zunächst weiter bei ihren ‚Ehemännern‘ verbleiben, ist ein Tag zu viel!

Winfried Bausback, Bayerischer Justizminister, Anfang 2016

Weil wieder nichts passierte, legte der Staatsminister Mitte Juni einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung vor. Er bot zugleich die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe an, was Maas auch annahm. Es wäre nun also rasch möglich gewesen, das Heiratsalter auf 18 Jahre anzuheben.

Anfang November meldeten einige Zeitungen dann einen völlig verkorksten Gesetzentwurf von Maas (Bild: „Murks nach Maas“), nach dem Gerichte im Ausland geschlossene Kinderehen künftig nur dann auflösen können, wenn das Kindeswohl des minderjährigen Ehepartners gefährdet sei. Somit hätte beispielsweise ein 14-jähriges Mädchen vor Gericht gegen ihren Ehemann aussagen müssen, dass ihr Kindeswohl gefährdet sei. Hätten sich aber weder Kind noch Jugendamt beschwert, wäre die Ehe gültig gewesen. Angesichts des Drucks der eigenen Eltern, die ihre minderjährigen Kinder oft an viel ältere Männer verheiraten, wären so wohl fast alle Kinderehen gültig geblieben.

Kinder sollen Kinder sein dürfen. Deshalb gilt in Bayern: zuerst heranwachsen, dann heiraten.

Emilia Müller, Bayerische Sozialministerin

„Junge Mädchen gehören in die Schule – nicht vor den Traualtar“, betonte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. „Kinder sollen Kinder sein dürfen. Deshalb gilt in Bayern: zuerst heranwachsen, dann heiraten“, ergänzte Bayerns Sozialministerin Emilia Müller. Da hieß es plötzlich bei Maas: „Der derzeit bei einigen Medien kursierende Entwurf ist veraltet.“ Dass aber überhaupt jemand eine solch absurde Regelung in einen Gesetzentwurf einfließen lässt, ist schon Skandal genug, nicht nur wegen der verschwendeten Zeit.

Heiko Maas änderte den Kurs ein wenig: „Wir müssen die derzeitige Rechtslage deutlich verschärfen. Heiraten darf grundsätzlich erst, wer 18 Jahre alt ist“, so der Justizminister zur Passauer Neuen Presse. Da wollte der Minister auch „noch im November“ einen neuen Gesetzentwurf vorlegen. Für 16- bis 18-Jährige solle es „Härtefallregeln“ geben, etwa wenn es schon Kinder gebe. Sonst verlören die jungen Mütter jeden Unterhaltsanspruch. Dass unsere Gesellschaft solche Verstöße gegen unsere Werte- und Gesellschaftsordnung heutzutage in keinem Fall akzeptieren darf, kam ihm nicht in den Sinn. Dass er damit das Tor für Parallelgesellschaften öffnet, sah er nicht. Denn es wäre doch vermutlich zementiert, dass alle ausländischen Kinderbräute ab 16 Jahren vor ihrer „ehelichen Zusammenführung“ in Deutschland von ihren älteren Zwangspartnern geschwängert würden – damit die Ehe auch anerkannt wird.

Fazit

Eine Frage bleibt in jedem Fall: Warum brauchen so wichtige Gesetze im Bundesjustizministerium so viele Jahre, bis man sich am Ende doch den bayerischen Vorschlägen anschließt?