Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. (Foto: Imago/Sven Simon)
IS-Verdächtige

Herrmann kritisiert Kontrollverlust

Nach den Anti-Terror-Razzien kritisiert Bayerns Innenminister Herrmann die deutsche Flüchtlingspolitik: „Die eklatanten Kontroll-Lücken beim immensen Flüchtlingsstrom vor allem im Herbst letzten Jahres rächen sich.“ Die Polizei hatte in Schleswig-Holstein drei mutmaßliche IS-Sympathisanten festgenommen, die laut Bundesinnenminister de Maizière in Verbindung mit den Paris-Terroristen standen.

Tausende Menschen seien ohne ausreichend geprüfte Identität nach Deutschland gekommen, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir wissen mittlerweile, dass auch der IS diese Sicherheitslücken gezielt genutzt hat, um Attentäter als Flüchtlinge getarnt nach Europa zu schleusen.“ Daher sei es dringend notwendig, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Asylverfahren möglichst schnell und sorgfältig die Personalien aller bereits eingereisten Asylbewerber eingehend überprüft. Wichtig sei zudem eine gute Grenzsicherung.

Personen, deren Identität nicht zweifelsfrei feststeht, müssen bis zur Klärung an der Grenze festgehalten werden.

Joachim Herrmann (CSU), Bayerns Innenminister

„Wir brauchen strikte Grenzkontrollen und klare Identitäten derjenigen, die zu uns ins Land kommen“, sagte der Minister. „Personen, deren Identität nicht zweifelsfrei feststeht, müssen bis zur Klärung an der Grenze festgehalten werden.“ Auch fordert Herrmann einen besseren Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden auf EU-Ebene.

Scheuer fordert „Komplettdurchleuchtung aller Flüchtlinge“

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer verlangte eine umfassende Kontrolle sämtlicher Flüchtlinge in Deutschland. Mit Blick auf die Festnahme mutmaßlicher IS-Mitglieder erklärte Scheuer: „Die Antwort kann nur eine Komplettdurchleuchtung aller in unser Land gekommenen Flüchtlinge sein. Jeder einzelne Flüchtling muss von den Behörden persönlich angehört und genau überprüft werden.“

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, verwies zudem darauf, dass die wahre Identität der registrierten Flüchtlinge oft nicht überprüft werden könne. Das liege auch daran, dass in vielen Fällen aus den Herkunftsländern die nötigen Daten nicht vorlägen, sagte er der Magdeburger Volksstimme. 80 Prozent der Ankommenden hätten keine Papiere. „Das ist ein Bedrohungspotenzial.“

Genau hinschauen, wer ins Land kommt

Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Frieser, betonte: „Damit wir wissen, von wem eine Bedrohung ausgeht, müssen umfassende Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt und die Kommunikation überwacht werden. Klar ist, Sicherheitslücken müssen konsequent geschlossen werden.“ Man müsse genau hinschauen, wer ins Land komme.

Die Festnahme der drei Terrorverdächtigen, bevor eine konkrete Gefahr von ihnen ausging, ist für Frieser „ein großer Fahndungserfolg“, der zeige, dass die Sicherheitsbehörden „hervorragende Arbeit leisten“. Frieser wörtlich: „Ein solcher Erfolg zeigt den Menschen, dass sie in einem Land leben, in dem alles dafür getan wird, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.“

Festgenommen wurden die Beschuldigten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Ahrensburg und Großhansdorf östlich von Hamburg sowie in Reinfeld nahe Lübeck. Die in kommunalen Flüchtlingsunterkünften lebenden Männer im Alter von 17, 18 und 26 Jahren galten zum Teil als „Vorzeige-Flüchtlinge“.

Alle drei Männer sitzen in U-Haft

Die drei Terrorverdächtigen sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) ordnete nach den Anhörungen in Karlsruhe für alle drei Männer U-Haft an, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Die Bundesanwaltschaft wirft den drei Männern vor, im Auftrag des IS nach Deutschland gekommen zu sein, „um entweder einen bereits erhaltenen Auftrag auszuführen oder sich für weitere Instruktionen bereitzuhalten“.

Konkrete Anschlags-Aufträge gab es aber wohl (noch) nicht. „Es könnte sich also um eine Schläferzelle handeln“, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Sie hätten darüber hinaus einen Bezug zu den Attentaten in Paris vom November 2015. Am 13. November 2015 hatten Extremisten mit Verbindungen zum IS die Konzerthalle „Bataclan“ und andere Ziele in der französischen Hauptstadt angegriffen. 130 Menschen starben damals.

Gefälschte Pässe aus der Werkstatt der Paris-Attentäter

De Maizière sagte weiter, es spreche alles dafür, dass dieselbe Schlepperorganisation, die bei den Attentätern von Paris aktiv gewesen sei, auch diese drei als Flüchtlinge getarnten Männer nach Deutschland gebracht habe. Sie seien im November 2015 über die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Außerdem spreche alles dafür, dass die gefälschten syrischen Reisedokumente aus der gleichen Werkstatt in der entsprechenden Region stammten, die schon die Pariser Terroristen nutzten, sagte de Maizière.

Die Maßnahmen zeigen: Die Sicherheitsbehörden sind wachsam und handeln entschlossen.

Thomas de Maizière (CDU), Bundesinnenminister

De Maizière sagte: „Die Sicherheitsbehörden wollten mit der Festnahme denkbare Gefahren abwenden, die von den drei Festgenommenen hätten ausgehen können.“ Man hätte somit möglicherweise einen Terroranschlag durch eingeschleuste Mitglieder der IS-Terrormiliz verhindert. Er fügte hinzu: „Die Maßnahmen zeigen: Die Sicherheitsbehörden sind wachsam und handeln entschlossen.“

Die Ermittlungen würden weitergeführt. Sie dauerten laut de Maizière bereits über Monate an und hätten enorme Kräfte gebunden. Dabei seien die Personen in einem großem Umfang persönlich observiert worden. Zu keinem Zeitpunkt sei deshalb von diesen drei Personen eine konkrete Gefahr ausgegangen, betonte der Bundesinnenminister: „Es musste nur der richtige Zeitpunkt ermittelt werden, damit auch ein Haftbefehl trägt.“

Immer wieder IS-Sympathisanten unter den Flüchtlingen

Die Sicherheitsbehörden gingen allen Verdachtsmomenten und allen Hinweisen aus dem In- und Ausland nach, sagte de Maizère weiter. „Die Sicherheitslage in Deutschland ist nach wie vor unverändert ernst. Die Gefahrenlage hält an.“ Die Behörden hätten Einzeltäter und mögliche Netzwerke im Blick. Flüchtlinge dürften nicht generell unter Terrorverdacht gestellt werden, warnte er erneut. Es gebe aber immer wieder Hinweise, dass auch unter Flüchtlingen einzelne potenzielle Terroristen oder Sympathisanten sein könnten. Aktuell gebe es etwa 60 Ermittlungsverfahren.

(dpa/wog)