Einer, der Israel geprägt hat: Friedensnobelpreisträger Shimon Peres ist tot. (Bild: Imago/Xinhua)
Israel

Shimon Peres gestorben

Israels Ex-Präsident Schimon Peres ist tot. Wie der israelische Rundfunk am frühen Morgen berichtete, starb der 93-Jährige zwei Wochen nach einem schweren Schlaganfall in einem Krankenhaus in der Nähe von Tel Aviv.

Während seiner 70 Jahre umfassenden Karriere hatte er fast alle hohen Ämter Israels inne – so war er mehrfach Minister und zwei (manche sagen: drei) Mal Ministerpräsident. Den Friedensnobelpreis hatte er 1994 als Außenminister gemeinsam mit dem damaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat erhalten. Von 2007 bis 2014 war er Staatspräsident in Israel. Er war einer der letzten Politiker, die bereits die Staatsgründung Israels aktiv miterlebten.

Dem Holocaust entkommen

Shimon Peres wurde am 2. August 1923 als Sohn des Getreide- und Holzhändlers Persky in Wiszniewo im damaligen Osten Polens (heute Weißrussland) geboren. Als Elfjähriger folgte er 1934 seinem Vater ins britische Mandatsgebiet Palästina, während sein Großvater zurück blieb. Peres erinnerte als Staatspräsident in seiner Rede 2010 vor dem Bundestag an seinen Großvater: „Ich erinnere mich an seine letzten Worte, die mir befahlen: ‚Mein Junge, bleib immer ein Jude!‘ Die Lokomotive pfiff und der Zug setzte sich in Bewegung. Ich blickte meinem Großvater durchs Fenster nach, bis seine Gestalt verschwand. Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah.“ Als deutsche Soldaten im zweiten Weltkrieg in Wiszniewo einmarschierten, befahlen sie allen jüdischen Bewohnern, sich in der Synagoge zu versammeln. Dann verriegelten sie die Türen und zündeten das Gebäude an – auch Peres‘ Großvater starb in den Flammen.

Die Shoa darf uns nicht davon abhalten, an das Gute zu glauben.

Shimon Peres

„Die Shoa“, sagte Peres 2010 im Deutschen Bundestag, „muss dem menschlichen Gewissen stets als ewiges Warnzeichen vor Augen stehen; als Verpflichtung zur Heiligkeit des Lebens, zur Gleichberechtigung aller Menschen, zu Freiheit und Frieden.“ Unvergessen war vor allem ein Satz seiner damaligen Rede: „Die Shoa darf uns nicht davon abhalten, an das Gute zu glauben.“

Annäherung an Deutschland

Trotz diesem Mord und trotz Holocaust setzte sich Peres nach 1945 politisch sehr bald für eine Annäherung zwischen Israel und Deutschland ein – möglicherweise auch durch die schiere Notwendigkeit des von den Arabern bedrohten Staates, an Waffen zu kommen. 1956 wendete er sich als Generaldirektor des Verteidigungsministeriums an den damaligen deutschen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. „Wir werden aus allen Richtungen bedroht und angegriffen. Deutschland sollte sich zum Teil für die Sicherheit Israels verantwortlich fühlen. Denn Israel ist klein und schwach, weil wir ein Drittel unseres Volkes verloren haben durch die Nazis“, sagte er zu dem CSU-Politiker.

Er half, als wir Hilfe brauchten.

Shimon Peres über Franz Josef Strauß

Da der Verkauf von Waffen an das beinahe von der ganzen Welt boykottierte Land, noch dazu neun Jahre vor offiziellen diplomatischen Beziehungen, sehr problematisch war, blieb die von Strauß gewährte Rüstungshilfe an Israel lange geheim. Wäre das Abkommen damals bekannt geworden, hätte es wohl das Ende der Karriere Strauß bedeutet. „Er half, als wir Hilfe brauchten“, sagte Peres zu Godel Rosenberg, dem jüdischen Pressesprecher von Franz Josef Strauß. 1985 schrieb Peres im Bayernkurier über die Gründe von Strauß: „Zweierlei Gründe waren für ihn dabei ausschlaggebend: seine Einsicht in die moralische und historische Verantwortung für die Sicherung des jüdischen Staates und seine überaus kritische Einschätzung der Lage im Nahen Osten.“ Nach der Suez-Krise 1956 sei das Vertrauen zwischen den USA und seinen europäischen Verbündeten nicht gerade zum Besten gestellt gewesen. Doch Israel hat Strauß die Hilfe nie vergessen. „Strauß‘ Bereitschaft, Israel beizustehen und uns entschlossen seine Unterstützung zu gewähren, war in dieser Zeit außergewöhnlich und hat sich für Jahre danach fest in unser Gedächtnis eingeprägt“, so Peres im Bayernkurier.

