Sebastian Lackner aus Tittmoning stellt seinen Hof auf Heumilch-Erzeugung um. (Foto: A. Schuchardt)
Landwirtschaft

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Die Milchkrise verdeutlicht: Mehr Produktion ist nicht die Lösung. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner sieht in kreativen bäuerlichen Betrieben das Zukunftsmodell. So einen betreibt Sebastian Lackner. Auf seinem Hof in Tittmoning trifft neueste Technik auf Althergebrachtes.

Die Sterne leuchten noch über dem kleinen Landwirtschaftsbetrieb in Tittmoning im oberbayerischen Landkreis Traunstein. Aber Sebastian Lackner ist schon wach. Die neue automatische Melkanlage hat Alarm geschlagen. Eine Kuh blockiert die Box. Doch sobald sie ihn in der Stalltür sieht, trottet das Tier artig aus der Anlage. Platz frei für die nächste, deren Euter voll ist. Bei der Maschine kann jedes Tier selbst entscheiden, wann ihm ein Roboterarm die Milch abzapft.

„Ich bin total begeistert, die Kühe müssen sich erst an das System gewöhnen“, sagt Lackner, „aber der Roboter ist nur so gut wie der Mensch dahinter.“ Wer die Anlage richtig bedient, hat nur halb so viel Arbeitsaufwand pro Kuh. Dass außerdem feste Melkzeiten wegfallen, erleichtert Lackner die Heuproduktion. Und frisches Heu braucht er reichlich. Denn Futter mit Gärsäure, wie Silage, ist für seine 68 Fleckviecher ab sofort tabu.

„Einer muss anfangen“

Der 30-Jährige stellt den Familienbetrieb auf Bio-Heumilcherzeugung um. Der gelernte Landmaschinenmechaniker hat sich damit ehrgeizige Ziele gesetzt. Im Gegensatz zu Österreich, wo der Anteil von Heumilch bei 15 Prozent liegt, erreichte die silagefreie Milchproduktion in Bayern 2015 lediglich einen Anteil von 0,8 Prozent. Nur ein kleiner Teil davon wird biologisch erzeugt. „Einer muss anfangen. Es gibt überall bestimmte Nischen. Und wenn es andere Regionen können, dann schaffen wir das auch“, gibt sich Lackner zuversichtlich. Noch hat er keine Zusagen von Molkereien in der Region, die seine Heumilch abnehmen und den Zuschlag von bis zu sieben Cent pro Kilo Milch zahlen. Bis dahin soll sich der Hof auf anderen Wegen rechnen.

Es gilt nicht mehr, je größer desto wettbewerbsfähiger. Kreativität und Flexibilität zählen.

Helmut Brunner

Sobald Lackner die Herde auf 100 Kühe aufgestockt hat, produziert sie pro Jahr 800.000 Liter Milch. Dass er sie als Biomilch los wird, ist bereits mit einer Molkerei mündlich vereinbart. Außerdem kommt dann genügend Gülle zusammen, sodass sich die geplante Biogasanlage rechnet. Gemeinsam mit dem 12 km entfernten Rindermastbetrieb seiner Eltern ergeben sich zudem viele Synergien. „Auch wenn ich woanders zurzeit sicher besser verdienen würde – aber wenn es den Kälbern und Kühen gut geht, es ihnen schmeckt und ich das ganze Jahr über keinen Tierarzt brauche, dann haben wir es richtig gemacht“, sagt der junge Landwirt.

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Kreativität sticht Größe

Wie es auf Bayerns Höfen funktionieren kann, davon will sich auch der bayerische Landwirtschaftsminister ein Bild machen und besucht verschiedene Erzeugerbetriebe. Fährt er aufs Land, trifft Brunner immer mehr Bauern, die ihm neue Ferienwohnungen oder Hofläden zeigen. Einige präsentieren auch Masterpläne, wie sie künftig Gäste im Garten bewirten wollen. „Es gilt nicht mehr, je größer desto wettbewerbsfähiger. Kreativität und Flexibilität zählen“, sagt Helmut Brunner. Er will deshalb die bäuerlichen Familienbetriebe unterstützen. Dazu steckt Brunner Geld in bewährte Förderprogramme und setzt auf Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht. Agrarumweltmaßnahmen sollen nicht staatlich verordnet werden, sondern der Minister appelliert an die Verantwortung der Landwirte, diese freiwillig umzusetzen. Im Vergleich zum letzten Doppelhaushalt setzt das Landwirtschaftsministerium 135 Millionen Euro zusätzlich ein. Das sind immerhin fünf Prozent mehr.

