Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). (Foto: Imago/Stefan Zeitz)
Integration von Moslems

Die Grenzen der Toleranz

Bundesinnenminister Thomas de Maizière und der langjährige Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, schärfen das Profil der CDU in der Asylpolitik. Der Innenminister betonte, Deutschland könne nicht alle Ausprägungen fremder Kulturen tolerieren. Bosbach forderte wegen des Verdachts gefälschter syrischer Pässe die nachträgliche Überprüfung der Migranten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat erstmals klare Regeln für die Integration vor allem von moslemischen Zuwanderern in Deutschland genannt. Er sagte in einer Grundsatzrede beim Zukunftskongress Migration und Integration in Berlin, Deutschland müsse trotz Toleranz und Offenheit klare Grenzen aufzeigen.

Nicht jeder könne als gut integriert gelten, der eine Arbeit habe, leidlich Deutsch spreche und nicht straffällig sei. „Aber ist jeder, der diese Kriterien erfüllt, gut integriert? Wohl kaum“, sagte de Maizière. Es gebe viele Migranten, die unter sich blieben und damit nicht in die deutsche Gesellschaft integriert seien, kritisierte der Minister. Dabei müsse dies Priorität haben. Viele von ihnen hielten sich weiter in ihrer eigenen Gemeinschaft auf.

An erster Stelle muss die deutsche Gesellschaft stehen

De Maizière erklärte, das Ziel müsse sein, dass sich die Menschen für die Gesellschaft verantwortlich und sich zugehörig fühlten. „An erster Stelle sollten die Gesellschaft und das Land stehen, in dem sie leben“, so der Innenminister. Auch dürften nicht alle Ausprägungen anderer Kulturen toleriert werden.

Der CDU-Politiker bezog sich dabei auf Kinderehen, Gewalt in der Ehe, die Diskriminierung von Frauen sowie die Debatte um die Verschleierung von muslimischen Frauen in der Öffentlichkeit. Ehen von Minderjährigen dürften in der Bundesrepublik nicht akzeptiert werden, stellte der Minister klar.

Deutschland kann nicht alle Ausprägungen anderer Kulturen tolerieren

Statt über die Instrumente müsse stärker über die Ziele von Integration gesprochen werden, sagte de Maizière. Ziel müsse daher sein, dass sich jeder zugehörig fühle. Und: „Wir können bei der Integration nicht alle Ausprägungen anderer Kulturen tolerieren.“

Wenn ein Mann von einer Frau kein Essen annehmen möchte, dann bekommt er eben kein Essen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)

Verletzungen der Ehre könnten in Deutschland niemals eine Rechtfertigung von Gewalt sein. „Wenn ein Mann von einer Frau kein Essen annehmen möchte, dann bekommt er eben kein Essen“, fügte er hinzu. Diese gesellschaftlichen Fragen müssten noch viel intensiver diskutiert werden – „und nicht nur beim Thema Burka, bitte“.

Menschen ohne Bleiberecht abschieben

De Maizière bekräftigte zudem das Ziel, mehr Menschen ohne Bleiberecht abzuschieben. „Integration kann nur gelingen, wenn klar ist, auf wen sie sich bezieht“, und dies seien in Deutschland die Menschen mit Bleibeperspektive. Eine Studie solle Aufschluss über Abschiebehindernisse bringen und darüber, ob weitere Maßnahmen notwendig seien.

Ohne Neugier, Realismus und Geduld wird Integration nicht funktionieren.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)

Auch werde Integration „ohne Neugier, Realismus und Geduld“ nicht funktionieren, sagte de Maizière. Aus den Träumen von einem besseren Leben oder Schilderungen etwa von Schleppern könnten sich keine Ansprüche oder Selbstverständlichkeiten ableiten. Es gehöre zudem zu einer realistischen Einschätzung, dass nicht jeder gleich gut zurechtkommen werde. „Es ist wichtig, dass wir über Sorgen sprechen, aber ohne übertriebene Ängste.“

2015 hat die Regierung den Überblick verloren

Zudem müssten die Migranten Helfern, Verwaltungen und Organisationen etwas Zeit geben, damit jedem angemessen geholfen werden könne. „Es ist nicht zu viel verlangt, dass man auch mal vier Monate auf einen Kursplatz wartet.“ Der CDU-Politiker räumte auch Fehler im Umgang von Regierung und Verwaltung mit dem großen Flüchtlingsandrang seit 2015 ein. Man habe auch mal den Überblick verloren.

Dennoch rief de Maizière in der Debatte zur Mäßigung in der Wortwahl auf. Trotz großer Anstrengungen und guter Dinge, die bei der Aufnahme von Flüchtlingen erreicht worden seien, kämen viele mit dem „rhetorischen Dampfhammer“. Wenn etwa von „Staatsversagen“ gesprochen werden, müsse man dies als Übertreibung zurückweisen, widersprach er der AfD.