Nach Bayern verschlug es Peres auch deshalb immer wieder, zuletzt 2006 nach Bad Wiessee, wo er unter anderem mit Charlotte Knobloch zusammentraf.

Der Werdegang eines Ausnahmepolitikers

Peres lebte als Jugendlicher in Tel Aviv und trat der Jugendselbstverteidigungsorganisation Haganah in Jerusalem bei. Außerdem gehörte er 1941 zu den Gründern eines Kibbuzes und schloss sich erst der Mapei-Partei, später der Arbeitspartei an. Am 14. Mai 1948 proklamierte Ministerpräsident David Ben-Gurion die Unabhängigkeit Israels – Peres arbeitete zunächst in der Marineabteilung des Verteidigungsministeriums. Von 1950 bis 1952 lebte Peres in den USA, um Waffen zu kaufen – und um Verwaltungswissenschaften zu studieren. 1956 gehörte er bereits zu den Planern des erfolgreichen Sinai-Feldzugs gegen Ägypten, obwohl er selber nie Soldat war. Er wurde auch als Vater des israelischen Atomprogramms bekannt.

Ein großer Bürger Israels ist von uns gegangen, ein unermüdlicher Diener seines Landes.

Charlotte Knobloch

Doch Kriege befürwortete er nur nach reiflicher Überlegung: So war Peres ein profilierter Kritiker der israelischen Invasion in den Libanon 1982 und befahl bereits 1985 als Ministerpräsident der „Regierung der nationalen Einheit“ den weitgehenden Rückzug. 1996 ordnete Peres nach Raketenangriffen der Hisbollah auf Nordisrael die sogenannte Operation „Früchte des Zorns“ im Libanon an. Danach verlor er die Parlamentswahl gegen Benjamin Netanjahu um nur 30.000 Stimmen – weil insbesondere die arabischstämmigen Israelis ihm die Stimmen verweigerten. 1997 gründete er eine Friedensorganisation, das „Peres Center for Peace“.

Der Weg nach Oslo

Im Mai 1977 musste er in die Opposition, dies war die Zeit, in der er sein Engagement für Frieden in Nahost begann. Ministerpräsident war er von 1984 bis 1986 und nach der Ermordung Rabins von 1995 bis 1996. Manche zählen auch noch eine dritte Amtszeit dazu, als Peres 1977 kurzzeitig die Geschäfte des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Rabin übernahm. 1986 bis 1988 übernahm er das Außenministerium.

Bei den Wahlen 1992 siegte die Arbeitspartei und Dauerkonkurrent Yitzhak Rabin wurde Premierminister – Peres wieder Außenminister. Die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern unter Arafat begannen, die Osloer Verträge wurden unterzeichnet, wofür es den Nobelpreis gab. Die Bemühungen endeten mehr oder weniger mit dem Mord an Rabin 1995, da dieser das charismatische Gesicht der Friedensbewegung war und nicht der eigentliche Strippenzieher Peres. 1996 wurde letzterer als Nachfolger Rabins im Ministerpräsidentenamt abgewählt. In der Regierung Ariel Sharons war Peres von 2001 bis 2002 stellvertretender Regierungschef und Außenminister. Ab 2005 war er erneut in den Regierungen von Sharon und Ehud Olmert jeweils Vize-Ministerpräsident und Minister. Bis 2006 war er mehrmals Vorsitzender der israelischen Arbeitspartei „Awoda“, bis er sich der neuen Kadima-Partei Ariel Scharons anschloss. Scharon hatte nach seiner Ansicht die besten Chancen, den Friedensprozess mit den Palästinensern wiederzubeleben. Am 15. Juli 2007 wurde Peres als neunter Staatspräsident Israels gewählt, was er bis 2014 blieb. Am Ende seiner Amtszeit setzte Peres noch einmal ein Zeichen: Zusammen mit Palästinenser-Präsident Abbas und Papst Franziskus betete er im Garten des Vatikans für den Frieden.

