Der Festakt soll im Bayerischen Landtag stattfinden. (Bild: Anja Schuchardt)
Festakt im Landtag

Wer im Glashaus sitzt …

Zeitzeugen und Politiker wollen Mitte Oktober in einem Festakt an die friedliche Revolution in Ungarn erinnern. Der Termin wurde bereits vor über einem Jahr festgelegt - trotzdem wird die Kulturveranstaltung erst jetzt von der Opposition kritisiert. Die SPD spricht von einer "Putinisierung" Ungarns – ein Eigentor.

Für den 17. Oktober hat das ungarische Generalkonsulat in den Senatssaal des Landtags in München geladen, neben Ungarns Staatschef Viktor Orban wird auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) eine Festrede halten. Mit dem Festakt soll an den 60. Jahrestag der friedlichen Revolution in Ungarn erinnert werden. Am 23. Oktober 1956 hatten sich die Ungarn gegen die Regierung der kommunistischen Partei und gegen die sowjetische Besatzungsmacht erhoben. Der Freiheitskampf wurde kurz darauf vom sowjetischen Militär blutig niedergeschlagen. Hunderttausende Ungarn flohen in den Westen – auch in Bayern wurden viele aufgenommen. So sind neben Politikern zum Festakt auch Zeitzeugen beider Nationen von 1956 geladen.

Austausch mit Ungarn gefragt

Die Einladung zur Veranstaltung hat erst jetzt viel Kritik ausgelöst. Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, sprach von einem roten Teppich für einen „Europazerstörer“. Der Ministerpräsident und CSU-Chef mache Außenpolitik nur zu innenpolitischen Zwecken, warf Rinderspacher dem Ministerpräsidenten vor.

Die CSU ist wie die CDU da jedoch ganz anderer Meinung. Der Austausch mit Ungarn sei gerade jetzt wichtig sagte Armin Laschet, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, dem Münchner Merkur. So habe sich schließlich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Orban getroffen.

Ungarn ist Mitglied der EU, Ungarn hat vor 60 Jahren für die Freiheit gekämpft und ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass Regierungsmitglieder aus Ungarn sich in allen deutschen Landtagen mit Abgeordneten treffen können.

Armin Laschet, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU

Ein Besuch des Ministerpräsidenten bei einer Veranstaltung in Bayern, bei der ein Regierungschef eines EU-Mitgliedsstaates anwesend sei, sei eine Selbstverständlichkeit, heißt es sowohl von Laschet als auch aus der Staatskanzlei. Zudem wurde der Termin bereits vor über einem Jahr geplant und festgelegt. Landtagspräsidentin Barbara Stamm erteilte im April die offizielle Genehmigung für die Kulturveranstaltung. Der Landtag kann von externen Veranstaltern wie Konsulaten angemietet werden. Der Senatssaal fasst rund 260 Personen, das ungarische Konsulat zahlt für die Nutzung laut einem Landtagssprecher rund 2400 Miete. Hinzu kommen Kosten für Catering und Sicherheit.

Zudem danken wir in diesem festlichen Rahmen dem Freistaat Bayern, der so viel Hilfe bot und in schweren Zeiten zu Ungarn stand.

Gábor Tordai-Lejkó, ungarischer Generalkonsul

Der ungarische Generalkonsul Gábor Tordai-Lejkó sagte im Münchner Merkur, er dürfe „daran erinnern, dass Viktor Orbán der demokratisch gewählte Ministerpräsident von Ungarn ist, und Ungarn ein vollwertiges Mitglied der Europäischen Union“. Und weiter gedenke man hier 1956: „Zudem danken wir in diesem festlichen Rahmen dem Freistaat Bayern, der so viel Hilfe bot und in schweren Zeiten zu Ungarn stand.“ Die Aufregung allen voran von SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher sei eine „verzerrte Einstellung“.

Festakt ohne Journalisten?

