Kein Herz für Familien beweist die Bayern-SPD. Sie lehnt selbst die bescheidenen geplanten Steuererleichterungen von Finanzminister Schäuble für Familien und Kleinverdiener ab und will außerdem das Betreuungsgeld abschaffen – zugunsten kostenloser Kindergärten. (Foto: Fotolia/Wavebreakmedia-Micro)
SPD-Klausur

Weltfremde Genossen

Kommentar Die Bayern-SPD lehnt Steuersenkungen für Familien, Klein- und Mittelverdiener ab. Stattdessen fordert die Landtagsfraktion auf ihrer Klausur in Bad Aibling kostenlose Kindergärten. Damit demonstrieren die Genossen erneut ihre Staatsgläubigkeit und Realitätsferne. Eine kleine Analyse.

Die Landtags-SPD lehnt selbst die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Aussicht gestellte moderate Steuersenkung von 15 Milliarden Euro jährlich für Familien, Klein- und Mittelverdiener ab. Stattdessen fordern die Genossen auf ihrer Klausur in Bad Aibling, die Kindergärten für Eltern komplett kostenlos zu stellen. Dadurch würden Familien deutlich stärker entlastet als durch die von der Union angekündigten Steuersenkungen, behauptet Fraktionschef Markus Rinderspacher.

Damit zeigt die bayerische SPD nach Ansicht von Beobachtern dreierlei: Dass sie erstens nicht erkannt hat, dass die Steuerbelastung der Bürger nach Jahren der immer neuen Rekord-Steuereinnahmen so hoch ist, so dass sie bereits leistungsfeindlich wirkt – und daher schon aus volkswirtschaftlichen Erfordernissen heraus dringend gesenkt werden muss.

Staatsgläubig und weltfremd

Zweitens beweist die SPD wenig Ahnung von der realen Situation der Familien insgesamt, denn bei weitem nicht alle Familien haben Kinder im Kindergartenalter. Richtig teuer wird – wie alle Eltern wissen – die Kindererziehung vor allem im Alter von 15 bis 25 Jahren, wenn größere Schulausflüge, Nachhilfe, teure Hobbys und das Studium die Portemonnaies belasten. Die Elternregel „Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen“ gilt auch im Bereich der Finanzen.

In Bayern ist überdies das dritte Kindergartenjahr schon weitgehend kostenfrei, da der Freistaat einen Zuschuss von 100 Euro pro Kind und Monat zahlt. Die übrigen Kindergartenkosten pro Kind für die zwei kostenpflichtigen Jahre sind mit im Schnitt 100 Euro pro Monat und Kind aber tragbar, zumal in der Regel das zweite Kind schon weniger kostet und das dritte Kind meist beitragsfrei ist. Diese Kosten für die Eltern fallen eben auch nur zwei Jahre an, ebenso lange würde also die Entlastungsidee der SPD wirken. Eine Steuerentlastung, wie sie die Union will, bringt hingegen über viele Jahre Entlastung.

Kindergartengebühren

Interessant an der SPD-Idee kostenloser Kindergärten ist, dass die rot regierten bayerischen Städte in der Regel keineswegs die niedrigsten Gebühren für kommunale Kindergärten verlangen. So verlangt das seit vielen Jahren SPD-geführte Nürnberg für den Platz in einem Kindergarten derzeit bei der üblichen Buchungszeit von sieben bis acht Stunden pro Tag 120 Euro pro Kind, ab 2018 sollen es sogar 140 Euro sein. Auch die weiteren SPD-geführten Städte langen hier zu (Buchungszeit immer sieben bis acht Stunden jeden Tag): Ein Kindergartenplatz in Erlangen kostet 131 Euro, in Fürth 151 Euro, in Regensburg 123 Euro und in München, das nach Einkommen berechnet, kostet er zwischen 0 und 160 Euro. Die 100 Euro Zuschuss des Freistaats werden in der Landeshauptstadt aber schon ab einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro übertroffen, nämlich mit 107 Euro Gebühren. Die nächste Stufe ab 45.000 Euro Gehalt liegt bei 120 Euro, ab 50.000 Euro Gehalt bei 133 Euro. Für einen Kindergartenplatz im schwarz regierten Augsburg werden dagegen generell nur 107 Euro fällig, in Ingolstadt 128 Euro und in Würzburg 125 Euro.

So beweist drittens die Bayern-SPD mit ihrem Widerstand gegen Steuersenkungen auch ihre Staatsgläubigkeit. Für Sozialdemokraten soll der Bürger – wie es der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering einmal formuliert hatte – sein selbst erwirtschaftetes Geld am besten „dem Staat geben“, der verteilt es dann „gerecht“. Eigenverantwortliches Handeln gehört nicht zum Programm.

Ist der Staat der bessere Erzieher?

Außerdem sind nach Auffassung der SPD offensichtlich Kinderkrippen bessere Erzieher als die Eltern. Denn das von der CSU eingeführte Betreuungsgeld für Eltern, die die Erziehungsarbeit selbst übernehmen, wird von der Bayern-SPD nach wie vor abgelehnt und als „Herdprämie“ verunglimpft – weil es die Frauen von der Wiederaufnahme ihrer Jobs abhalte.

