Kein Augenmaß gefragt
Mit ihrer Mahnung zu „Augenmaß“ bei der Verfolgung von Islamisten hat die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, einen Sturm der Entrüstung in der Union ausgelöst. CSU-Landesgruppenchefin spricht von "völlig falsch verstandener Toleranz", Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wirft Özoguz vor, Misstrauen gegen die Sicherheitsorgane zu schüren.
Salafisten

Kein Augenmaß gefragt

Mit ihrer Mahnung zu „Augenmaß“ bei der Verfolgung von Islamisten hat die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, einen Sturm der Entrüstung in der Union ausgelöst. CSU-Landesgruppenchefin spricht von "völlig falsch verstandener Toleranz", Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wirft Özoguz vor, Misstrauen gegen die Sicherheitsorgane zu schüren.

Nach dem Verbot des salafistischen Vereins „Die wahre Religion“ hat die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, mit einer Äußerung über das Vorgehen der Sicherheitsbehörden große Empörung ausgelöst. Özoguz hatte den Sinn von Razzien, wie sie die Polizei in mehreren deutschen Städten gegen die Islamisten durchgeführt hatte, grundsätzlich angezweifelt. Ob das „ein richtiger Weg“ sei, müssten die Sicherheitsbehörden wissen. Denn: „Wenn nichts dabei herauskommt, hinterlässt das Spuren“, so die SPD-Politikerin. „Da hat man den Eindruck von Willkür, da werden natürlich schnell auch Verschwörungstheorien wach, was man eigentlich als Staat mit diesen Menschen macht.“ Man müsse bei der Strafverfolgung von Islamisten mit „sehr großem Augenmaß“ vorgehen, damit es nicht heiße, es werde willkürlich in Moscheen eingedrungen.

„Özoguz hat selbst jegliches Augenmaß verloren“

Aus den Reihen der Union kommt jetzt massive Kritik an der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf Özoguz vor, sie habe offenbar selbst jedes Augenmaß verloren. „Eine falsch verstandene Toleranz ist völlig fehl am Platz, wenn es um die Sicherheit der Menschen in Deutschland geht“, sagte Hasselfeldt der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Organisation „Die wahre Religion“ habe verfassungsfeindliche Ideologien verbreitet und Jugendliche radikalisiert – da könne es keine zwei Meinungen geben, betonte die CSU-Politikerin.

Eine falsch verstandene Toleranz ist völlig fehl am Platz, wenn es um die Sicherheit der Menschen in Deutschland geht.

Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann warf der Migrationsbeauftragten vor, sie liege mit ihrer Warnung völlig daneben: „Auch nur anzudeuten, dass Sicherheitsbehörden hier willkürlich vorgegangen sein könnten, schürt massives Misstrauen gegen unsere Sicherheitsorgane“, sagte der CSU-Politiker der Berliner Zeitung.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber widersprach der Staatsministerin ebenfalls deutlich: Im Kampf gegen Islamisten sei „kein Augenmaß gefragt, sondern die volle Härte des Gesetzes“. Tauber weiter: „Anstatt unseren Sicherheitsbehörden für ihre hervorragende Arbeit zu danken, tritt ihnen Frau Özoguz vors Schienbein.“

Polizeigewerkschaft nennt Äußerungen „unfassbar“

Die Vertreter der Polizei äußerten ebenfalls heftige Kritik. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, nannte es „unfassbar“, wie Özoguz dem Bundesinnenminister und den Sicherheitsbehörden in den Rücken falle. „Frau Özoguz spricht von Willkür – so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Hier sei ein klärendes Wort der Bundeskanzlerin nötig. „Die Äußerungen von Frau Özuguz sind eine grenzenlose Frechheit“, sagte Wendt der Jungen Freiheit. „Offenbar kennt sich Frau Özoguz mit Islamisten wesentlich besser aus als mit der inneren Sicherheit. Ich rate ihr daher, sich bei diesem Thema in großer Zurückhaltung zu üben.“

Die Äußerungen von Frau Özuguz sind eine grenzenlose Frechheit.

