Bürgerbefragung widerspricht Verfassung
Die von der CSU durchgesetzten unverbindlichen Volksbefragungen verstoßen gegen die Bayerische Verfassung. Mit dieser Entscheidung gab der Bayerische Verfassungsgerichtshof Klagen der Oppositionsparteien statt.
Urteil

Bürgerbefragung widerspricht Verfassung

Die von der CSU durchgesetzten unverbindlichen Volksbefragungen verstoßen gegen die Bayerische Verfassung. Mit dieser Entscheidung gab der Bayerische Verfassungsgerichtshof Klagen der Oppositionsparteien statt.

Die von der Regierungsmehrheit durchgesetzten unverbindlichen Volksbefragungen verstoßen gegen die Bayerische Verfassung. Mit dieser Entscheidung gaben die obersten bayerischen Richter Klagen von SPD und Grünen statt. Der entsprechende Gesetzespassus sei mit der Verfassung unvereinbar und damit nichtig, sagte Gerichtspräsident Peter Küspert.

„Wir nehmen dieses Urteil gelassen zur Kenntnis“, sagte Innenminister Joachim Herrmann im Bayerischen Rundfunk. Das Urteil sage nur aus, dass das Gesetz eine verfassungsrechtliche Grundlage brauche. Der Verfassungsgerichtshof habe laut Herrmann aber auch deutlich gesagt, dass die Volksbefragungen zulässig seien, wenn sie in die Verfassung aufgenommen werden. Diese Möglichkeit werde nun geprüft. Die Rechte der Opposition seien jedenfalls laut Gericht nicht gefährdet, so Herrmann. Insbesondere die SPD wollte auch für die Opposition im Landtag ein Recht, eine solche Befragung einleiten zu können.

Kritik gegen Instrument der Bürgerbeteiligung

Die CSU-Mehrheit hatte die unverbindlichen Volksbefragungen als neues Instrument der Bürgerbeteiligung gegen massive Kritik durchgesetzt. Seit dem 1. März 2015 waren solche Befragungen möglich, etwa über große Verkehrsprojekte und andere landesweit wichtige Entscheidungen. Vorgesehen war, dass nur die Landtagsmehrheit und die Staatsregierung solche Volksbefragungen veranlassen kann, nicht aber die Opposition. Bisher wurde von dieser Möglichkeit allerdings noch nicht Gebrauch gemacht. Konkret ging es in dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof darum, ob die Änderung des Landeswahlgesetzes zur Durchführung von Volksbefragungen mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist.

„Stärkung der Demokratie zulasten der Bedeutung von Landtagswahlen“

Der Verfassungsgerichtshof urteilte nun, die Einführung von Volksbefragungen hätte einer Verankerung in der Verfassung bedurft. Die CSU hatte sich für eine einfache Gesetzesänderung entschieden. Küspert sagte in der Urteilsbegründung, durch die Volksbefragungen werde das Volk in größerem Umfang an der Staatswillensbildung beteiligt als es verfassungsmäßig bestimmt sei. Es handele sich um eine Stärkung der direkten Demokratie zulasten des Grundsatzes der repräsentativen Demokratie und damit auch zulasten der Bedeutung von Landtagswahlen.

Diese Verschiebung im fein austarierten staatsorganisationsrechtlichen System darf ohne Verfassungsänderung nicht vorgenommen werden.

Urteil der Verfassungsrichter

Die Staatsregierung will jetzt mögliche alternative Wege hin zu unverbindlichen Volksbefragungen prüfen. Die Richter hätten „in einer juristisch umstrittenen Frage Klarheit geschaffen, dass Volksbefragungen grundsätzlich möglich sind, allerdings einer Verankerung in der Verfassung bedürfen“, erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Wir werden die Entscheidungsgründe sorgfältig analysieren und die Möglichkeiten ausloten, dieses Ziel weiter zu verfolgen.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, Josef Zellmeier, kündigte an, man wolle den Weg zu mehr Bürgerbeteiligung fortsetzen. Möglich wäre nach dem Urteilsspruch eine Änderung der Bayerischen Verfassung, um doch noch unverbindliche Volksbefragungen oder etwas ähnliches einzuführen. Dafür notwendig wäre aber unter anderem eine Zweidrittelmehrheit im Landtag.

Unterschied zwischen Volksentscheid und Volksbefragung

Nicht zu verwechseln sind die Volksbefragungen mit Volksbegehren und Volksentscheiden, die es in Bayern schon seit 1946 gibt. Dafür gibt es strikte Regeln, bestimmte Quoren und auch thematische Einschränkungen. Grundsätzlich aber können die Wähler auf diesem Wege sogar Gesetze ändern oder erlassen. Volksbefragungen sollten dagegen nicht rechtlich bindend sein, aber politisch hohes Gewicht entfalten.

dpa/AS