Dahinter steht jedoch auch ein tiefes Misstrauen der SPD gegen alle Eltern, sie würden nur wegen des Geldes ihre Kinder zu Hause behalten. Das mag für eine kleine Minderheit zutreffen, nicht jedoch für die überwältigende Mehrheit der Eltern, die ihre Kinder lieber nicht so früh in Kinderkrippen abgeben wollen. Schließlich haben Studien bewiesen, dass gerade die ersten drei Lebensjahre das Urvertrauen von Kindern in ihre Eltern sowie ihr gesamtes emotionales Verhalten entscheidend prägen.

Mehr noch: Die SPD will das in Bayern überaus erfolgreiche und stark nachgefragte Betreuungsgeld abschaffen und die Mittel zu Gunsten der kostenlosen Kindergärten verwenden, kündigte Rinderspacher an.

Linke Bayern-SPD auch innerparteilich im Abseits

Die Sozialdemokraten in Bayern sind mittlerweile 60 Jahre ohne Pause in der Opposition und einer der vielen Gründe dafür ist die sehr linke Ausrichtung des Landesverbandes. Soeben hat sogar die Bundes-SPD auf dem Parteikonvent in Wolfsburg den Bayern-Ableger ins Abseits gestellt. Gegen den scharfen, aber erfolglosen Protest der Bayern-SPD stimmte die Bundespartei mit großer Mehrheit dem europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen CETA zu.

Nur ein Bayer stimmte ebenfalls dafür: ausgerechnet der Landesvorsitzende Florian Pronold, der dafür in seinem Landesverband heftig kritisiert wurde. Dem Merkur erklärte er: „Ich hielte es für fahrlässig, wenn man die vielen Verbesserungen ablehnt, weil man statt 100 Prozent nur 80 Prozent der Forderungen erfüllt bekommt – zumal weitere Nachbesserungen an CETA in den Parlamentsberatungen noch erreicht werden sollen.“

Pronold redete nun zum Ausgleich davon, dass der Protest der bayerischen Genossen gegen CETA nicht völlig vergebens gewesen sei: Die klare Positionierung aus Bayern habe schon Verbesserungen gebracht, behauptete er im Bayerischen Rundfunk (BR). Außerdem sei der Konventsbeschluss nur ein bedingtes Ja zu CETA.

Die üblichen Attacken

In Umfragen lag die bayerische SPD zuletzt bei maximal 18 Prozent. Angesichts der eigenen Bedeutungslosigkeit flüchteten sich nun Fraktionschef Rinderspacher und Landeschef Pronold wie immer in scharfe rhetorische Attacken auf die Staatsregierung. Die CSU geriere sich als „schrille Fundamentalopposition“ und wolle das Land verändern, behauptete Rinderspacher. Sie wolle aus dem liberalen Land einen autoritären Staat der Marke Orbán machen, so der Fraktionschef allen Ernstes.

In Bad Aibling empfing die Bayern-SPD den luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn. Rinderspacher wollte dies als „proeuropäisches Signal“ verstanden wissen. Doch es war Asselborn, der kürzlich forderte, Ungarn aus der EU auszuschließen und der die im Schengen-Vertrag vorgeschriebene Sicherung der EU-Außengrenze durch Ungarn mit einem „Schießbefehl“ verglich.

Abgekupfert und mäßig originell

Ansonsten fiel die Herbstklausur der SPD-Landtagsfraktion mäßig inhaltsvoll und originell aus: Eine „Alpenstrategie“ wurde vorgestellt, eine Idee, die die CSU schon vor einigen Jahren anstieß und im April diesen Jahres vorstellte. Die SPD setzt hier auf „nachhaltigen Ganzjahrestourismus“, eine Verkehrswende hin zu landkreisübergreifenden Buslinien und zur Bahn – so soll beispielsweise eine parallel zum Alpenrand verlaufende neue Bahnstrecke gebaut werden, die Weilheim, Bad Tölz und Miesbach direkt miteinander verbindet. Ob die Anwohner damit einverstanden sind, bleibt offen.

Am „Alpenrand“ soll sich auf Wunsch der SPD „sauberes und emissionsarmes Gewerbe“ ansiedeln. „Alpenrand“ fällt bei der Wirtschaft aber nicht gerade unter die gesuchten Standortfaktoren. Darum setzt die SPD auf schnelles Internet, das sei dafür unverzichtbar – auch dies eine überaus „frühe“ Erkenntnis, wenn man auf die zahlreichen längst von der CSU umgesetzten Breitband-Förderungen blickt. Weitere SPD-Ideen: ein staatliches Alpenforschungsinstitut im Berchtesgadener Land und ein neues Naturschutzgebiet an der Rotwand im Kreis Miesbach. Auch bei Letzterem dürfte aus der ortsansässigen Bevölkerung Widerstand zu erwarten sein.

(dpa/BR/wog/avd)