Rainer Wendt, Deutsche Polizeigewerkschaft

Und auch aus den Reihen der Muslime wird die Razzia begrüßt: Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, begrüßte das Verbot des Salafisten-Vereins. „Das dient dem Schutz aller Bürger – übrigens auch dem der Muslime“, sagte Mazyek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Özoguz will nicht „missverstanden werden“

Özoguz hat inzwischen mit einer Erklärung auf die Empörung reagiert und ruderte zurück. Sie habe „selbstverständlich“ vollstes Vertrauen in die deutschen Sicherheitsbehörden und deren Vorgehensweisen, ließ die SPD-Politikerin plötzlich wissen. Sie wolle auf keinen Fall „missverstanden“ werden. Dabei gab es an ihrer ersten Erklärung nichts falsch zu verstehen. „Jeder erfolgreiche Schlag gegen radikale Salafisten ist wichtig und ein großer Erfolg im Kampf gegen religiösen Extremismus“, hieß es in der neuen Mitteilung weiter. Statt sich für ihre erste Äußerung über willkürliche Sicherheitsbehörden in aller Deutlichkeit zu entschuldigen, versuchte Özoguz nun, doch irgendwie Recht zu behalten. Razzien allein könnten „die Radikalisierung vor allem junger Leute aber nicht verhindern, dazu braucht es vor allem mehr Präventionsarbeit. Den Kampf gegen Islamisten können wir zudem nur gemeinsam mit den Muslimen gewinnen“, schob die Integrationsbeauftragte nach.

Toleranz für Intoleranz ist das falsche Signal.

Georg Anastasiadis

„Fundamentalisten, die sich in ihrer Märtyrerrolle gefallen, können sich dank Özuguz’ Geplapper jetzt auch noch auf ein Mitglied von Merkels Bundesregierung berufen“, kommentierte dagegen Georg Anastasiadis, Chefredakteur des Münchner Merkur. „Toleranz für Intoleranz ist das falsche Signal für ein Land, in dem unterschiedliche Religionen und Kulturen zueinander finden sollen.“ Eine Integrationsministerin, die das nicht verstehe, sei „eine Fehlbesetzung“.

Im Amt „nicht länger tragbar“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung war schon mehrfach mit ihren Äußerungen zu Zuwanderung und Asyl negativ aufgefallen. Erst vor kurzem wandte sie sich gegen einen Leitantrag der CSU, in dem die Partei dem Politischen Islam den Kampf ansagt. Özuguz warf der CSU daraufhin vor, sie schüre einen „Generalverdacht“ gegen Muslime – ein unter linken beliebtes Totschlagargument. Genau dieser „Generalverdacht“ wurde in dem CSU-Leitantrag jedoch ausdrücklich verneint und mehrfach sehr deutlich auf die Trennung von Islam und Politischem Islam verwiesen. Schon in diesem Fall gab es Vorwürfe, dass Özoguz mit ihrem Amt offenbar überfordert sei.

Der Kinder- und Jugendschutz erfordert eine klare und konsequente Lösung – und die lautet: Kinderehen sind in unserem Land von Anfang an null und nichtig.

Winfried Bausback

Davor hatte sich die Integrationsbeauftragte gegen ein generelles Verbot von Kinderehen in Deutschland gewandt, wie es unter anderem die CSU fordert. Özoguz dagegen sah die Gefahr, junge Frauen könnten durch die Auflösung derartiger Ehen „ins soziale Abseits“ gedrängt werden. Polizeigewerkschafts-Chef Wendt nannte Özuguz daraufhin „nicht länger tragbar.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf der SPD-Politikerin vor, sie verhindere mit ihren Aussagen „aktiv die Integration in unsere Werteordnung“.  Scheuer nannte das Verhalten von Özoguz „beschämend und absolut unwürdig für eine Integrationsbeauftragte der Bundesregierung“. Bayerns Justizminister Winfried Bausback forderte im Gegensatz zu Özoguz, dass Kinderehen von Anfang an nichtig sein müssten. „Das schützt das Kindeswohl am besten und ist – auch nach außen – das klarste Signal gegen Kinderehen. Jeder Tag, an dem die betroffenen Mädchen in unserem Land zunächst weiter bei ihren ‚Ehemännern‘ verbleiben, ist ein Tag zu viel!“ Der Kinder- und Jugendschutz erfordere hier eine klare und konsequente Lösung.

„Bei all diesen Äußerungen muß man sich meiner Ansicht nach inzwischen die Frage stellen, ob sie überhaupt die richtige Person für diesen Posten ist“, meinte auch der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, Ismail Tipi.

(dos/avd)