Sicherheit im Fokus
Nach der Festnahme des IS-Terror-Verdächtigen Dschaber al-Bakr in Leipzig ist die Diskussion über die Sicherheitsgesetze wieder voll entbrannt. Die Union fordert, dass Asylsuchende generell geheimdienstlich überprüft werden. Außerdem sollen polizeibekannte Terror-Gefährder rascher verhaftet werden können.
Terrorismus

Sicherheit im Fokus

Nach der Festnahme des IS-Terror-Verdächtigen Dschaber al-Bakr in Leipzig ist die Diskussion über die Sicherheitsgesetze wieder voll entbrannt. Die Union fordert, dass Asylsuchende generell geheimdienstlich überprüft werden. Außerdem sollen polizeibekannte Terror-Gefährder rascher verhaftet werden können.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl will einen Abgleich der Asylsuchenden „mit allen international verfügbaren Datenbanken über Terrorverdächtige“ einführen. „Jeder Asylsuchende in Deutschland muss mit allen international verfügbaren Datenbanken über Terrorverdächtige abgeglichen werden, auf die der Bundesnachrichtendienst Zugriff hat. Deswegen sollten unsere Geheimdienste endlich vollautomatisch Zugang zur Kerndatenbank der Asylsuchenden bekommen“, sagte Uhl der Welt.

Jeder Asylsuchende in Deutschland muss mit allen international verfügbaren Datenbanken über Terrorverdächtige abgeglichen werden, auf die der Bundesnachrichtendienst Zugriff hat.

Hans-Peter Uhl

Der Unionsobmann im Bundestagsinnenausschuss, Armin Schuster (CDU), forderte in derselben Zeitung, dass „die polizeiliche Gefahrenabwehr im Asylverfahren eine größere Rolle spielen“ müsse. Er plädiert daher für eine „konsequentere Einbeziehung von Bundespolizei und den Nachrichtendiensten“. Auch habe die Union „schon vor Chemnitz gefordert, dass die Vorratsdatenspeicherung von zehn Wochen auf sechs Monate ausgedehnt werden muss“.

Strengere Grenzkontrollen, schnellere Haft für Terror-Gefährder

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) möchte schon ansetzen, bevor es zu einem Asylverfahren kommt. Er regte im Bayerischen Rundfunk strengere Grenzkontrollen an. „Wir müssen mit sorgfältigen Überprüfungen dafür sorgen, dass Hürden für die Leute, die nicht als verfolgte Flüchtlinge, sondern eigentlich mit schlimmen Absichten in unser Land kommen, so hoch wie möglich werden“, sagte der Minister.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), schlug im ZDF die Schaffung eines neuen Haftgrunds im Strafrecht namens „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ vor. Damit nahm er einen Vorschlag von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) aus dem August auf. Dieser würde es erlauben, bekannte „Gefährder“ wie eben den in Leipzig gefassten Dschaber al-Bakr, der seit einiger Zeit beobachtet wurde, präventiv und frühzeitig in Haft zu nehmen.

Das zeigt, wie labil die Gesamtsituation in Bezug auf Sicherheit ist.

Horst Seehofer

Mayer warnte auch vor einer Überforderung der Sicherheitsbehörden bei der Überwachung der rund 520 bekannten sogenannten islamistischen Gefährder in Deutschland und forderte Nachbesserungen. Um einen Verdächtigen rund um die Uhr lückenlos zu beobachten, seien 24 bis 30 Beamte nötig, sagte der Innenpolitiker: „Das ist schlichtweg nicht machbar.“

Verfassungsschutzpräsident Maaßen begrüßt CSU-Vorstoß

Zuvor hatten bereits CSU-Chef Horst Seehofer und Generalsekretär Andreas Scheuer eine strengere Überprüfung von Flüchtlingen gefordert. Auch all diejenigen, die bereits im Land seien, müssten „auch unter Beiziehung unserer Nachrichtendienste“ überprüft werden, sagte Seehofer. Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Chemnitz betonte der bayerische Ministerpräsident: „Das zeigt, wie labil die Gesamtsituation in Bezug auf Sicherheit ist.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte eine „Totalrevision“ der Registrierung von Flüchtlingen. In Einzelinterviews müsse das Bundesamt viel stärker die Sicherheitsrelevanz beachten (der Bayernkurier berichtete).

Die Vorbereitungen in Chemnitz ähneln nach allem, was wir heute wissen, den Vorbereitungen zu den Anschlägen in Paris und Brüssel.

Thomas de Maizière

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen begrüßte den Vorstoß aus der Union für einen Zugriff der Geheimdienste auf die Asylbewerber-Datenbank. „Die Aufgabe der Nachrichtendienste besteht darin, aus einer unklaren Lage eine klare Lage zu machen. Deshalb ist jede Information aus jeder Datenbank hilfreich”, sagte Maaßen im ZDF. Im Fall des Verdächtigen aus Chemnitz hätte dies zwar vielleicht nicht geholfen – aber „in anderen Fällen kann das schon notwendig sein”. Bis man al-Bakr im Visier gehabt habe, habe man viele Informationen mit Partnern ausgetauscht, sagte Maaßen.