Islam-Verbände in der Pflicht

Generell sieht der Bundesinnenminister bei der Integration die Islam-Verbände in Deutschland in der Pflicht. Manche muslimische Verbände fühlten sich für die Integration mitverantwortlich, „aber noch nicht genug“. Muslime, die seit langem in Deutschland lebten, hätten eine sehr große Verantwortung.

Beteiligten sie sich daran nicht, werde es für sie schwieriger, Verständnis dazu zu gewinnen. Die Ankunft der Flüchtlinge sei, je nachdem ob ihre Integration gelinge, „eine Chance, eine Aufgabe und ein Risiko“ für die in Deutschland lebenden Muslime.

Deutsche müssen sich viel mehr mit Christentum auseinandersetzen

„Wir haben die Bedeutung von Religion unterschätzt, auch bei uns“, sagte de Maizière. Durch die vielen sehr religiösen Flüchtlinge werde auch Deutschland neu von religiösen Fragen berührt. Die Deutschen müssten nun wieder mehr selbst über Religion lernen, auch um die eigene Tradition und Denkweise erklären zu können. „Wir dachten, die große christliche Erzählung ist für viele nicht mehr so wichtig“, sagte er. Das möge zwar für Deutschland gelten, für viele andere Menschen gelte das aber nicht.

Wir haben die Bedeutung von Religion unterschätzt, auch bei uns.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)

Vor diesem Hintergrund mahnte der Bundesinnenminister alle Bürger, sich verstärkt mit dem eigenen Glauben und den damit zusammenhängenden Traditionen auseinanderzusetzen. „Können wir genau erklären, was der Sinn von kirchlichen Feiertagen ist und warum wir in Deutschland davon so viele haben?“ Keiner müsse in Deutschland religiös werden, wenn er es nicht sei, oder in die Kirche gehen, wenn er nicht möchte. Kenntnisse über den christlichen Glauben und Tradition und über andere Religionen seien aber sinnvoll und wichtig.

Gefälschte Pässe: Bosbach fordert Überprüfung aller Migranten

Der langjährige Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) hat wegen des Verdachts gefälschter Pässe eine nachträgliche Überprüfung von bereits eingereisten Migranten gefordert. Hintergrund ist der Verdacht, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe viele gefälschte Pässe nicht erkannt, vor allem syrische. Unter anderem Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte entsprechende Vorwürfe erhoben sowie einen generellen „Kontrollverlust“ an den deutschen Grenzen kritisiert (der Bayernkurier berichtete).

Nur 20 bis 30 Prozent der Asylsuchenden legen laut offiziellen Zahlen bei der Einreise überhaupt einen Identitätsnachweis vor. Bosbach unterstützt die Bundesländer bei ihren kritischen Nachfragen, sagte er der Welt: „Es muss doch schnell feststellbar sein, ob die Papiere mit der notwendigen Sorgfalt überprüft wurden und ob das Prüfungsergebnis sachlich richtig ist“, sagte Bosbach.

Das ist keine Petitesse, sondern ein sehr ernster Vorgang.

Wolfgang Bosbach, CDU-Innenexperte

Wenn nachträglich Fehler des BAMF und Passfälschungen festgestellt würden, wäre das „keine Petitesse, sondern ein sehr ernster Vorgang“. Dann müssten auch mögliche Auswirkungen für das Asylverfahren überprüft werden.

Bosbach forderte zudem, dass die Altfälle von 2015 wieder hervorgeholt werden. „Natürlich ist dies mit einem großen Aufwand verbunden“, sagte der CDU-Politiker. „Aber wir müssen wissen, wer in unser Land kommt und wer versucht hat, durch falsche Papiere die Behörden zu täuschen.“

De Maizière ordnet umfassende Überprüfung an

Unterdessen ordnete Bundesinnenminister Maizière nach den Berichten über unerkannt gebliebene Passfälschungen eine umfassende Überprüfung an.

Das Bundesinnenministerium hatte die Kritik zunächst noch zurückgewiesen. Das BAMF arbeite bei der Prüfung der Personendokumente nach einem „gut eingeübten Verfahren“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Seit März 2016 seien allein über 50.000 Dokumente überprüft und 3300 gefälschte Pässe entdeckt worden. „Das zeigt, dass die Verfahren beim Bundesamt grundsätzlich funktionieren.“

IS-Terrorverdächtige aus Schleswig-Holstein hatten gefälschte Pässe

Anlass der massiven Kritik der Länder war der Umstand, dass die drei Terrorverdächtigen, die in Schleswig-Holstein festgenommen worden waren, Ende 2015 die Grenze mit offensichtlich gefälschten syrischen Pässen überquert hatten. In diesem Fall hatten die Behörden jedoch frühzeitig erkannt, dass ihre Pässe vermutlich aus einer Druckerwerkstatt der Terrormiliz IS stammten, und sich deshalb an ihre Fersen geheftet.

(dpa/Welt/FAZ/wog)