Der Festakt mit Ungarns Staatschef Viktor Orban im bayerischen Landtag wird womöglich ohnehin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Es sei noch nicht entschieden, ob Journalisten eingeladen werden, sagte eine Mitarbeiterin des veranstaltenden ungarischen Generalkonsulates in München auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe aber bereits viele Anfragen von Medien. Das mediale Interesse ist vor allem nach dem gescheiterten Referendum gegen die EU-Flüchtlingsquoten in Ungarn groß. Denn Orban kündigte an, seinen Kampf gegen die Brüsseler Institutionen fortzusetzen.

Wer im Glashaus sitzt

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, heißt es. „Die Putinisierung Ungarns im Bayerischen Landtag zu feiern, ist aus meiner Sicht geschichtsvergessen und politisch grundsätzlich falsch. (…) Viktor Orbán missachtet Freiheitswerte in Europa. Viktor Orbán hält nichts von Presse- und Meinungsfreiheit. Er ist ein Autokrat und er ist ein Europazerstörer“, ereiferte sich Rinderspacher. Doch was er dabei offenbar vergaß, sind die zahlreichen Kniefälle in jüngster Zeit von SPD-Chef Sigmar Gabriel und SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor Russlands Autokraten Wladimir Putin.

Die Putinisierung Ungarns im Bayerischen Landtag zu feiern, ist aus meiner Sicht geschichtsvergessen und politisch grundsätzlich falsch.

Markus Rinderspacher, SPD

Beim Moskau-Besuch im Herbst 2015 sagte der SPD-Vorsitzende Gabriel, es sei ihm „völlig unklar“, was Deutschland und Russland, die noch im Jahr 2000 „ein exzellentes Verhältnis“ gehabt hätten, so habe auseinanderbringen können. Der jahrelange Ukraine-Krieg mitsamt russischer Krim-Besetzung, die Putinisierung Russlands bis hin zur Ermordung kritischer Journalisten und Oppositioneller, Hackerangriffe auf den deutschen Bundestag sowie zahlreiche weitere unfreundliche Aktionen gegen Deutschland und andere NATO-Staaten waren ihm offenbar entgangen.

Appeasement-Politik der SPD

Erste Ende September 2016 besuchte Vizekanzler Gabriel erneut Moskau, zwei Tage nachdem vermutlich russische Flugzeuge einen Uno-Hilfskonvoi für die syrische Stadt Aleppo bombardiert hatten. Dennoch kein abwegiger Besuch für einen Wirtschaftsminister, der 5500 deutsche Unternehmen in Russland vertritt – Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer suchte für die bayerischen Unternehmen ebenfalls Moskau auf. SPD-Chef Gabriel sprach beim Besuch sogar dieses Kriegsverbrechen sowie Verletzungen von Menschenrechten und Demokratie in Russland an.

„Isolation und Konfrontation bieten keine Perspektiven und sind keine sinnvolle Politik“, sagte Gabriel dann jedoch. Er tat damit so, als sei der Westen der Böse und nicht etwa Russland, das völkerrechtswidrig ein anderes Land überfallen hat – was erst zu den Sanktionen führte. Sodann verkündete er noch Putins Version der Bombardierung, dass die USA den Konvoi nicht ausreichend geschützt hätten. „Das ist einer der großen Konfliktfälle, dass die Amerikaner dafür bislang jedenfalls nicht bereit sind, dafür entsprechend einzutreten“, so Gabriel. Das war nachweislich falsch, weil die USA Russland die Daten des Konvois gegeben hatten. Zudem war nicht der angeblich fehlende Schutz das Problem, sondern die Bombardierung. Im Interview mit n-tv sagte Gabriel dann, Deutschland habe „sehr viele Hinweise darauf, dass die syrische Armee da verantwortlich ist“. Amerikanische Radaranlagen zeichneten allerdings zwei russische Suchoi-24-Bomber vor dem Angriff auf. Deutschland hingegen konnte mangels eigener Aufklärung in der Region eigentlich gar keine Hinweise haben.