Laut bis zuletzt

Bis zuletzt hatte Peres die aktuelle Politik von Ministerpräsident Netanjahu scharf kritisiert und einen Zwei-Staaten-Plan zur Lösung des Palästinenserproblems gefordert. Dieser Konflikt sei ausschließlich politisch, keineswegs militärisch zu lösen. „Ohne Zwei-Staaten-Lösung, ohne einen israelischen und einen palästinensischen Staat, finden wir uns in einem binationalen Staat wieder. Wir müssen heute eine schwerwiegende Entscheidung treffen, damit Israel ein Vorzeigestaat ist, ein jüdischer und demokratischer Staat“, so Peres. Der Mann, der als einer der ersten Politiker  jüdische Siedlungen im Westjordanland errichten ließ, plädierte damit für das Ende der israelischen Siedlungspolitik.

Ein Licht ist ausgegangen, aber die Hoffnung, die er uns gegeben hat, wird für immer brennen.

Barack Obama

Shimon Peres war mit seiner Frau Sonya von 1948 bis zu ihrem Tod 2010 verheiratet und hatte mit ihr drei Kinder. Der 93-Jährige hatte schon länger gesundheitliche Probleme. Zu Jahresbeginn hatte Peres einen Herzinfarkt erlitten, Anfang September war ihm ein Herzschrittmacher eingesetzt worden. Am 13. September 2016 erlitt Peres einen Schlaganfall, woraufhin er in ein künstliches Koma versetzt wurde. Der Leichnam von Peres soll am Donnerstag im israelischen Parlament aufgebahrt werden. Am Freitag soll ein Staatsbegräbnis auf dem Nationalfriedhof in Jerusalem folgen.

Weltweite Trauer

„Mit Shimon Peres haben Israel und die Welt einen Vorkämpfer für den Frieden verloren, der für viele Menschen ein Vorbild war“, so der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. „Sein Tod ist nicht nur für die jüdische Welt ein herber Verlust. Die Verdienste, die Shimon Peres um Israel erworben hat, sind kaum zu ermessen. Sein legendärer Satz, dass es keine Alternative zum Frieden gibt, wird immer seine Gültigkeit behalten.“ „Ein großer Bürger Israels ist von uns gegangen, ein unermüdlicher Diener seines Landes. Unsere Gedanken gelten seiner Familie und Freunden, sowie den Menschen in Israel, die Shimon Peres wie einen Vater geliebt haben“, so auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. „Er war der letzte Überlebende der Gründerväter-Generation, er verkörperte den zionistischen Traum. Er hat Israel mit aufgebaut und damit eine freie, demokratische und sichere Heimat für Juden aus aller Welt geschaffen. (…) Nie gab er die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts mit den Palästinensern auf.“

Peres war eine Stimme der Vernunft mit der Empfindsamkeit eines Poeten … nachdenklich und leise, aber seine Worte hallten laut um die Welt.

Barbara Streisand

Staatschefs in aller Welt haben mit Trauer auf den Tod von Israels Ex-Präsident Schimon Peres reagiert. Bundespräsident Joachim Gauck, US-Präsident Barack Obama und Papst Franziskus kündigten an, zum Begräbnis des Friedenshoffnungsträgers zu kommen. In einem Kondolenzschreiben schrieb Gauck: „Trotz der Gräueltaten, die Deutsche an seiner Familie und seinem Volk während des Holocausts verübten, reichte Shimon Peres uns die Hand.“ US-Präsident Barack Obama kondolierte: „Ein Licht ist ausgegangen, aber die Hoffnung, die er uns gegeben hat, wird für immer brennen.“ Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, Partner im Oslo-Friedensprozess, twitterte: „Ich werde meinen brillanten und wortgewaltigen Freund Schimon Peres vermissen. Sein Leben war ein Segen für alle, die sich um den Frieden bemühen.“ US-Schauspielerin und -Sängerin Barbra Streisand verabschiedete sich so: „Präsident Schimon Peres war eine Stimme der Vernunft mit der Empfindsamkeit eines Poeten … nachdenklich und leise, aber seine Worte hallten laut um die Welt.“

Shimon Peres hinterlässt eine Lücke.

Christian Schmidt

„Mit großer Betroffenheit betrauern wir den Tod von Shimon Peres.“ Auch Bundesminister Christian Schmidt, selbst langjähriger Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, erinnerte sowohl an seine historischen Leistungen bei der Oslo-Friedensinitiative in den Neunziger Jahren als auch an seine Bereitschaft zum Gespräch und Sorge für christliche israelische Staatsbürger palästinensischer Herkunft oder anderer Denominationen. „Diese Leistung basierte auf seiner Fähigkeit, Vertrauen zu geben und Vertrauen zu gewinnen. Dieses Vertrauen prägte auch seine Beziehungen zu Deutschland. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß war in den Fünfziger Jahren erster Vertrauenspartner. Shimon Peres hinterlässt eine Lücke. Wir trauern mit dem israelischen Volk.“