Eine Richterin am Verwaltungsgericht in Düsseldorf leitet eine Verhandlung betreffend Asylantrag von Menschen aus dem Herkunftsland Albanien. (Bild: Imago/Reichwein)
Asylverfahren

Entlastung für Gerichte

Etwa die Hälfte der abgelehnten Asylbewerber versucht, vor Gericht den negativen Entscheid anzufechten. Derzeit nehmen insbesondere die sogenannten Aufstockungsklagen syrischer Bewerber drastisch zu. Deshalb fordert die CSU eine Änderung des Asylrechts, um den Klageweg einzuschränken. Das könnte die Gerichte enorm entlasten.

Wenn über Asylanträge in Deutschland gesprochen wird, richtet sich die Aufmerksamkeit meist auf die Verfahren beim BAMF, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Was dabei allerdings unberücksichtigt bleibt: Nur bei einer Anerkennung ist der Fall erledigt. Jeder abgelehnte Bewerber kann vor ein Verwaltungsgericht ziehen und gegen die Entscheidung klagen. Etwa die Hälfte der negativen Bescheide wird vor Gericht angefochten.

Mit einiger zeitlicher Verzögerung nach der Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres erreichen jetzt die Klagen abgelehnter Asylbewerber die Justiz. Allein in Bayern mussten die Verwaltungsgerichte im vergangenen Jahr mehr als 11.000 Verfahren abarbeiten, eine Zunahme um über 50 Prozent gegenüber 2014. Am Verwaltungsgericht München stieg die Zahl der Klagen und Eilanträge von gut 2.000 im Jahr 2014 auf knapp 2.700 im vergangenen Jahr.

Wir erwarten, dass die Zahl drastisch weiter steigt, sind aber jetzt an den Grenzen unserer Belastung angekommen.

Andrea Breit, Präsidentin des Verwaltungsgerichts München

Flüchtlinge argumentieren mit Krankheit

Die Staatsregierung hat auf die gewaltige Mehrbelastung bereits reagiert und 26 zusätzliche Richterstellen bewilligt. Sechs davon kommen ans Gericht in München. Insgesamt arbeiten damit 275 Berufsrichter an den bayerischen Verwaltungsgerichten. Für die Juristen stellen die Klagen einen enormen Aufwand dar. Selbst mit durchschnittlichen Fällen ist ein Richter in Summe etwa einen Tag lang beschäftigt. Aber die Sachverhalte, mit denen sie sich beschäftigen müssen, werden zunehmend komplexer. Längst geht es nicht mehr nur darum, die vorgebrachten Asylgründe zu bewerten. Immer öfter spielt auch der Gesundheitszustand des Flüchtlings eine Rolle.

Dazu kommt, dass die Richter viele Verhandlungen führen müssen, zu denen es gar nicht hätte kommen brauchen. So dürfen Asylbewerber, deren Anträge das BAMF als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt hat, etwa weil sie aus sicheren Herkunftsländern stammen oder weil sie aus eindeutig wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen sind, sofort in das Heimatland zurückgeführt werden. Lediglich ein Eilantrag bei Gericht könnte die drohende Abschiebung noch abwenden.

Ärztliche Atteste sind ebenfalls ein Mittel, mit denen Asylbewerber vor Gericht eine Abschiebung verhindern wollen. Regelmäßig präsentieren sie auch vollkommen neue Argumente für ihren Asylantrag.

Je länger die Bewerber bereits in Deutschland sind, desto genauer sind sie meist darüber informiert, welche Asylgründe stichhaltig sind.

Florian Huber, Richter und Pressesprecher am Münchner Verwaltungsgericht

Problem Aufstockungsklagen

Ein weiteres Phänomen für deutsche Gerichte sind sogenannte Aufstockungsklagen durch syrische Asylbewerber, die laut Münchner Merkur offenbar immer weiter zunehmen. Mit dem Asylpaket II hat die Bundesregierung im März den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre ausgesetzt. Zudem werden Syrer, die nicht persönlich verfolgt werden, nicht mehr automatisch als Flüchtlinge anerkannt. Viele der als subsidiär schutzberechtigt eingestuften Syrer ziehen jetzt vor Gericht, um so im Nachhinein den Flüchtlingsstatus und auch das Recht auf Familiennachzug zu erhalten. Alleine im August seien 300 Verfahren von Syrern beim Verwaltungsgericht München eingegangen, sagte Martin Scholtysik, Sprecher am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), gegenüber dem Münchner Merkur.

„Hintertürchen im Rechtsstaat“

Landtagsabgeordneter Markus Blume, der die Grundsatzkommission der CSU leitet, führt die Tatsache, dass klagenden Asylbewerbern oft Recht zugesprochen wird, auf eine fehlende Rechtsgrundlage zurück. Ein weiterer Passus im Asylrecht wäre nötig, um den Rechtsweg einzuschränken.

Wer bereits Schutz genießt, sollte den Status nicht nachträglich über den Klageweg noch verbessern können.

Markus Blume, CSU-Landtagsabgeordneter

Dass die Entscheidung der Bundesregierung „durch ein Hintertürchen des Rechtsstaats“ unterlaufen werden kann, will auch der innenpolitische Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag, Florian Herrmann, verhindern. Er unterstützt Blume darin, einen expliziten Passus im Asylrecht zu beschließen. Das würde die Menge an Verfahren erheblich reduzieren – und die Richter entlasten.

Abschiebungen erleichtern

Fast 220.000 „ausreisepflichtige Ausländer“ leben derzeit in Deutschland, davon sind fast 170.000 geduldet. Es gibt aber auch 51.000 „unmittelbar Ausreisepflichtige“, die dennoch das Land nicht verlassen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat unter dem Eindruck der von Flüchtlingen verübten Attentate von Würzburg und Ansbach eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie die Zahl der Ausweisungen erhöht werden kann.

So dürfe eine Abschiebung in ein Krisengebiet kein Tabu mehr sein – vor allem für straffällige Flüchtlinge. Als Beispiel nannte Herrmann Afghanistan. In diesem Land gebe es Gebiete, in denen „ein Aufenthalt zumutbar ist“. Eine Abschiebung solle auch nicht mehr so leicht an medizinischen Gründen scheitern. Herrmann schlägt vor, eingereichte Atteste durch Amtsärzte überprüfen zu lassen. Zudem verlangt der Innenminister, wer ohne Papiere einreist und seine Identität nicht belegen kann, der müsse zunächst an der Grenze festgehalten und überprüft werden. Das jetzige Prozedere könne man „nicht mehr so laufen lassen“, betont Herrmann.