Millionen für die Landwirtschaft

Brunner will die Einkommen der rund 110.000 bayerischen Familienbetriebe stabilisieren. Knapp 70 Millionen Euro stehen für das Kulturlandschaftsprogramm zur Verfügung. 16 Millionen Euro werden in die ländliche Entwicklung gesteckt: um Infrastruktur zu modernisieren, Ortskerne wiederzubeleben – beispielsweise indem leer stehende Gebäude wieder genutzt werden – und den Boden- sowie Erosionsschutz voranzubringen. Mit sechs Millionen mehr sollen Wälder in klimatolerante Mischwälder umgebaut werden. Zu neuen Projekten zählen unter anderem Gewässerschutz, Innovationsfonds und die Digitalisierung im Agrarbereich. Mit dem Kulturlandschaftsprogramm unterstützt der Freistaat die Entwicklung einer nachhaltigen ökologischen Erzeugung. Dazu bekommen Landwirte seit 1988 Ausgleichszahlungen für umweltschonende Bewirtschaftungsmaßnahmen. Darunter fallen Prämien für Weidehaltung oder für vielfältige Fruchtfolgen auf den Feldern.

Unterstützung für die Bergbauern

Auch den Bauern in Berggebieten hilft das Kulturlandschaftsprogramm. Neben Ausgleichszahlungen gibt es ab sofort spezielle Ausbildungsangebote bis hin zu einem eigenen Bergbauernprogramm. Insgesamt zählen in Bayern etwa 240.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche zum Berggebiet. Rund 10.000 Betriebe wirtschaften hier. Für Neuantragsteller des Kulturlandschaftsprogramms hat das Ministerium nun knapp 70 Millionen Euro mehr. Davon profitieren in letzter Zeit auch Milchbauern.

Immer mehr von ihnen planen, ihren Betrieb auf biologische Erzeugung umzustellen. Das bestätigt Barbara Scheitz, Geschäftsführerin von Europas größtem Biomilch-Anbieter „Andechser Molkerei“. Knapp 70 Landwirte haben im letzten halben Jahr umgestellt, weitere 100 stehen auf der Warteliste der Andechser. Noch mehr Biomilch kann die Molkerei vorläufig nicht gebrauchen – dafür fehlt der Markt. Deshalb will Brunner den Mehrwert regional und ökologisch erzeugter Lebensmittel für Verbraucher sichtbar machen. Dabei helfen seiner Meinung nach sogenannte „Bauernmeilen“ und Märkte in den Städten, auf denen Landwirte ihre Produkte präsentieren. Oder Informationskampagnen und Veranstaltungen wie die Das Ministerium will künftig auch enger mit den Bioverbänden zusammenarbeiten, um Verbraucher besser zu informieren.

Bio-Siegel für mehr Transparenz

Verbesserungspotenzial sieht der Minister in Sachen Vermarktung. Für französischen Käse seien die Leute schon lange bereit, mehr Geld auszugeben. Diese Wertschätzung will er auch bei bayerischen Produkten erreichen. Zwei Millionen Euro extra investiert der Freistaat in eine Premiumstrategie für heimische Lebensmittel. Die Dachmarke „Bestes aus Bayern“ soll Lebensmittel bekannt machen. Aber auch an der Fachschulausbildung wird gefeilt. So soll mehr ökonomisches Know-how über die Entwicklung der Märkte Bestandteil der Lehrpläne werden.

Wir brauchen Premiumprodukte statt billige Massenware. Und das Bewusstsein, dass Premium etwas kostet.

Helmut Brunner

In den Supermärkten soll das bereits 2015 eingeführte bayerische Bio-Siegel dazu führen, Verbraucher für Öko-Produkte zu sensibilisieren. Seit seiner Einführung konnte die Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ) rund 50 Lizenznehmer mit etwa 500 zertifizierten Produkten gewinnen. Das Siegel garantiert sowohl die Bio-Qualität als auch die Herkunft aus Bayern. „Wir brauchen Premiumprodukte statt billige Massenware. Und das Bewusstsein, dass Premium etwas kostet“, wünscht sich der Minister.

Mehr Hunger auf „Bio“

Bayern ist im bundesweiten Vergleich sowohl in Bezug auf die Zahl der Öko-Betriebe als auch die Öko-Fläche Spitzenreiter: Fast ein Drittel aller deutschen Öko-Betriebe wirtschaften in Bayern. Und es werden immer mehr. Waren es 800 Betriebe im Jahr 1989, sind es inzwischen etwa 7.300. Doch insgesamt sind es nur sieben Prozent aller Höfe in Bayern, die nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus arbeiten. Kein Wunder, dass ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herrscht: Zwar liegt der Marktanteil von Ökoprodukten bei rund fünf Prozent, viele Waren im Handel stammen aber nicht aus heimischer Produktion, sondern aus dem Ausland. Mithilfe verschiedener Maßnahmen für Förderung, Forschung und Marktentwicklung soll der bayerische Öko-Landbau bis 2020 verdoppelt werden. Schon jetzt ist der Tittmoninger Heumilchbauer Lackner ein Teil dieses Aufschwungs. „Bayern hat ein tolles Image. Wir müssen es nur richtig vermarkten. Mit Masse kommen wir aber niemals richtig in die Höhe.“