Die Zahl der Unfälle mit Wildtieren hat um 10 Prozent zugenommen. (Bild: Norbert/Fellechner)
Wildwechselradar

App „Wuidi“ bald im Navi?

Eine der häufigsten Unfallursachen in Bayern sind Wildtiere. Die App "Wuidi" warnt vor Kollisionen mit Wildschweinen und Co. Kommt es doch zum Crash, hilft der digitale Service bei der Unfallabwicklung. Hinter der Erfindung stecken drei junge Tüftler aus Niederbayern.

Das Reh hatte keine Chance. Alfons Weinzierl konnte nicht rechtzeitig ausweichen. Nach dem Aufprall liegt das Tier regungslos neben seinem Auto. Wen soll er jetzt anrufen? Und wo ist er überhaupt? „Die Abwicklung vom Wildunfall lief damals äußerst umständlich“, erinnert sich Weinzierl an das Unglück im Dezember 2014. Doch der Vorfall brachte den Wirtschaftsinformatik-Studenten auf eine Geschäftsidee: ein digitaler Wildwechselradar. Er soll nicht nur bei der Abwicklung vom Unfall helfen, sondern Autofahrer rechtzeitig vor Gefahrenstellen warnen, damit es gar nicht erst zum Crash kommt.

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App `Wuidi´ schützt vor Wildunfällen

Immer mehr Wildunfälle

Denn die Kollisionen mit Rehen, Wildschweinen und anderen Wildtieren nehmen immer mehr zu. Etwa alle zwei Minuten bauen Autofahrer in Deutschland rein rechnerisch einen Unfall mit einem Wildtier. Das geht aus der Schadensbilanz des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft hervor. Danach gab es 2015 rund 263.000 Unfälle mit Waldbewohnern. Das waren rund zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor.

„Fleischi“ for „Wuidi“

Trotzdem – für Weinzierl lag anfangs die größte Herausforderung darin, Geschäftspartner von der Idee zu überzeugen. Zwei Studienkollegen waren bald gefunden. Alexander Böckl hat die Verantwortung für Finanzen und das Administrative übernommen. Jozo Lagetar klemmte sich hinter die technische Entwicklung der App „Wuidi“.

Dafür brauchte er möglichst viele Daten. Informationen vergangener Wildunfälle, die Tageszeit und Brunftzeiten. Bereits die angebaute Fruchtfolge auf Feldern kann dazu führen, dass Tiere angelockt und an bestimmten Orten verstärkt Landstraßen kreuzen. Ermittelt der Algorithmus Bereiche, in denen erhöhte Wildwechselgefahr droht, bekommt der Autofahrer eine Warnung. Das Team hat dafür die Stimme vom ehemaligen Bayern-3-Moderator Bernhard Fleischmann gewonnen. Seitdem ist der gebürtige Niederbayer mit dem Spitznamen „Fleischi“ das Aushängeschild des Teams. Der akustische Warnhinweis lautet kurz „Wildwechsel aktiv“, damit der Fahrer nicht vom Straßenverkehr abgelenkt wird. Ertönt die Warnung, ist besonders aufmerksames und vorsichtiges Fahren geboten.

App ermittelt Ansprechpartner

Kommt es doch zum Unfall, leitet die App den Autofahrer an, welche Schritte zu erledigen sind. Per GPS wird der Standort ermittelt. Dadurch ist klar, welche Polizeidienststelle der Autofahrer anrufen muss und welcher Jagdrevier-Inhaber für das Gebiet verantwortlich ist. Für die Ermittlung der Ansprechpartner ist die App auf eine Internetverbindung angewiesen. Die Wildwarnung funktioniert auf Basis von GPS-Daten. Somit ist das Wildwechsel-Radar auch in einem Gebiet mit schlechter Anbindung einsatzbereit. Über die Revierportal-App können Jagdrevier-Inhaber Gefahrenabschnitte mit erhöhtem Wildwechsel markieren und bereits geschehene Wildunfälle notieren. 250 der insgesamt 11.700 Jagdreviere sind bereits registriert. Diese Daten nutzt auch die Wuidi-App um Gefahrenstellen zu bestimmen.

Multiplikatoren gesucht

Zwei Jahre Entwicklungsarbeit steckten die Jungs aus Niederbayern neben ihres Studiums in das Start-Up. „Es hat Mut und Durchhaltevermögen gebraucht, die App über so einen langen Zeitraum weiterzuentwickeln, jetzt brauchen wir Leute, die den Service bekannt machen“, sagt Weinzierl. Dabei setzt er auf die Zusammenarbeit mit dem bayerischen Innenministerium, der Polizei, dem Jagdverband sowie der Hans Lindner Stiftung. Die Polizeidienststellen füttern die App nicht nur mit Daten über bereits geschehene Unfälle. Seit dem offiziellen Start der App Anfang November 2016 dienen die Beamten auch als Multiplikatoren. So verteilen sie Infoflyer an betroffene Autofahrer, die einen Zusammenstoß mit einem Wildtier hatten. 3000 Autofahrer sind bereits registriert.

Team setzt auf Automobilbranche

Derzeit finanziert sich das junge Unternehmen über ein Gründerstipendium des Bundes. 135.000 Euro steht den Dreien für die Weiterentwicklung zur Verfügung. Für die Zeit danach setzt das Team auf Kooperationen mit der Automobil- und Versicherungsbranche. Schließlich zahlen die Versicherer pro Wildunfall durchschnittlich 2485 Euro. Künftig sollen auch Schritte bis hin zur Abwicklung mit der Versicherung in die App integriert werden. Beispielsweise könne auch die Meldung mit einer Wildunfallbescheinigung digital abgewickelt werden. Eine weitere Vision der Tüftler: den digitalen Service serienmäßig in Neuwagen und mobile Navigationssysteme einzubauen und damit flächendeckend Autofahrer und Wild zu schützen. Die kostenlose Wildwechselradar-App gibt es unter: www.wuidi.de.

Weniger Verkehrstote, mehr Verkehrsunfälle

Auch wenn in Bayern immer weniger Menschen bei Kollisionen sterben – die Zahl der Verkehrsunfälle nimmt immer mehr zu. So lautet die Halbzeitbilanz zum Bayerischen Verkehrssicherheitsprogramm 2020 „Bayern mobil – sicher ans Ziel„. Im vergangenen Jahr waren es über 390.000 Unfälle in Bayern, elf Prozent mehr als noch 2011. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr Auto- und auch Fahrradfahrer unterwegs sind. Hinzu kommen die Wildtiere. Immerhin: Seit Start des Programms im Jahr 2011 sank die Zahl der Verkehrstoten in Bayern von damals 780 um gut ein Fünftel auf 614 im Jahr 2015, dem niedrigsten Stand seit Beginn der Verkehrsunfallaufzeichnungen. Um die Zahl der Verkehrsunfälle weiter zu senken, setzt das Innenministerium auf verstärkte Polizeikontrollen, digitale Technik in der Infrastruktur und Prävention.