Grenzkontrolle der Polizei bei ankommenden Fahrzeugen aus Österreich. (Bild: Imago/Eibner Europa)
Schengen-Raum

Deutsche Grenzen bald wieder offen?

Deutschland will die Grenzkontrollen im Schengen-Raum verlängern. Doch einige EU-Partner stellen sich dagegen. Die EU will jetzt prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verlängerung gegeben sind. Die CSU fordert ebenfalls, die Kontrollen fortzuführen.

Es gebe keine Gefahren mehr durch illegale Migration, die Zahl der Migranten sei stark zurückgegangen. Das aktuelle Ausmaß der Kontrollen sei völlig unangemessen und unrechtmäßig. Mit diesen Argumenten wollen EU-Mitgliedsstaaten wie Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn (und andere) erreichen, dass die Grenzkontrollen im Schengen-Raum nicht verlängert werden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Rande der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz bereits Ende September angekündigt, dass er die aktuellen Kontrollen bis in das kommende Jahr hinein verlängern will. Auch Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will die Kontrollen verlängern.

Es ist zwar noch kein endgültiger Zeitpunkt, ob es zur Fortsetzung kommt, aber wenn es so ist, wie es jetzt ist, bin ich dafür, es fortzusetzen.

Thomas de Maizière (CDU), Bundesinnenminister

Zwischen den 26 Mitgliedsstaaten des Schengen-Raums gibt es normalerweise keine Grenzkontrollen. Derzeit kontrollieren jedoch sechs Länder ihre Grenzen, oder zumindest Abschnitte davon. Die Kontrollen wurden in der Flüchtlingskrise eingeführt und sind jeweils bis Mitte November genehmigt. Dann läuft die derzeitige Frist aus. Eine Ausnahme ist Frankreich, das noch bis mindestens Ende Januar kontrolliert und dies mit der unsicheren Lage nach den Terroranschlägen begründet.

Die Gründe der Osteuropäer

Es erstaunt, dass ausgerechnet die Staaten, die fast keine Flüchtlinge aufgenommen haben und auch nicht aufnehmen wollen, jetzt die deutschen Grenzen öffnen wollen. Das liegt zum einen an wirtschaftlichen Gründen, da viele Spediteure aus dem Osten kommen und von Grenzkontrollen betroffen sind. Zum anderen könnte es aber auch eine Retourkutsche für die deutschen Alleingänge von Bundeskanzlerin Angela Merkel sein. Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn hatten sich vehement erst gegen die unbegrenzte Aufnahme sowie gegen die später folgende aufgezwungene Verteilung von Flüchtlingen in Europa gewehrt. Sie befürworten zudem eine viel strengere Kontrolle der EU-Außengrenzen, die dann wiederum die Binnenkontrollen überflüssig machen könnte. Sollte Deutschland gezwungen sein, seine Grenzkontrollen aufzuheben, so könnte es dadurch gezwungen sein, sich noch deutlich stärker an den Außengrenzen einzusetzen.

Unterstützung aus Skandinavien

Aber nicht nur Deutschland, auch Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen treten für eine Verlängerung der Grenzkontrollen ein. Denn die Außengrenzen des Schengen-Raums würden beispielsweise von Griechenland nicht effizient kontrolliert. Mittlerweile sitzen dort 60.000 Menschen fest. Sollte die Regierung in Athen wegen der Überlastung der Lager auf den griechischen Inseln die Weiterreise auf das Festland erlauben, würden viele der Migranten versuchen, weiter in den Norden zu gelangen. Zuletzt hat bereits das Schlepperunwesen wieder zugenommen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte die Ankündigung seines Amtskollegen De Maizière.

Die Situation an den Außengrenzen ist zwar besser als im Frühjahr, aber noch nicht gut genug.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Ungeachtet der zeitlichen Verlängerung erwarte die CSU, dass die Kontrollen auch lückenloser erfolgten. Aus Bayern war in der Vergangenheit wiederholt kritisiert worden, dass es an den deutschen Außengrenzen immer wieder Phasen gebe, an denen keine Kontrollen stattfänden und diese derzeit – etwa in Bayern – auf die Übergänge mit Autobahnanbindungen begrenzt seien. Sie sind also leicht zu umgehen.

CSU fordert konsequentere Abschiebung

An den Grenzen würden zudem nach wie vor weniger Menschen registriert als in den Aufnahmezentren für Asylbewerber. De Maizière sagte, dass die für die Kontrollen zuständige Bundespolizei nicht über das notwendige Personal verfüge, um lückenlos zu kontrollieren. Zwar bekomme die Bundespolizei nun 7000 zusätzliche Stellen. Doch die Polizisten müssen erst ausgebildet werden. Auf das Angebot aus Bayern, bei den Kontrollen bayerische Polizisten einzusetzen, wollte er nicht eingehen. Es gebe bereits eine Vereinbarung, nach der die bayerische Polizei mehr Schleierfahndungen durchführe.

Die Kritik der CSU geht aber noch weiter: Auch bei den Abschiebungen müsse in Deutschland konsequenter gehandelt werden. Insbesondere in einigen SPD-geführten Ländern sei die Intensität der Rückführungen wesentlich schwächer.

EU prüft Verlängerung

In einem Brief an die EU-Kommission haben einige der Befürworter innerhalb der EU ihre Argumente für eine Verlängerung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum vorgebracht. Die EU-Kommission prüft nun, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Der Schengen-Vertrag sieht nur bei einer „schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ die Wiedereinführung von Grenzkontrollen vor. Eine Frist von sechs Monaten kann jedoch nur dreimal verlängert werden. Dann steht laut Vertrag die Rückkehr zu offenen Grenzen an. Die Entscheidung über weitere Grenzkontrollen fällt der Rat der Innenminister.

Der künftige Kurs in der Flüchtlingspolitik ist auch eines der zentralen Themen des EU-Gipfels am 20. und 21. Oktober in Brüssel. Zur Debatte steht dabei der Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union, damit die Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums aufgehoben werden können. Die Staats- und Regierungschefs warten zudem auf die Vorschläge der EU-Kommission für ein übergreifendes europäisches Reiseinformationssystem.

(dpa/AS/avd)