Die Steuereinnahmen in der Bundesrepublik befinden sich seit Monaten auf konstant hohem Niveau und verzeichnen sogar immer wieder neue Rekordstände. Und das in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – etwa durch den Brexit – oder den Herausforderungen der Flüchtlingskrise. Eigentlich ein ideales Umfeld, um die Bürger steuerlich in größerem Umfang zu entlasten. Das zumindest finden zahlreiche Politiker aus den Reihen von Union, SPD und FDP.
Entlastungen von bis zu 15 Milliarden Euro
Unionsfraktionschef Volker Kauder etwa hat erst kürzlich mitgeteilt, der Staat könne die Steuerzahler nach der Bundestagswahl 2017 um knapp 15 Milliarden Euro jährlich entlasten. Dabei sieht der CDU-Mann vor allem Familien und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen im Fokus – diese Bevölkerungsgruppen sollten im besonderen Maße profitieren. Die Bundeskanzlerin wollte sich noch nicht festlegen. Im ARD-Sommerinterview kündigte Angela Merkel aber Gesprächsbereitschaft an, wenn die Einnahmen auch im kommenden Jahr noch so hoch seien.
Bayern plant Milliarden-Entlastungen
Für die CSU meldete sich Bayerns Finanzminister Markus Söder zu Wort. „Die neuen Zahlen belegen: Es bleiben genügend Spielräume für eine maßvolle Steuerentlastung der kleinen und mittleren Einkommen.“ Dabei verwies der Minister auf das von der Bayerischen Staatsregierung kürzlich vorgelegte Steuerkonzept für den Freistaat. Dieser sogenannte „Bayern-Tarif“ sieht Entlastungen für kleinere und mittlere Einkommen um mehr als zehn Milliarden Euro ab dem Jahr 2019 vor. Dabei will Söder die Kurve der Steuerprogression „spürbar abflachen.“
Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist dem CSU-Minister ein Dorn im Auge. Da sie Sparguthaben und Lebensversicherungen entwerte, möchte Söder diesen Umstand auf steuerlicher Seite zu einem gewissen Teil ausgleichen.
Die Niedrigzinspolitik der EZB entwertet die Sparguthaben und Lebensversicherungen.
Markus Söder
CSU will zudem Soli abschaffen
Auch der Chef der CSU-Mittelstands Union (MU), Hans Michelbach, fordert vehement Steuersenkungen: „Klar ist, dass wir den Leistungsträgern Überschüsse durch Steuerentlastungen zurückgeben müssen und wollen.“
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Reiner Meier forderte zudem die Abschaffung des Solidaritätszuschlags: „Wir sollten jetzt die Spielräume nutzen, um lange gegebene Versprechen einzulösen. Das betrifft vor allem die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, aber auch die kalte Progression.“
Söder, Michelbach und Meier waren sich in all ihren Statements einig: Aufgrund der guten Einnahmesituation sei der Spielraum für signifikante Steuersenkungen jetzt gegeben. Michelbach regte dabei konkret Steuersenkungen in Höhe von 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts an – das wären etwa 12,5 Milliarden Euro.
Wir sollten jetzt die Spielräume nutzen, um lange gegebene Versprechen einzulösen. Das betrifft vor allem die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, aber auch die kalte Progression.
Reiner Meier
Simone Peter sieht keinen Spielraum für Steuersenkungen
Was von den meisten großen Parteien in der Republik also als logische Konsequenz aus den Rekordzahlen gilt, trifft bei den Grünen auf strikte Ablehnung. Deren Co-Vorsitzende Simone Peter sieht keinen Spielraum für niedrigere Steuern. Der Süddeutschen Zeitung sagte Peter, Deutschland habe ihrer Meinung nach noch immer „einen gigantischen Schuldenberg der öffentlichen Hand und einen riesigen Investitionsstau“, den es zu bewältigen gebe.
Besonders pikant ist der „Ruf zur Finanzordnung“ aus den Reihen der Grünen dann, wenn man einen Blick auf deren Forderungskatalog an den Bund wirft. Neben dem weiteren Ausbau von Ganztagsschulen und Kindertagesstätten liest man darin vor allem eins: Den Grünen gehen die Investitionen in den allermeisten Fällen zu langsam. Um die Dinge zu beschleunigen, braucht man noch mehr Geld. Kein Wunder also, dass die Grünen Steuerentlastungen vermeiden wollen.
Aussichten geben Anlass zu Optimismus
Bleiben die Zahlen aber, wie sie aktuell sind, würde Deutschland auch bei einem großen Steuersenkungspaket noch Überschüsse erzielen. Wie das Statistische Bundesamt bekanntgab, werden Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen im ersten Halbjahr 2016 nach vorläufigen Berechnungen 18,5 Milliarden Euro mehr einnehmen, als sie ausgegeben haben.