Der Tag des Grauens für viele Erben und Familienunternehmen: Die Erbschaftsteuererklärung. Die CSU will nicht zulassen, dass Familienunternehmen und ihre Arbeitsplätze im Bestand gefährdet werden, nur weil der Inhaber stirbt und die Firma auf die nächste Generation übertragen wird. (Foto: imago/Christian Ohde)
Erbschaftsteuer

Es geht um die Arbeitsplätze

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat keinen Kompromiss zur Erbschaftsteuerreform gefunden. Nach kurzer Sitzung vertagte man sich auf den 21. September. Während SPD und Grüne auch Familienunternehmen massiv abkassieren wollen, warnt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU): „Wir wollen keine Steuererhöhung und keine Gefährdung der Arbeitsplätze.“

Im Streit über die Reform der Erbschaftsteuer zeichnet sich kein Kompromiss zwischen Bund und Ländern ab. Nach kurzer Sitzung vertagte der Ausschuss die Verhandlungen auf den 21. September. Die CSU lehnt Änderungen an dem zuletzt ausgehandelten Reformpaket mit den Verschonungsregeln für Firmenerben strikt ab und fordert die SPD zum Einlenken auf. Vor Beratungen des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat am Donnerstagabend pochen SPD und Grüne wiederum auf grundlegende Korrekturen.

Söder: „Keine Steuererhöhung, keine Gefährdung der Arbeitsplätze“

Bayerns Finanzminister Markus Söder stellte klar: „Für uns ist ganz klar: Wir wollen keine Steuererhöhung und keine Gefährdung der Arbeitsplätze.“ Die SPD-Länder und die Länder mit grüner Regierungsbeteiligung wollten dagegen „eine Totalrevision“ des im Bundestag beschlossenen Kompromisses. „Das geht mit Bayern nicht, das lehnen wir ab“, sagte der CSU-Politiker. Die SPD-Finanzminister müssten dann die Verantwortung tragen, wenn am Ende das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden würde.

Die Vorschläge, die Länder wie Nordrhein-Westfalen machen, laufen auf massive Steuererhöhungen und mehr Bürokratie auch für kleine und mittlere Betriebe hinaus. Das geht gar nicht.

Markus Söder, CSU

Kauder: große Sorgen um deutschen Mittelstand

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, er mache sich „große Sorgen“, dass bei einem gescheiterten Vermittlungsverfahren sich das Bundesverfassungsgericht aufgerufen fühle, eine Lösung zu finden: „Und das wäre allemal schlechter, als das, was wir hier machen können.“ Es liege nicht am Bundestag, sondern an der Länderkammer.

In seiner Rede in der Generaldebatte im Bundestag lehnte Kauder speziell Forderungen aus der Linkspartei ab, das Erbschaftsteuersystem in den USA zum Vorbild zu nehmen. Die US-Erbschaftsteuer habe den gesamten Sektor der mittelständischen Familienbetriebe zerstört, so Kauder. Dieser sei aber größter Arbeitsplatzgarant und das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft.

Merkel: Familienunternehmen zentraler Baustein des Erfolgs

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte an die rot-grünen Bundesländer, die überfällige Erbschaftsteuerreform nicht weiter zu blockieren. Die Verschonungsregeln für Firmenerben seien Regeln für die Arbeitnehmer und für die Zukunft des Mittelstandes sowie für Familienunternehmen. Diese seien ein ganz wichtiger Baustein des deutschen Erfolgs, sagte Merkel in der Generaldebatte im Bundestag.

In der Wirtschaftswoche hatte Merkel betont, die Bundesregierung wolle zwar an der Erbschaftsteuer festhalten – obwohl es sich um Besteuerung bereits besteuerten Vermögens handle. Bei der Besteuerung müsse jedoch unterschieden werden, ob das Vermögen „einfach nur weitervererbt wird“ oder auch „dem Gemeinwohl dient“, etwa der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Keinesfalls wolle sie die Substanz der Firmen gefährden, so Merkel: „Die Erbschaftsteuer ist im Grunde der fragilste Punkt von Familienunternehmen.“ Sie sei sich bewusst, dass Familienunternehmen für Erbstreitigkeiten anfälliger seien als Unternehmen in breitem Streubesitz. Merkel weiter: „Der Staat kann nicht verhindern, dass sich Familien in die Haare kriegen, aber er sollte durch seine steuerlichen Regelungen dazu beitragen, dass der Übergang innerhalb der Familie gelingt.“

Fuchs: Es geht um Fortführung der Betriebe

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, sieht Chancen für eine Einigung im Streit um die Reform der Erbschaftsteuer. „Ich habe das Gefühl, dass wir einen Kompromiss finden können und wir müssen auch einen finden“, sagte er beim Nachrichtensender n-tv. CDU und CSU gehe es vor allem darum, „dass Firmenerben vor allem aus Familienunternehmen nicht so viel Erbschaftssteuer zahlen müssen, dass das Unternehmen nicht fortgeführt werden kann“, sagte Fuchs.

Es gehe um die Fortführung der Unternehmen und die Sicherung der Arbeitsplätze. „Es geht darum, dass wir sicherstellen, dass auch in Zukunft in diese Familienunternehmen investiert werden kann.“ Darüber wolle die Unionsfraktion sowohl mit den Bundesländern als auch mit dem Koalitionspartner verhandeln.

Bundestags-Kompromiss scheiterte Anfang Juli an Rot-Grün im Bundesrat

Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende 2014 die bisherigen Steuerprivilegien für Betriebserben als zu weitgehend gekippt und eine Neuregelung bis Ende Juni 2016 verlangt. Künftig sollen demnach bei größeren Unternehmen Firmenerben nur verschont werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften. Für Kleinbetriebe sollte laut Gericht die Bagatellgrenze strenger gefasst werden.

Die angemahnte Reform, die durch die Bundestagsmehrheit der großen Koalition bereits beschlossen war, scheiterte Anfang Juli an der rot-grünen Blockade im Bundesrat. Stattdessen rief die Länderkammer auf Druck von SPD, Grünen und Linken den Vermittlungsausschuss an. Gelingt dort bis Ende September kein Kompromiss, will sich das Verfassungsgericht erneut mit der Steuer befassen. Dann könnte Karlsruhe die bisherigen Privilegien für Firmenerben sogar endgültig kippen oder selbst neue Vorgaben machen.

Familienunternehmer verschenken immer mehr Vermögen zu Lebzeiten

Bisher müssen Unternehmensnachfolger kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb mehrere Jahre weiterführen und die Arbeitsplätze erhalten. Unabhängig vom Unternehmenswert werden Firmenerben in der bisherigen Regelung bei der Erbschaftsteuer zu 85 oder 100 Prozent verschont, wenn sie das Unternehmen fünf beziehungsweise sieben Jahre fortführen.

Viele Familienunternehmer haben bereits auf die Rechtsunsicherheit reagiert und verschenken bereits zu Lebzeiten („mit warmer Hand“) Teil des Vermögens an ihre Erben. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2014 Vermögenswerte in Höhe von 70,5 Milliarden Euro verschenkt – 77 Prozent mehr als 2013. Die vererbte Summe hingegen stieg 2014 „nur“ um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 38 Milliarden Euro.

(dpa/n-tv/WO/wog)