De Maizière sieht Ähnlichkeiten mit IS-Anschlägen von Paris und Brüssel

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht Ähnlichkeiten zwischen dem Chemnitz-Leipzig-Fall zu den Terroranschlägen von Paris und Brüssel.

„Die Vorbereitungen in Chemnitz ähneln nach allem, was wir heute wissen, den Vorbereitungen zu den Anschlägen in Paris und Brüssel“, erklärte er. Die Ermittlungen machten deutlich, dass Taten wie in Frankreich und Belgien auch in Deutschland nicht auszuschließen seien. Doch zeige der Fall auch, „dass unsere Sicherheitsbehörden sehr wachsam sind und dass unser Rechtsstaat wehrhaft ist“, so de Maizière. Deutschland stehe unverändert im Zielspektrum des internationalen Terrorismus, die Bedrohungslage sei nach wie vor hoch, warnte der Bundesinnenminister.

Zuletzt hatte de Maizière davor gewarnt, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland mehr als 520 islamistischer „Gefährder“ im Visier hätten, bei denen man davon ausgehe, das sie möglicherweise Anschläge begehen würden – und damit so viele Personen wie nie zuvor. Wie schon die Attentäter von Würzburg und Ansbach war auch der Terrorverdächtige aus Chemnitz als Flüchtling nach Deutschland gekommen.

SPD ignoriert Gefährdungslage

Trotz Zustimmung fast aller Experten gab es auch Ablehnung aus den Reihen der drei Linksparteien: Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl kritisierte, „purer Aktionismus“ helfe nicht weiter. Man brauche „keine Scheindebatten“, erklärte sie im Deutschlandfunk. Ihre Partei sehe keinen Bedarf für eine weitere Verschärfung bei der Ausweisung straffällig gewordener Ausländer. Die Gesetze seien erst Anfang des Jahres nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht neu gefasst worden, so Högl.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte vor pauschalen Verdächtigungen. „Es wäre falsch, Hunderttausende Menschen, die vor Krieg und Terror nach Deutschland geflüchtet sind, jetzt unter Generalverdacht zu stellen“, sagte er der Neuen Westfälischen aus Bielefeld. Allerdings hatte dies auch keiner der Unionspolitiker getan. Eine Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen der Bürger und den Interessen der Flüchtlinge vor einer möglicherweise ungerechtfertigten Überprüfung muss nach Ansicht der Union immer zugunsten der Bürger ausfallen.

Grüne und Linke stellen sich taub

Die innenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, nannte die Forderungen aus der Union sogar unverantwortlich. „Wilde Forderungen“ nach mehr geheimdienstlichen Kompetenzen führten nicht weiter „und vertiefen sogar die Gräben in unserer Gesellschaft“, sagte sie der Berliner Zeitung. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz kritisierte: „Die aufgeregten und reflexhaften Forderungen aus CDU und CSU nach mehr Überwachung und weiteren Freiheitsbeschränkungen helfen nicht weiter.“ Bereits jetzt würden im Asylgesetz und im Aufenthaltsgesetz alle Dienste beteiligt, sagte Notz der Welt.

Der Staat muss souverän auf die unübersichtliche Lage reagieren, die er teils selbst verschuldet hat. Er darf sich aber nie in Sicherheit wiegen – und muss sich von einigen Lebenslügen verabschieden.

FAZ

Ähnlich äußerte sich Katja Kipping, die Vorsitzende der Linkspartei. „Wir wollen kein Strafrecht erster und zweiter Klasse“, sagte Kipping der Welt. Es sei „völlig ausreichend“, dass alle, die mit Registrierung, Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge befasst sind, Zugang zum „Kerndatensystem von Asylbewerbern“ haben. Ausreichend war dies aber in den Fällen von Würzburg, Ansbach und Chemnitz ganz offensichtlich nicht. Schließlich sind die von Kipping genannten Behörden und Helfer nur selten in Sicherheitsfragen geschult.

Recht und Ordnung an den Grenzen durchsetzen

Die Forderung der CSU nach Durchsetzung von Recht und Gesetz an den deutschen Grenzen, damit Terrorverdächtige möglichst schon bei deren Einreise erkannt werden, stößt allerdings auf immer mehr Zustimmung – auch in den Medien. So schrieb die FAZ in einem Kommentar: „Der Staat muss souverän auf die unübersichtliche Lage reagieren, die er teils selbst verschuldet hat. Er darf sich aber nie in Sicherheit wiegen – und muss sich von einigen Lebenslügen verabschieden. Noch vor kurzem erweckten die Spitzen von Wirtschaft und Politik den Anschein, in jedem geflüchteten Syrer sei ein potentieller Steve Jobs zu sehen, in jedem Migranten ein Gewinn für den Arbeitsmarkt und in jedem muslimischen Einwanderer eine Bereicherung für den säkularen Staat. Das weicht langsam einem nüchternen Blick.“

Auch der Münchner Merkur sah das ähnlich: „Der Fall beweist, wie groß die Sicherheitslücken waren, die Deutschland im großen Zustrom des letzten Jahres den Terroristen gewährte. Bis heute bleiben Hausaufgaben, die von der Bundesregierung in Teilen noch immer nicht erledigt wurden – beispielsweise bei der Sicherung der Grenzen. Und er zeigt, dass man dringend über eine weitere Verstärkung der Ämter für Verfassungsschutz nachdenken sollte.“