Das Asylrecht in Deutschland wird verändert. (Foto: Imago/Christian Ohde)
Justiz

Bayerns Gerichte ächzen unter Asylverfahren

Immer mehr abgelehnte Asylbewerber klagen gegen die Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die Richter an den bayerischen Verwaltungsgerichten sehen die Grenzen der Kapazitäten erreicht.

Die sechs bayerischen Verwaltungsgerichte werden durch die deutlich steigende Zahl der Asylverfahren stark belastet. Knapp 9100 Klagen gingen bis einschließlich Juli 2016 an den Gerichten ein. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, wären bis Ende des Jahres fast 16.000 Verfahren zu erwarten. Das würde im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme um 40 Prozent bedeuten, sagte jetzt der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Stephan Kersten. „Wir haben mit dem Asylrecht schwer zu kämpfen im Moment.“

226 Richter für 16.000 Klagen

Die Statistik der Justiz zeigt, wie drastisch die Zahl der Asylverfahren in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Im Jahr 2012 klagten 3287 Asylbewerber gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), im Jahr 2015 sind es bereits 11.071 erstinstanzliche Asylverfahren. Die bis einschließlich Juli 2016 eingegangenen, erstinstanzlichen Verfahren belaufen sich schon auf 9088. In diesem Jahr könnten es also fast fünfmal so viele wie im Jahr 2012 werden. „13.000 Verfahren mehr ist natürlich schon ein Wort“, sagte Kersten. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei eine kleine Einheit mit 226 Richtern bei den sechs Verwaltungsgerichten. „Der Einzelne hat viel mehr zu tun.“ Die Folge, so Kersten: „Die Verfahren werden länger dauern.“

Der Anteil der Asylverfahren an den Verwaltungsstreitsachen insgesamt ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Im Jahr 2012 betrug der Anteil der Asylverfahren noch ca. 15,7 Prozent. Im Jahr 2015 waren bereits etwa 38 Prozent der erstinstanzlichen Verwaltungsstreitsachen Verfahren aus dem Asylrecht. Ein spürbarer Anstieg der beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingehenden, zweitinstanzlichen Asylverfahren ist demgegenüber – bislang – noch nicht zu verzeichnen. Dies liegt insbesondere auch daran, dass der Gesetzgeber die Gründe, aus denen ein Berufungsverfahren zugelassen werden kann, bewusst eng gefasst hat. Zudem sieht das Gesetz gegen Eilbeschlüsse der Verwaltungsgerichte in Asylsachen kein Rechtsmittel vor.

Die schwierigen Fälle kommen noch

„Wir erwarten, dass die Zahl drastisch weiter steigt, sind aber jetzt an den Grenzen unserer Belastung angekommen“, betonte auch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts München, Andrea Breit. Durch die Mehrbelastung steige die Verfahrensdauer auch in jenen Fällen, die nicht das Asylrecht beträfen. Immer mehr Verfahren seien in den vergangenen Monaten liegengeblieben, und das Problem könnte sich noch zuspitzen. Breit erwartet weitere Belastungen für die Gerichte: „Bislang wurden vor allem die einfachen Fälle vom BAMF beschieden.“ Klagen gegen diese Bescheide waren auch für die Verwaltungsrichter eine relativ einfache Angelegenheit. Nun aber gehe das BAMF die schwierigeren Fälle an, die dann auch für die Justiz mehr Aufwand mit sich brächten und länger dauerten.

Justiz fordert Stellenpool

Zudem gewährt das BAMF immer mehr syrischen Flüchtlingen nur noch einen „subsidiären Schutz“ und nicht mehr die Anerkennung als Asylberechtigte. Diese Entscheidung hat etwa Auswirkungen auf den Familiennachzug. Auch gegen diese Bescheide wird häufig vor Gericht geklagt.

Um die Mehrbelastung auszugleichen, hat der Freistaat die Richterstellen an den bayerischen Verwaltungsgerichten in diesem Jahr um 26 erhöht. Diese Aufstockung könnte womöglich nicht ausreichen, fürchtet aber Gerichtspräsident Kersten. Er fordert daher, einen „Stellenpool“ für Richter, damit zusätzliche Kräfte gewonnen werden können, falls die Zahl der Asylverfahren weiter deutlich zunehmen sollte.