Steinmeier als Anwalt des Kreml

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ebenfalls SPD, warnte im Juni davor, die Lage an den Nato-Ostgrenzen nicht durch „lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ weiter anzuheizen. Er unterschlug, dass bisher nur eine Seite nicht nur mit dem Säbel gerasselt, sondern diesen in der Ukraine auch benutzt hatte. Zwar sagte Steinmeier, dass niemand die NATO-Manöver als Bedrohung für Russland werten könne, dennoch kritisierte er zwei Sätze weiter, die „symbolischen Panzerparaden“, die nicht mehr Sicherheit, aber neue Vorwände für Putin schaffen würden. In Wahrheit machten diese Manöver Russland jedoch klar, dass ein Angriff auf einen NATO-Staat als ein Angriff auf alle gewertet werden würde. „Die Fixierung der SPD-Führung auf den Leitsatz, ohne Russland sei keine Sicherheit in Europa möglich – obwohl sie derzeit doch gerade durch dessen Politik in ihren Grundfesten erschüttert wird –, hat damit zu tun, dass sie ihre privilegierten Gesprächskanäle nach Russland als den letzten nicht diskreditierten Rest ihres weltanschaulichen Tafelsilbers betrachtet“, urteilte damals die Zeitung Die Welt. Deshalb klammere die SPD sich „an das Trugbild, bei Putins Russland handele es sich im Prinzip noch immer um dasselbe Land wie die dialogbereite Sowjetunion unter Gorbatschow“.

Fixierung der SPD-Führung auf den Leitsatz, ohne Russland sei keine Sicherheit in Europa möglich – obwohl sie derzeit doch gerade durch dessen Politik in ihren Grundfesten erschüttert wird.

Zeitung „Die Welt“

Im August sagte der Außenminister über Russlands „Signale“ bei einer Rede in der Universität von Jekaterinburg: „Was muss wörtlich verstanden werden, und was nicht? Wann sollen wir uns Sorgen machen?“ Ein Krieg in der Ukraine und die völkerrechtswidrige Anschluss eines Teils davon könnten Anlass zur sofortigen Sorge sein, ätzte damals die Bild-Zeitung. Steinmeier beklagte dann noch, der Zusammenbruch der Sowjetunion werde von vielen Russen „im Rückblick nicht als Befreiung, sondern als Katastrophe gesehen“. Das allerdings war exakt Putins Beschreibung der Wende nach 1989. Für viele Russen hingegen war es eine Befreiung, insbesondere für die Millionen Inhaftierten und Diskriminierten des Regimes. „Waren die 90er Jahre in Russland nicht Zeit der politischen Unsicherheit, des wirtschaftlichen Abstiegs und der zerplatzten Träume?“, so Steinmeier weiter. Doch Fakt ist: Tiefer konnte die sowjetische Wirtschaft gar nicht fallen, sonst wäre das Land nicht zerbrochen. Wirtschaftlich aufgestiegen sind seitdem tatsächlich viele Russen, ganz besonders allerdings Putins engstes Umfeld, das fast vollständig zu Multimillionären wurde.

Am Ende verglich Steinmeier auch noch den Einmarsch auf die Krim mit dem Einsatz des Westens im Kosovo 1999 und in Libyen nach dem arabischen Frühling. Dort ging es jedoch darum, Massenmorde zu verhindern, in der Ukraine war davon nichts in Sicht. „Wenn Staaten von anderen Staaten die Achtung ihrer Souveränität verlangen, dann müssen sie dafür Sorge tragen, dass die Rechte der Menschen innerhalb ihrer Grenzen geschützt sind. Genau das haben wir auch unseren Partnern in der Ukraine gesagt, als es zum Beispiel um die russischen Sprachenrechte ging“, griff der SPD-Mann dann noch unkritisch eine weitere Propaganda-Lüge Putins auf. Das angesprochene Verbot der russischen Sprache wurde vom ukrainischen Parlament jedoch abgelehnt und nie umgesetzt – im Übrigen hätte aber auch das niemals ein Vorwand für eine Annexion sein können.